+++ pressetext.austria +++ pressetext.austria text service +++ pressetext.austria +++ pte971101003 Büro/EDV/Internet, Wirtschaft/Finanzen Informationstechnologie/Umstellung Wirtschaft fürchtet Apokalypse 2000 Das Jahrtausend-Problem soll über 500 Mrd. US-Dollar kosten New York (pte) (1. November 97/15:44) - Fast überall, wo Computer und Mikrochips unsere Welt steuern, droht am 1. Januar 2000 Gefahr. Wenn die Software nicht auf den Jahrtausendwechsel vorbereitet ist, wird ein Schreckensszenario wahr. Der Tag, an dem die Computer ausfallen - alles Science-fiction? Keineswegs, sagen immer mehr Experten. Den Jahrtausend-Fehler nennen sie die teuerste Katastrophe der Informationstechnologie. Mehr als 500 Milliarden Dollar, so schätzt das internationale Finanz- und Börsenunternehmen Merill Lynch nun, wird es weltweit kosten, einen fatalen Fehler zu beheben. Nur der Zweite Weltkrieg, so die Firma in ihrem Weissbuch "Die Jahrtausend-Herausforderung", sei mit 4200 Milliarden Dollar teurer gewesen. Das Problem beim Jahreswechsel 2000 haben sparsame Programmierer geschaffen. Weil Speicherplatz in den Anfängen der Computerei teure Mangelware war, gewöhnten sie sich in den sechziger und siebziger Jahren einen folgenschweren Trick an: Es wurde üblich, ein Datum nur mit zwei Ziffern für die Jahreszahl zu speichern - also etwa 75 für das Jahr 1975. Bis zum Jahr 2000 dachten die Hochtechnologen damals nicht. Altersberechnungen in der Lohnbuchhaltung etwa macht der Rechner so: Aus dem Geburtsdatum 01.01.70 und dem Tagesdatum 30.10.97 folgt leicht das Alter: 97 minus 70 sind 27. Am ersten Tag im Jahr 2000 - für den Computer 01.01.00 - geht die Rechnung dann schon schief: 00 minus 70 sind minus 70, oder, weil beim Alter negative Vorzeichen ebenfalls eingespart wurden, einfach 70. Schon ist der 30jährige Mitarbeiter im Rentenalter und kriegt kein Gehalt mehr. Ein Computerproblem von vielen. Das Kreditkartenunternehmen Visa mußte bereits neu ausgegebene Karten mit dem Verfallsjahr 00 zurückrufen, weil die Lesegeraete an den Kassen sie als längst abgelaufen einstuften. Zum 101. Geburtstag haben Mitbürger schon Einladungen zur Säuglingsvorsorge-Untersuchung für Einjährige erhalten. Bei der britischen Kaufhauskette Marks & Spencer befahl der Computer kürzlich, tonnenweise Dosenfleisch zu vernichten, weil er es für über 100 Jahre alt hielt. Die Firmen, die jetzt noch nicht ihre Software prüfen, werden es nicht rechtzeitig schaffen", prophezeit der kanadische Experte Peter de Jager. Millionen Zeilen alten Programm-Codes müssen auf abgekürzte Jahreszahlen und deren mögliche Auswirkungen untersucht, die Umprogrammierungen danach gründlich getestet werden - ein Vorgang, der sich unmöglich automatisieren läßt. Europa, so spottet das US-Magazin "Newsweek", habe noch gar nicht richtig gemerkt, was da bevorstehe: "Da widmen sich die EDV-Experten nur der Umstellung auf den Euro" - immerhin sind auch dafür erhebliche Softwareänderungen fällig. Betroffen vom Datumsproblem sind vor allem die Abrechnungs- und Verwaltungsprogramme großer und mittlerer Unternehmen, die oft noch aus den siebziger Jahren stammen. Obwohl die Programmierer das Gegenteil behaupteten, so berichtet etwa ein Unternehmensberater, war bei Daimler-Benz zuerst kein Programm fit für das Jahr 2000. Die Umstellung läuft jetzt, bislang halfen Tricks: Wenn ein Auslieferungstermin für einen Mercedes jenseits des Jahres 2000 lag, wurde einfach ein 13. Monat dazuerfunden. Im Rechner stand dann das Datum 03. 13. 99 für eine Auslieferung am 3. Jänner 2000. Auch bei der Allianz-Versicherung ist längst ein Team am Werk, das alle 12000 Programme des Unternehmens untersucht. Zehn Millionen DM wird das kosten. Bei IBM Deutschland beschäftigen sich 30 Mitarbeiter mit dem Problem. Und das Finanzunternehmen Merill Lynch fährt 24-Stunden-Schichten mit 80 Leuten - für 200 Millionen Dollar. "Wir müssen das machen, um überhaupt im Geschäft zu bleiben", sagt Topmanager Howard Sorgen. Für die Mammut-Software werden sogar alte Programmierer aus dem Ruhestand geholt - "Nachsitzen" für zu kurzes Denken. Viele Unternehmen überlegen indessen, statt einer Umstellung gleich eine Totalerneuerung ihrer Software einzuleiten - weil das billiger kommen kann. Die "Jahr-2000-Kompatibilität" ist das EDV-Thema geworden - und ein Riesengeschäft. Zahlreiche Beratungsfirmen bieten Hilfe bei der Umstellung an. Die großen Konzerne arbeiten mittlerweile fast ausnahmslos am Jahr-2000-Problem. Doch viele kleine Zuliefer-Betriebe könnten an der Aufgabe scheitern. Beim deutschen Software-Riesen SAP befürchtet man, der Datumswechsel könne erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Großrechner-Software ist aber bei weitem nicht die einzig mögliche Fehlerquelle: Mikrochips, die mit dem Datum arbeiten, finden sich fast überall - vom Waffensystem bis zur Waschmaschine. Die Abhängigkeit der modernen Gesellschaft vom Computer ist nahezu total. Nur der PC bleibt wohl verschont vom Jahr-2000-Problem. Zwar kann bei älteren Modellen eine Neueinstellung der Systemuhr erforderlich sein, aber die meisten PC-Programme werden so oft gegen neuere Versionen ausgetauscht, daß die Software auf dem neuesten Stand ist. Da der Jahrtausendwechsel schwerlich verlegt werden kann, steht die Branche vor einer für sie untypischen Anforderung: Die notwendigen Nachbesserungen sind das erste Software-Projekt, das pünktlich zum Termin fertig werden muß. (THOMAS BORCHERT) +++ pressetext.austria +++ pressetext.austria text service +++ pressetext.austria +++ Aussender: pressetext.austria Ansprechpartner: ws, email: redaktion@pressetext.at, Tel. 01/402 48 51