DER STANDARD
Mittwoch, 14. Mai 2003, Seite 32 Kommentar

Im Dschungel der Motive

Martina Salomon

Wogegen genau wird in Österreich nun eigentlich demonstriert und gestreikt? Gerade der besonders aktionsbereite Schulbereich zeigt ein Dilemma der Protestierenden auf: die Vielzahl unterschiedlicher Motive. So streikten gestern Pflichtschul- und BHS-Lehrer erstens gegen die Pensionsreform und zweitens gegen die "drohende" Harmonisierung der Pensionssysteme. Genau Letzteres ist aber der Herzenswunsch vieler Reformkritiker wie Alfred Gusenbauer oder Jörg Haider: Sie fordern eine Angleichung sofort und nicht erst später. Doch da schwant den Beamten (zu Recht) bereits Übles: Sie werden wohl langfristig geringere Pensionen erhalten.

Am 6. Mai wiederum schlossen sich die AHS-Lehrer dem Streik an - allerdings vorwiegend wegen eines völlig anderen Themas: Ihnen ist die Verringerung der Unterrichtsstunden ein Dorn im Auge. Warum die Pflichtschulen dieses Thema eher in den Hintergrund stellen? Weil ihr Anstellungsschlüssel von anderen Faktoren abhängt. Im Zuge des Finanzausgleichs haben alle - natürlich auch "rote"- Länder einer Absenkung des Lehrer-Schüler-Schlüssels (derzeit eins zu 9,6) zugestimmt. Die Schulstundenkürzung hilft somit den Bundesländern, die für die Pflichtschulen zuständig sind - sie können auch mit weniger Lehrern das bisherige Angebot und somit beispielsweise Kleinstschulen aufrechterhalten, die ursprünglich akut von Schließung bedroht waren.

Weitere Forderungen? Die SPÖ - und Teile anderer Parteien - wollen eine Solidarabgabe für Pensionisten über der ASVG-Höchstgrenze, sprich: Beamte. Schwer vorstellbar, dass sich die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst dafür erwärmen kann. Ziemlich allein stehen auch die Grünen da, die eine Grundsicherung und keine staatliche Pension mehr über der ASVG-Höchstgrenze fordern. Womit als kleinster gemeinsamer Nenner der Demonstranten eigentlich nur übrig blieb: Reformaufschub.




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