: Der aktuelle Hauptgegner Wolfgang Schüssels heißt aber Fritz Verzetnitsch.
: Der ÖGB-Präsident ist alles andere als eine charismatische Figur. Er wirkt
: eher wie ein guter Onkel und ist ein bedächtiger Sozialdemokrat und
: Sozialpartner der alten Schule, der am liebsten hinter geschlossenen
: Türen mit den Spitzen des Wirtschaftsbundes verhandelt und dann mit
: ihnen vor die Öffentlichkeit tritt, um die Ergebnisse zu verkünden. Will
: man es negativ ausdrücken, dann fehlt ihm die Eloquenz, positiv könnte
: man aber auch anmerken, dass er nichts Abgefeimtes oder Zynisches
: an sich hat. Als größte Schwäche bezeichnet er seine »Gutmütigkeit«.
: Anlässlich einer Fernsehdebatte schrieb Günther Nenning: »Dem
: gramgefurchten Gesicht des ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch war´s
: in der Diskussion anzusehen, wie schwer er sich tut. Er weiß schon,
: dass er der Verlierer ist.«
:
: Im Prinzip haben die Gewerkschaften keine Alternativen zu den
: herrschenden Sparvorhaben anzubieten, teilen sie doch alle
: gesellschaftlichen Vorgaben. Nach wie vor sagen sie vorbehaltlos
: ja zu Markt und Standort, ja zu Verwertung und Wachstum, ja zu
: Arbeit und Konkurrenz. Da sind sie unerschütterlich, zumindest
: vernimmt man hier absolut keine neuen Töne. Verzetnitsch vergleicht
: den Kapitalismus stets mit einer Kuh, die man kräftig füttern müsse,
: damit man sie ordentlich melken könne. Nur was ist, wenn die Kuh
: krank ist? Wenn sie auf keine Kur mehr anspricht?
:
: Der Kapitalismus ist in ein auto-kannibalistisches Stadium getreten
:
: Bei soviel grundsätzlicher Bejahung tut sich die konkrete Verneinung
: schwer, ist sie doch den selben Prämissen verpflichtet wie der vermeintliche
: Gegner. Zentral ist immer die Finanzierbarkeit. An der Kostenfrage wird
: nicht gerüttelt. Dass gespart werden muss, darüber sind sich alle einig -
: uneinig nur darüber wo. Dass Sparen vielleicht unsinnig ist, betrachtet man
: den Reichtum vom materiellen und ideellen Gesichtspunkt aus - eben nicht
: von der Kostenseite -, das will und will nicht in die Köpfe. Diese fetischistische
: Befangenheit im monetären Denken (»Was kosten?« - »Wer zahlen?«)
: diskutiert gesellschaftliche Möglichkeiten an den vorhandenen oder eben
: nicht vorhandenen finanziellen Mitteln. Gerade hier stünde ein Tabubruch an.
: Die obligate Frage, was die Gewerkschaften denn anderes tun können, muss
: somit zurückgewiesen werden. Umgekehrt:
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: Wenn sie weiter das tun, was sie bisher getan haben, wird von den berechtigten
: Anliegen ihrer Klientel nichts übrigbleiben.
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:
: Kein Euro ist mehr sicher, Rentenreformen sind zum Alltag geworden - die
: letzte ist nicht die letzte gewesen. Die Sicherheit, die man heute verspricht,
: ist morgen bereits passé. Woran die Staatshaushalte alsbald gesunden sollen,
: das vermag niemand so recht zu sagen, weder die Regierung noch die
: Gewerkschaft. So präsentieren sie halt ihre Vorschläge, wem was und
: wie viel abgeschnitten werden soll.
:
: Können die Regierenden also ihr restriktives Sparprogramm gar nicht mehr
: zurücknehmen? Kaum. Natürlich werden Schüssel & Co in einigen Punkten
: überzogen haben, um gegebenenfalls der Gegenseite einen Kompromissvorschlag
: zu unterbreiten, den diese annehmen kann, ohne das Gesicht zu verlieren.
: Essenziell wird das nichts ändern.
:
: Der chronisch gewordene Sozialabbau ist Resultat tiefer ökonomischer
: Verwertungskrisen, die auch die Wohlstandsinseln der nördlichen Hemisphäre
: immer weniger verschonen. Die große Illusion besteht nun darin, zu meinen,
: dass politischer Kampf und Wille ausreichen, damit im Großen und Ganzen
: alles so bleibt, wie es ist, dass man wie in alten Zeiten dem Kapital etwas
: abverlangen kann, ohne sich an die kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse
: heranzuwagen.
:
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: Am Ende des Leidensweges Barbarei
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:
: Das heutige Pensionssystem ist nicht zu retten, gerade Linke, die etwas Ahnung
: von der Kritik politischer Ökonomie haben, sollten das wissen. Schüssel, Schröder
: oder Chirac mögen Totengräber sein, sie sind aber nicht verantwortlich für den Tod.
: Der Henker des Sozialen ist die gesellschaftliche Struktur selbst, die fortlaufende
: Rationalisierung und Entwertung macht vor nichts und niemanden halt. Kann
: diese Logik nicht überwunden werden, befinden wir uns lediglich in einer Etappe
: eines langen Leidensweges, der in der Barbarei endet. Die Marktwirtschaft ist
: jedenfalls im Begriff, den ruhigen Lebensabend der Menschen abzuschaffen.
:
: Erste Vorschläge, bis 80 (nicht vertippt: achtzig!!) zu arbeiten, wie soeben der
: Wiener Wirtschaftsprofessor Erich Streissler gefordert hat, legen davon Zeugnis
: ab. Die Pensionen werden zu Tode gespart und die Rentner gleich mit. So
: stehen sich zynische Regierungspolitik und hilfloser Widerstand gegenüber.
: Beide ratlos. Der Kapitalismus ist in ein autokannibalistisches Stadium getreten.
: Er beginnt selbst in den Zentren des Kapitals zu marodieren. Jeder frisst jeden.
: Während der Boden der Marktwirtschaft wegbricht, bekennen sich Herrschaft
: und Opposition geradezu frenetisch zu deren Grundlagen. Je unmöglicher der
: Kapitalismus wird, desto entschiedener beharrt man darauf, dass er doch
: regulierbar wäre, würden nur die Richtigen das Richtige tun.
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