derstandard.at
15. Mai 2003 17:51 MEZ

Gusenbauer im STANDARD-Interview: "Kann sein, dass es kurzfristig mehr kostet"

Harmonisierung sofort - das fordert SPÖ-Chef Gusenbauer im Gleichklang mit der FPÖ - Beamte müssten dann auch Abfertigung und höhere Einstiegsgehälter erhalten, sagt er zu Martina Salomon

STANDARD: Müssen sich Beamte schon fürchten? Immerhin hat Jörg Haider Harmonisierung bereits mit Privilegienabbau gleichgesetzt.

Gusenbauer: Das ist so nicht ganz richtig, weil Beamte höhere Beiträge zahlen und die Beamtenpension ja auch Teil des Lebenseinkommens ist. Wir
sagen: Ab einem gewissen Stichtag - nächstes oder übernächstes Jahr - gibt es ein Pensionssystem, in das alle die gleichen Beiträge einzahlen, samt Höchstbeitragsgrundlage. Alte Ansprüche bleiben erhalten, aber ab dem Stichtag erwirbt man Ansprüche nach dem neuen System. Das würde bedeuten, dass es eine Zeitlang Mischpensionen gäbe. So würde die gesamte österreichische Bevölkerung schrittweise in ein einheitliches System hineinwachsen.

STANDARD: Dann müsste man den Beamten aber auch eine Abfertigung zahlen, oder?

Gusenbauer: Ja selbstverständlich!

STANDARD: Weibliche ASVG- Versicherte dürfen - noch - früher in Pension gehen als Beamtinnen. Wie löst man das?

Gusenbauer: Mit einem komplizierten Rechtsvorgang lassen sich die Systeme trotzdem vermischen. Das Pensionsalter für Beamtinnen zu reduzieren wird nicht gehen.

STANDARD: Ist es umgekehrt denkbar, die Angleichung von Männern und Frauen im ASVG-System per Verfassungsentscheid zu beschleunigen?

Gusenbauer: Ich bin sicher nicht der, der die Frauenpension anrührt.

STANDARD: Ihr "harmonisiertes" System würde auf dem ASVG-System fußen. Muss man dann den Beamten höhere Einstiegsgehälter zahlen?

Gusenbauer: Das ist ein absolut richtiger Ansatz. Ich sehe das auch so.

STANDARD: Das würde den Staat aber einiges mehr kosten.

Gusenbauer: Bei jeder strukturellen Reform, die dazu führt, dass man mittelfristig Geld einspart, kann es schon sein, dass das kurzfristig mehr kostet.

STANDARD: Dann müsste der Staat aber auch plötzlich Dienstgeberbeiträge für Beamte zahlen.

Gusenbauer: Das ist ja eigentlich nur eine buchhalterische Angelegenheit. Am Ende des Tages musste das der Staat auch schon bisher bezahlen, sonst wäre der Zuschussbedarf zu den Beamtenpensionen nicht so hoch.

STANDARD: Haben die seinerzeitigen Sondierungsgespräche mit der ÖVP irgendeinen Konsens zur Harmonisierung ergeben?

Gusenbauer: Ich gewann den Eindruck, dass die ÖVP nur ein geändertes System für Neueinsteiger anstrebt.

STANDARD: Der ÖVP hat man es als Sündenfall angekreidet, gemeinsame Sache mit der FPÖ zu machen. Nun tun sie es selbst. Ist das nicht problematisch?

Gusenbauer: Da ist aber wohl ein bissi ein Unterschied, ob jemand eine Koalition mit einer Partei eingeht, oder ob die Sozialdemokratie in Verteidigung der Bevölkerungsinteressen versucht, eine Mehrheit im Parlament für diese Reform zu verhindern.

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