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Brandsteidl: "An Österreichs Schulen herrscht massiver Handlungsbedarf"
Alle streiten um die Zweistunden-Kürzung. Die inhaltliche Schuldiskussion bleibt hingegen auf der Strecke, sagt Wiens Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl im "Presse"-Gespräch.
VON ERICH WITZMANN
Die Presse: In der offiziellen Schulpolitik reden alle von Stundenkürzungen, Sie kommen mit der "neuen Matura". Warum?
Susanne Brandsteidl: Weil ich glaube, dass sich "Schule neu denken" nicht einfach auf Stundenkürzungen beschränken darf. Dass man das ernst nehmen soll, weil es massiven Handlungsbedarf im österreichischen Schulwesen gibt.
Es ist ein Vorwurf an das Ministerium, dass es inhaltliche Fragen vernachlässigt.
Brandsteidl: Ich glaube, dass seitens des Ministeriums keine wirklichen Denkanstöße zu "Schule neu denken" eingebracht worden sind. Die Matura ist nur ein Teil von vielen, Matura geht nicht ohne entsprechende Vorbereitung auf ein eigenverantwortliches Arbeiten, auf eine Studierfähigkeit, die bei der Matura abgeprüft werden soll. Und eines der wesentlichen Elemente von "Schule neu denken" ist für mich die modulare Oberstufe. Schüler müssen viel mehr eigenständig arbeiten. Ein Element davon ist die Matura, weitere sind Bilingualität, Einsatz von neuen Medien, einheitliche Lehrerausbildung.
Es kam der Vorwurf, dass es bei der heutigen Profilbildung einer Schule nicht mehr eine einheitliche Matura geben kann.
Brandsteidl: Das halte ich schlichtweg für nicht stichhaltig. Die Matura soll etwas anderes sein als einfach das Zeugnis der achten Klasse. Sie vergibt ja die allgemeine Studierberechtigung. Man muss zwei Sachen bei Schulen stärker trennen, vor allem bei Prüfungen: Coach und Schiedsrichter. Im Sport ist das gang und gäbe. Der Lehrer ist der Coach, und dann gibt es jemanden, eine Institution, eine Kommission, die diese allgemeine Studienberechtigung vergibt und überprüft - und das ist der Schiedsrichter.
Müssen im Gegenzug andere Lehrinhalte über Bord geworfen werden?
Brandsteidl: Die Unterrichtsgegenstände stammen aus der Maria Theresianischen Schulreform und werden jetzt krampfhaft beibehalten. Aufgrund der Stundenkürzungen muss es sehr starke Reformen geben, auch hinsichtlich der Unterrichtsfelder. Es muss für uns selbstverständlich sein, dass wir zweisprachige Lehrer haben, dass ein Kind bereits sehr früh mit einer Fremdsprache konfrontiert wird.
Im inhaltlichen Bereich des Unterrichts bleibt also kein Stein auf dem anderen.
Brandsteidl: Ich glaube, dass wir auf sehr viel Bewährtes zurückgreifen können, vor allem in der Pflichtschule, gerade in der Wiener Pflichtschule. In einer Oberstufe müssen wir aber viel schülerzentrierter sein, wesentlich stärker in Richtung Projektarbeiten gehen und die Eigenmotivation des Schülers stark erhöhen, und das mit dem Zuckerl von internationalen Abschlüssen.
Sie haben die Lehrerausbildung er-wähnt. Für alle Lehrer die gleiche Ausbildung, das ist eine alte Forderung der SPÖ.
Brandsteidl: Das stimmt. Es ist vor allem wichtig, dass es einen Dienstgeber gibt, das System von Landes- und Bundeslehrern ist nicht mehr vertretbar. Außerdem eine einheitliche Lehrerausbildung an der Hochschule oder Universität. Ich weiß, das wird unterschiedlich gesehen. Der Bachelor für Pflichtschullehrer, und für Oberstufenlehrer, wie schon jetzt, der Abschluss in Form eines Diploms auf Masterstufe.
Ihre Vorschläge bedeuten zusätzliche Kosten sowohl für den einzelnen Schüler als auch bei der Lehrerausbildung.
Brandsteidl: Das ist ein ganz klares Bekenntnis der Gesellschaft zur Erhöhung des Beitrags für Bildung. Das ist auch einer der Gründe, warum ich gegen die Stundenkürzung bin. Ich glaube, qualitätvolle Bildung kostet etwas.
Sie sind für die Beibehaltung der Zweidrittelmehrheit bei Schulorganisationsgesetzen?
Brandsteidl: Ich bin ein erklärter Fan der Zweidrittelmehrheit.
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