DER STANDARD
Freitag, 16. Mai 2003, Seite 8
Gleiche Fragen für alle Maturanten
Die Präsidentin des Wiener Stadtschulrats, Susanne Brandsteidl (SP), fordert eine "Wiener Matura": Alle Kandidaten der Haupt- stadt sollen am selben Tag dieselben Fragen beantworten müssen. Bildungsexperten beurteilen eine Zentralmatura aber skeptisch.
Lisa Nimmervoll
Wien - "Wiener Matura" als bildungspolitische Trademark, die "anspruchsvoller und attraktiver" als im Rest des Landes sein soll: Die amtsführende Präsidentin des Wiener Stadtschulrates, Susanne Brandsteidl, fordert eine Zentralmatura - zumindest für Wien. Alle Maturanten eines Jahrgangs sollen demnach am selben Tag dieselben schriftlichen Aufgaben lösen müssen. Erarbeiten sollen den einheitlichen Prüfungsbogen die zuständigen Landesschulinspektoren für ihren Schultyp. Schüler-"Coach", also Klassenlehrer, und Prüfer wären dann getrennt, begründet Brandsteidl im APA-Interview. Matura müsse mehr sein als "Wiederkäuen der Arbeiten und Aufsätze in der achten Klasse", Fachbereichs- und Projektarbeiten seien unabdingbar. Eigenständiges Arbeiten, verpflichtende Einbeziehung neuer Medien bei der mündlichen Prüfung, womöglich in einer Fremdsprache, stehen ebenfalls auf der Vorschlagsliste Brandsteidls. Auch die Maturakommissionen will die SP-Politikerin umkrempeln. Nicht nur Lehrer, auch die "Abnehmer" der Absolventen (Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeitnehmervertreter) schweben ihr als Kommissionsmitglieder mit Stimmrecht vor. Dadurch, so die Hoffnung der Stadtschulratspräsidentin, würde die Matura "zu einer wirklich öffentlichen Prüfung, die gesellschaftliche Akzeptanz hat".
"Technische" Voraussetzung für die "Wiener Matura" wäre eine geänderte Reifeprüfungsverordnung. Mehrkosten entstünden keine, glaubt Brandsteidl, Mehrwert sehr wohl: Die Matura würde wieder ernst genommen und "näher ans Leben geführt". "Zentralisierungsidee"
Während die Vizepräsidentin des Stadtschulrates, Monika Mühlwerth (FP), die "Wiener Matura" als "grundsätzlich begrüßenswert" bezeichnete, sprach der frühere FP-Bildungssprecher, Sportstaatssekretär Karl Schweitzer, im STANDARD-Gespräch von einer "sozialistischen Zentralisierungsidee", die die "wichtige Schulautonomie konterkariert". Schweitzer selbst, der schon lange eine "Reform der Matura, wie sie jetzt ist", fordert, setzt indes auf themenkonzentrierte Projekte als Abschlussarbeit.
Auch Bildungsexperten sind skeptisch. Herbert Altrichter, Professor für Pädadogik an der Uni Linz, erklärt im Gespräch mit dem STANDARD: "Die Idee einer Zentralmatura hofft auf Gerechtigkeit durch Gleichheit der Aufgaben für alle Schüler." Bloß lernten eben nicht alle Schüler das Gleiche, wendet Altrichter ein. Es gebe "Rahmenlehrpläne, innerhalb derer die Lehrkräfte - mit den geplanten Stundenkürzungen noch stärker - Schwerpunkte setzen können und müssen." Daher entspreche der jetzige Einfluss der Klassenlehrer auf die Prüfungen der Schwerpunktbildung besser. Strebe man "Gerechtigkeit im Basiswissen an und frage nur mehr zentrale Inhalte ab, degradiert das andere Inhalte zur ,Zutat und unterläuft die gewünschten Schwerpunkte", so Altrichter. Brandsteidls Kollege, Salzburgs Landesschulratspräsident Gerhard Schäffer (VP), hält "von einer punktuellen regionalen Maturalösung gar nichts". Eine Zentralmatura, und sei sie nur auf Länderebene, mache abgesehen vom Problem mit Schulschwerpunkten und Profilbildungen "wesentlich mehr Beamte oder frei gestellte Lehrer für die Fragenerarbeitung und damit mehr finanzielle Ressourcen notwendig", so Schäffer. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP) sprach sich bereits einmal gegen eine Zentralmatura, aber für festgelegte Standards trotz unterschiedlicher Schulprofile aus. Walter Strobl, Bildungssprecher der VP-Wien, will die "Wiener Matura" ebenso diskutieren wie "Leistungsstandards an allen Nahtstellen".
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