n97040a.txt Brief von Johann G. Hautzinger/TU an den Bundeskanzler Von: Johann G. Hautzinger [jgh@radawana.cg.tuwien.ac.at] Gesendet: Samstag, 22. März 1997 17:11 An: vklima@spoe.or.at Cc: pcnews-Redaktion; bederer.spoe.or.at@radawana.cg.tuwien.ac.at; radioeriwan@radawana.cg.tuwien.ac.at; Liste Titanic; documentation@standard.co.at; wienzeit@falter.co.at; profil@inmedias.ping.at; trend@profil-trend.co.at; j.broukal@inmedias.ping.at; seifert@falter.co.at; f.radio@link-atu.comlink.apc.org; cjaensch@sime.com; email@kurier.co.at; oehz@apanet.apa.co.at; oejc@apanet.at; modern.times@orf.via.at; fm4@orf.at; matrix@orf.at Betreff: Internet und Kriminalitaet Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte sonstige Adressaten! Liebe Listenteilnehmer! Wie ich dem aktuellen (22/03/97, 13:59) ORF-Teletext entnehme, darf ich damit rechnen in, Zukunft im Rahmen der Rasterfahndung in noch nicht naeher definierten Kategorien zu aufzuscheinen ... vielleicht erleichtert diese e-mail meine Kategorisierung ... ad 'Hausdurchsuchung': ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ Die Ursache fuer das Geschehen halte ich fuer mehr als legitim, es existiert nichts, was ich fuer mehr verabscheuungswuerdig halte als Pornographie mit Minderjaehrigen. Die strafrechtliche Verfolgung aller beteiligten *VERURSACHER* halte ich fuer unabdingbar und notwendig, auch wenn ich meine, dass sie auf keinen Fall die einzige Art und Weise sein kann, dagegen vorzugehen. Eine der Ursache kann m.E. auch in unserer Gesellschaft und ihrem Umgang mit Sexualitaet an sich gesucht werden, eine andere in der Sexualitaet an sich, eine weitere in der Pruederie (im positiven Sinne des Wortes) und Schuechternheit/Gehemmtheit des einzelnen und und und ... Ich stehe auf dem Standpunkt, dass KEINER Gruppe von Menschen etwas aufgezwungen werden soll, und dass die meisten Interessen schutzwuerdig sind, am meisten selbstverstaendlich die Interessen derjenigen, die NICHT oder NOCH nicht selbst ueber sich bestimmen koennen. Insofern ist in JEDEM Falle zu verhindern, dass es ueberhaupt zur PRODUKTION von Material kommt, dass unter den Paragraphen 204a StGB faellt ... wie gesagt, das primaere Merkmal scheint mir der Schutz der BETROFFENEN, der Kinder, die aus irgendeinem Grund (eine naechste Ebene, die zu hinterfragen moeglicherweise wert waere, aber das fuehrt hier zu weit vom eigentlichen Thema weg) in die Situation kommen, 'Hauptdarsteller/in' bei einer dieser zweifelhaften Produktionen zu sein. In zweiter Linie gilt es doch wohl (man beachte die Bezeichnung 'jugendgefaehrdendes' Material, die im Zusammenhang mit ZENSURbestrebungen im Internet immer wieder genannt wird), Kinder zu schuetzen, die sich unbeaufsichtigt dazu Zugang verschaffen KOENNTEN. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass ich seit etwa drei Jahren das Internet zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich intensiv aber meisten SEHR intensiv genutzt habe. Ich nehme nicht alle Dienste regelmaessig in Anspruch, meine Hauptnutzung beschraenkt sich auf World Wide Web, e-mail und Internet Relay Chat. In diesen drei Jahren ist es kein einziges Mal passiert, dass ich ZUFAELLIG mit jugendgefaehrdendem Material in Kontakt gekommen bin (wobei ich jugendgefaehrdend in diesem Zusammenhang in einem weiteren Sinne verstehe - als JEGLICHE Art von erotischem/pornographischem Material und nationalsozialistischer Wiederbetaetigung, deren Veroeffentlichung am WWW ja im ach so moralischen Amerika zum Beispiel NICHT zu strafrechtlicher Verfolgung fuehrt) sondern immer danach SUCHEN musste. Ich weiss, dass dies nicht immer und bei allen Internetbenutzern der Fall ist, nur wie gesagt: ICH habe nie im Leben ploetzlich und unerwartet Kontakt mit jugendverbotenem Material gehabt. Was die Frage aufwirft, in wie weit in vielen Faellen nicht unterstellt werden muss, dass die schutzwuerdigen Kinder wenigstens zum Teil SELBST nach ihnen verbotenem Material suchen. Eine Frage, auf die ich die Antwort aus einem einfachen Grunde schuldig bleiben muss: ich weiss sie nicht, aber