Es ist schon kein Zufall, lieber Helmut Kraus, dass dieser Artikel von Matthias Horx in der PRESSE erschienen ist.
Was verbinde ich gedanklich mit Horx: Er ist für mich der Vordenker für Wolfgang Schüssel und die Wirtschaftskammer, Schüssel, der die ÖVP zur Nicht-Raunzer-Partei erklärt hat, um den Mitgliedern den Mund zu verbieten, um schmerzliche Einschnitte ohne zu heftigen Widerspruch durchbringen zu können. Ähnlich die Wirtschaftskammer, die sich seit Monaten gegen das Jammern ausspricht. In deren Konzept passt Horx mit seinem Manifest "wider den Ungeist der Panikmache". Und es ist auch tatsächlich so, dass Wirtschaftstreibende eine optimistische Grundstimmung brauchen, um Geschäfte zu machen, es braucht der Staat Wirtschaftswachstum, um Ressourcen gegen Arbeitslosigkeit zu haben, ja auch um Pensionen sichern zu können.
Horx ist einer, der "die Kirche im Dorf lasen" will, sich deswegen gegen die Streissler-Vorschläge des Arbeitens bis 80 ausspricht. Er will hingegen "Arbeit neu justieren". Es hat schon mit Globalisierung und vor allem mit Deregulierung zu tun, wenn Horx einfach aus der jahrzehntelangen Debatte um Arbeitszeit die Spannung herausnimmt und für neue Arbeitsverhältnisse eintritt, für Teilzeitjobs, wie es einem / einer eben beliebt, wie sich dies auch Familie intern regeln mag. Das System der lebenslangen Durchrechnung, die Abschaffung des Umlagesystems, das 1:1-Modell, dass jeder Erwerbstätige im Berufsleben seine eigene Pension anspart, soll das möglich machen. Da ist Horx einfach realistischer als Schüssel, der sein Werk nur unter dem Gesichtspunkt der Abzockerei sieht, während bei Horx durchaus auch - eine nicht näher definierte - Grundsicherung und Generationengerechtigkeit mit zum Konzept gehören. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass ein "intelligentes Gesundheitsmanagement in Richtung Vorsorge" viele Vorteile bringt, denn Menschen kann man nicht mit der chemischen Keule gesund machen, dazu gehören auch Arbeits- und Lebensbedingungen, die uns Lust an der Arbeit schaffen. Horx ist mit seinen Vorstellungen, wenn man sie zu Ende denkt, ein radikaler Kritiker von Schüssel und Rasinger.
Der genannte PRESSE-Artikel. Die geforderte "Kultur der
Anerkennung" ist doch m.E. eine Kultur der Zuwendung, des Respektes. Und ganz simpel gefragt: Unter welchen Rahmen- bedingungen ist das möglich? So wie Gehrer will, mit Klassen- schülerhöchstzahlen von 30 und mehr? Wohl kaum. Leute wie er können gar nicht anders als im Kampf um kleinere Klassen auf unserer Seite stehen. Impulse aus der menschlichen Neugier zu gewinnen, wer soll hier dagegen sein? Wenn wir wie Fundamentalisten an unserem Fächerkanon festhalten und nicht bereit sind die Frage zu stellen, "was sollen Schüler lernen?", dann werden wir vermutlich recht bald isoliert dastehen, man wird uns als verzopft anschauen.
Ich finde den Ansatz richtig, den Menschen beim Lernen in den Mittelpunkt zu stellen.
Günter Wittek
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: "helmut kraus"
An: "Günter Wittek" ; "Lehrerforum"
Gesendet: Donnerstag, 22. Mai 2003 19:44
Betreff: Re: "Kultur der Anerkennung"
: Liebe Kolleginnen und Kollegen!
: Lieber Günter Wittek!
:
: Die Debatte um den Matthias Horx ist sicherlich nicht uninteressant.
: Isoliert zitiert klingt manches von ihm frisch und fröhlich, aber
: tatsächlich ist er ein fanatischer Propagandist der Globalisierung in der
: die Pseudoindividualisierung, die eine tatsächliche Totalunterwerfung unter
: die Markgesetze bedeutet, als Erlösunungsideologie den Leuten eingeredet
: wird.
: Mathias Horx ist vor allem Berater für Großfirmen und Antreiber für
: Selbstausbeutung. Nicht ganz unähnlich dem Modesoziologen Ulrich Beck.