als Unterstellung lasse ich diese Frage einfach im Raume stehen, genauso wie die Unterstellung, dass viele Kinder sich nur auf Grund eines Versagens ihrer gesetzlichen Aufsichtspersonen Zugang zu besagtem Material verschaffen koennen. Das Internet wird (obowhl noch weit entfernt von dem, was die Begriffe 'virtual reality/world' eigentlich suggerieren oder glauben machen wollen) immer mehr zu einem Abbild der 'wirklichen' Welt. Je mehr Menschen einen Zugriff auf das Internet haben, umso realistischer wird dieses Abbild und umso mehr Auspraegungen des menschlichen Lebens in der 'wirklichen' Welt sind auch auf dem Internet zu finden. Welcher verantwortungsbewusste Elternteil, welche auch nur irgendwie involvierte Aufsichtsperson wuerde Kinder, die ihrer Obhut anvertraut sind, sich alleine in der GESAMTEN 'wirklichen' Welt mit all ihren Auspraegungen bewegen lassen (heute scheint der Tag der unbeantworteten Fragen zu sein ... das ist nun schon die dritte!) und dabei erwarten, sie wieder voellig unbeschaedigt zurueckzubekommen!??? Und selbst wenn jemand diese Erwartung haette - wie realistisch waere sie? Zurueck zum eigentlichen Thema meiner mail: Unter Beruecksichtigung des oben gesagten halte ich es fuer mehr als bedenklich (wenn auch zugegebenermassen MEHR als bequem), mit aller Macht des Gesetzes (welches Gesetzes uebrigens, so weit mir bekannt ist, existieren NOCH keine Spezialgesetze fuer den 'Rechtsraum' Internet, sollte das ein Irrtum sein, so ersuche ich hiermit um nachdruecklichste Verfolgung diversester Nazi-Sites im Internet, Adressen hiezu liefere ich bei Interesse gerne, aber auch die verschiedenen search engines am Internet geben gerne und bereitwillig Auskunft ... ) den ISP (Internet Service Provider) zu verfolgen, der ja noch relativ einfach zu eruieren ist, der allerdings auf die Art oder Qualitaet des veroeffentlichten Materials - soferne es nicht von ihm selbst zusammengestellt wurde, keinen Einfluss hat, und auch nicht haben kann oder darf. Und GENAU darauf laeuft es hinaus: VERFOLGT wird der ISP, unter dem Titel der 'Beweismaterialsicherung' scheint nach derzeit geltendem Recht selbst das in den Ruintreiben eines Unternehmens, respektive die Beschlagnahmung der gesamten Geschaeftsgrundlagen moeglich zu sein. Trotz der Zusage der Unterstuetzung der Ermittlungen. Trotz der Unschuldsvermutung. Trotz des Umstandes, dass ja gar nicht der ISP beschuldigt ist, sondern einer seiner (ehemaligen?) Kunden. Trotz des Umstandes, dass in der EDV ein Jahr eine sehr lange Zeit ist, und wahrscheinlich (bei einem ehemaligen Kunden) nicht einmal mehr Sicherungen der Daten, die sich vor einem Jahr auf den Maschinen befanden, existieren. Trotz des Umstandes, dass die Ermittlungsbeamten genau DIE Daten, nach denen sie suchen, durch das unsachgemaesse Ausschalten(?) der Rechner theoretisch SELBST zerstoert haben KOENNTEN (seltsam, nicht? - der Finanzbeamte verbrennt die Unterlagen der Buchhaltung, oder wie?). Ganz abgesehen von der rein technischen Kompetenz, mit der vorgegangen wurde, wie sieht es aus mit dem Schutz des Privateigentums, das war doch einmal ein Grundrecht, wenn ich mich richtig erinnere? Warum konnte/n ein/mehrere Rechner sichergestellt werden, der/die nicht einmal vernetzt war/en? Wie war es moeglich, dass Rechner von Kunden der VIP beschlagnahmt wurden, die bei der VIP ein Serverhousing betrieben haben? Wer zahlt den Schaden? Von wem und wie wird der Schaden ueberhaupt bemessen? (Und einen Schaden gibt es mit Sicherheit, weil die ganze Sache sich ja in der 'Geschaeftswelt' abgespielt hat, was passiert zum Beispiel, wenn ein Unternehmen auf einem der beschlagnahmten Rechner einen eigenen Mailserver betrieben hat und durch die 'Beweissicherung' nicht in der Lage war, wichtige oder dringliche geschaeftliche e-mail zu empfangen? - Dieses Szenario ist uebrigens NICHT konstruiert, ich arbeite in einem Unternehmen im Wertpapierhandel, das im Moment GENAU DIESEN Weg plant. Sollten jedoch mit der Umsetzung tatsaechlich derartige Risiken verbunden sein, so koennten wir eine Realisierung momentan nicht ins Auge fassen.) Abschliessend erlaube ich mir Folgendes festzuhalten: Eine gesetzliche Regelung derartiger Faelle ist wohl umgehend notwendig, damit eine derartige Willkueraktion nicht mehr Platz greifen kann, was mir auch im Rahmen der Rechtssicherheit mehr als wuenschenswert erscheint. Ferner ist die technische Schulung des mit derartigen Ermittlungen betrauten Personals eine unaufschiebbare Forderung. Es kann doch weder im Interesse des Ersuchungsergebnisses noch des betroffenen ISP (der, wie ich NOCH EINMAL bemerken darf, NICHT der Beschuldigte, sondern genau- genommen ein HELFER der Ermittlungsbehoerden ist) liegen, dass Datenverluste durch einen unsachgemaessen Systemabschluss riskiert werden. ad ORF: ^^^^^^^ Was die Berichterstattung zu diesem Thema angeht, so musste ich leider einmal mehr feststellen, dass die berichtenden Moderatoren nicht nur keine Ahnung von der Materie hatten, sondern offensichtlich einer vorgegebenen 'Linie' in der Berichterstattung ueber das Internet folgten: Trotz der immer mehr steigenden Bedeutung des Internet sowohl fuer den privaten als auch den geschaeftlichen Bereich und aller (Lippen?)Bekenntnisse von Politikern unterschiedlicher Fraktionen, die Foerderung des Internet betreffend, bot der ORF wiedereinmal einen Einblick in die 'kranke Seele' der kommunikationsgestoerten und durch die Bank sexuell pervertierten Computergrufties, die sich mit dem Internet auseinandersetzen - und die allerperversesten muessen wohl die ISPs sein, die anderen auch noch den Zugang zum Internet ermoeglichen. Von dem kolportierten 'Schlag gegen die Kinderpornografie' kann doch wohl keine Rede sein, aber sowohl die Wortwahl als auch die Berichterstattung zu diesem Thema passt ausgezeichnet in das Bild, das der ORF ausserhalb von 'Modern Times' immer wieder zu vermitteln sucht, genauso uebrigens wie viele Printmedien die Gratwanderung zwischen den 'Schoenen neuen Zeiten', die uns das Internet verheisst und der Sensationsberichterstattung ueber die Abartigkeiten, zu denen 'die Internetbenutzer' in der Lage sind, ohne irgendwelche Probleme mit ihrem/r Chefredakteur/in schaffen. Ich habe DAVON die Nase voll ... ich versuche, einen neuen Aspekt der Welt, einen Teil der 'Welt von morgen' aktiv mitzugestalten, und auf diese Art und Weise vielleicht ein bisschen von meinem Denken weiterzugeben. Als Dank dafuer werde ich (und ALLE anderen die diese Sache angehen und NICHT den 'Raum Internet' ausschliesslich den Verbreitern von Kinderpornografie, Sodomie oder nationalsozialistischen 'Wahrheiten' ueberlassen) immer wieder im Rahmen irgendwelcher Rundumschlagformulierungen verallgemeinert zu kranken, kommunikationsgestoerten Menschen, die unfaehig sind, eine Unterhaltung auch nur zwei Minuten lang aufrecht zu erhalten, sobald man ihnen ihre Tastatur wegnimmt, und deren einziges Interesse ohnehin darin besteht, pornographische Darstellungen irgendwelchen Inhalts auszutauschen oder staatsgefaehrdende Verschwoerungen zu planen. Diese Sicht von 'uns Internettern' weise ich dezdiert von mir und den meisten, die ich bisher am Internet kennengelernt habe, wie in jeder Gemeinschaft gibt es auch unter den Internetnutzern 'gute' und 'boese', 'verrueckte' und 'normale', 'sexuell gestoerte' und 'normale', und ich unterstelle, dass mittlerweile das Verhaeltnis der 'guten' zu den 'boesen' Nutzern ungefaehr dem Verhaeltnis der Anzahlen in der 'realen Welt' entspricht. Insofern waere es an der Zeit im Rahmen der Berichterstattung eventuell auf eine objektivere Form umzusteigen. Hochachtungsvoll Johann G. Hautzinger end of message ___________ Schade, dass ich das Original grade nicht greifbar habe: Als sie die Juden weggeschleppt haben, habe ich geschwiegen, denn ich war kein Jude ... als sie die Kommunisten weggeschleppt haben, habe ich geschwiegen, denn ich war kein Kommunist ... als sie die Auslaender weggeschleppt haben, habe ich geschwiegen, denn ich war kein Auslaender ... als sie mich weggeschleppt haben, habe ich geschrien, aber es war keiner mehr da ... - Weil es nicht egal ist -