:
: Herzlichst
: Helmut Kraus
:
:
: ----- Original Message -----
: From: "Günter Wittek"
: To: "Lehrerforum"
: Sent: Thursday, May 22, 2003 6:05 PM
: Subject: LF: "Kultur der Anerkennung"
:
:
: >
: > http://www.diepresse.at/default.asp?channel=m&ressort=g&id=355002
: >
: > 17.05.2003 - Gastkommentare
: > Das Neue Lernen
: >
: > VON MATTHIAS HORX
: > -----------------------------------------------
: >
: >
: > Im privaten deutsch-englischen Kindergarten meines 5jährigen Sohnes
: > im 18. Bezirk herrscht eine erstaunliche Atmosphäre, die mich immer
: > wieder aufs Neue fasziniert. Ruhig, konzentriert und ohne Hektik lernen
: > die Kinder Buchstaben erkennen, Rechnen, aber auch Dinge wie "Sprechen",
: > "Balance", "Ausdruck". Im Mittelpunkt dieses Observatoriums des Lernens
: > steht Miss S., eine resolute Engländerin mit leuchtenden Augen. Sie hat es
: > geschafft, meinem etwas unsicheren Sohn innerhalb eines halben Jahres
: > a) Eis laufen b) das Alphabet und c) ein gehöriges Maß an
: > Selbstbewusstsein beizubringen.
: >
: > Wo stehen wir heute in der Bildungsdebatte? Wir streiten uns, ob man
: > zwei Stunden Unterrichtszeit streichen darf. Wir machen uns Gedanken
: > über die Wiedereinführung eines "Kanon der Bildung". Doch das eigentliche
: > Problem liegt ganz woanders. Es liegt in der Tiefe unseres Menschenbildes.
: > Unser in wilhelminischer bzw. Franz-Joseph-Zeit geborenes Bildungssystem
: > stammt aus einer Kultur der Abhängigkeit und Disziplinierung. Die
: überwiegende
: > pädagogische Praxis in unseren Schulen ist durch den Frontalunterricht
: geprägt,
: > bei dem ein Lehrer vor eine Gruppe von Schülern tritt, die er bei
: Androhung
: > von Strafe zum Schweigen auffordern muss. Bewertet werden in diesem System
: > vor allem Abweichungen und Fehler. Gefördert wird nicht der Einzelne,
: sondern
: > das System. Heraus kommen oft stumme Anpasser oder unsichere Angeber.
: >
: > Wer jemals in einer englischen oder skandinavischen Schule war, weiß, dass
: es
: > auch ganz anders geht. In den Schulen des Wissenszeitalters stehen die
: Schüler
: > im Zentrum ihres Lernprozesses. Praktiziert werden kleine, selbstständige
: > Gruppen, in denen es um Ausdruck, Darstellung, Selbst-Bewusstsein geht.
: > In Finnland etwa sind Lehrer hochbezahlte Wandlungs-Spezialisten, Schulen
: > Abenteuer-Laboratorien und 70 Prozent der Schüler haben eine passable
: Matura.
: >
: >
: > Wenn wir unser Bildungssystem reformieren wollen, brauchen wir zuallererst
: > eine "Kultur der Anerkennung":
: >
: > [*] Anerkannt wird, dass der Einzelne, das Individuum, kostbare,
: spezifische
: > Fähigkeiten hat, die individuell zu erkennen und zu fördern sind.
: >
: > [*] Anerkannt wird, dass es keine Meta-Wahrheit gibt, dass Lernen also
: > immer auch ein Akt gemeinsamer Verständigung über ein Thema ist.
: >
: > [*] Anerkannt wird, dass Schulen und Lehrer zugleich auch Lernende sind.
: > "Learning by doing", bei dem Lehrer von Dompteuren zu Moderatoren werden.
: >
: > Die Zukunft verlangt nicht Millio nen von Leuten, die bereit sind,
: monoton-
: > mechanische Tätigkeiten auszuführen, sondern solche, die in der Lage sind,
: > ihren Weg in einer neuartigen Umwelt zu finden." Dieses Zitat des
: > Zukunftsforschers Alvin Toffler stammt aus den 80er-Jahren. Ähnliches
: > formulierte Miss S., die Heldin des Neuen Lernens, in ihrem letzten
: > Weihnachtsbrief an uns Eltern:
: >
: > "Wir beobachten die Kinder, wie sie ihr Selbstbewusstsein aufbauen und
: > Widerstände überwinden. Wir sind Zeuge, wie jedes Kind eigene Talente
: > und Persönlichkeit entwickelt. Wir freuen uns mit ihnen, wenn sie Erfolge
: > erzielen. Es ist eine so große Ehre für uns, Zeuge dieses Prozesses zu
: sein.
: > Wir sind so stolz auf sie!"
: >
: > Mehr Zukunft kann nicht sein!
: >
: > www.zukunftsinstitut.de
: >
: > Matthias Horx lebt als Trend- und
: > Zukunftsforscher in Wien.
: >
: > In unserem Schulsystem wird nicht der Einzelne gefördert,
: > sondern das System.
: >
: > 17.05.2003
: >
--
Diese Liste wird vom Personal Computer Club (http://www.pcc.ac) betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im Nachrichtentext.