Die Bedeutung des Telelernens für den Bildungsbereich

In zahlreichen europäischen Förderprogrammen wird dem Ausbau des Telelernens in allen Bildungsbereichen eine größere Bedeutung beigemessen. Bei der internationalen Fachmesse für Management und berufliche Qualifizierung, der Qualifikation 96, die vom 22. bis zum 25. Oktober 1996 in Hannover stattfand, wurden im Jahr des "Lifelong-Learning" die gestiegenen Qualifikationsansprüche damit in Zusammenhang gebracht und ein offener Zugang zu den Bildungseinrichtungen gefordert. Durch die wachsenden Anforderungen an traditionelle Ausbildungskonzepte stellen gerade die neuen Lernsysteme für den Benutzer multimedialer Computer und Telekommunikationstechnologien eine effiziente Alternative dar.

Anton REITER

Der Begriff "Tele" hat inzwischen in immer mehr Bereichen Einzug gehalten und ist zu einem Potential innovativer Veränderungen geworden. Die Telemedizin erschließt weite Bereiche des Gesundheitswesens, die Telekooperation entwickelt sich zu einer Plattform für eine standortunabhängige Zusammenarbeit von Unternehmen und Institutionen. In der Telearbeit wird eine wesentliche Arbeitsform der Zukunft gesehen, wie die internationale Konferenz im Wiener Rathaus, die Telework '96 (4. - 6. 11. 1996) veranschaulichte. (vgl. das Programmheft der Telework '96 sowie die Broschüre Telework 1996 der DG XIII-B der Europäischen Kommission)

Abbildung 1 Die internationale Konferenz "Telework '96" wurde im Wiener Rathaus abgehalten

Auch beim Telelernen zeichnet sich bereits ein Übergang von der Phase der Pilotprojekte hin zu kommerziellen Anwendungen im Alltag ab. Telelernen bedeutet für viele mehr Interaktivität für den Lernenden und eine flexiblere Vermittlung von Wissen durch den Lehrenden, wobei dies für nahezu alle Bildungsbereiche von der Schule über die Hochschule und die betriebliche Aus- und Weiterbildung bis hin zur individuellen Bildung Gültigkeit hat. Grundsätzlich wird beim Telelernen der Frontalunterricht durch den interaktiven Ablauf per Telekommunikation ersetzt. Für das Lernen können breitere Informationen aus weltweiten Quellen erschlossen werden. Zu den Vorreitern des Telelernens zählen inzwischen die Fernlehrinstitute, die mit der Übertragung von Lerneinheiten über Datennetze den klassischen Versand von Lehrbriefen ersetzen wollen. Die Kommunikation via ISDN und Internet eröffnet neue, bisher nicht mögliche Formen der Betreuung. (vgl. Glowalla/Häfele 1996)

Komponenten des Telelernens

Die Bedeutung multimedialer Telekommunikation für Schule und Lehre zeigt sich darin, daß unterschiedliche Nutzungsfelder bereitstehen. Die Aufzählung beginnt bei der elektronischen Post (E-Mail) für die weltweite Kommunikation, führt über die Verfügbarkeit großer Informationsmengen auf FTP-Servern bzw. im World Wide Web und erstreckt sich bis zur internationalen Vernetzung beispielsweise bei Computerkonferenzen. Eine entsprechende Mediensystematik umfaßt sowohl die computergestützte Distribution von Informationen als auch die computergestützte Kommunikation und Interaktion von Lehrenden und Lernenden.

Die Bereitstellung von Informationen (Seminarinhalte, Kursmaterialien, Vorlesungen etc.) erfolgt in der Zwischenzeit multimedial. Der zentrale Begriff für Multimedia, das Schlagwort des Jahres 1995, ist die Digitalisierung. Texte, Graphiken, Audio und auch Video-Informationen können damit am Computer bearbeitet, gespeichert und verfügbar gemacht werden. In Zukunft wird auch die sogenannte virtuelle Realität eine weitere Komponente bilden. Darunter versteht man die computergenerierte dreidimensionale Darstellung von Gegenständen und Räumen, wobei Datensichtbrille und Datenhandschuh als neue Mensch-Maschine-Schnittstelle fungieren. Neben der Digitalisierung sind die multimediale Integration mittels Computer sowie die Interaktivität als Form des individuellen Eingriffes in den Ablauf des Lernangebotes weitere bestimmende Kriterien. Versteht man Multimedia als Ausprägung verschiedener Lernsystemtypen, so lassen sich die Komponenten Simulation, Tutorial, Übung/Training, Hypertext/Hypermedia sowie Werkzeugnutzung aufzählen. Die eigentliche Bereitstellung dieser Informationen kann über Diskette, CD-ROM, lokal auf einem Rechner oder im Sinne der modernen Telekommunikation über vernetzte Rechner z.B. im World Wide Web erfolgen. Während sich beispielsweise CBT- und Multimedia-Programme vor allem zur Wissensvermittlung einsetzen lassen und Alternativen bzw. Ergänzungen zu herkömmlichen Lehrbüchern darstellen und dem Ausgleich von Wissenslücken, der Selbstkontrolle der Lernenden und auch der Prüfungsvorbereitung dienen, ist das World Wide Web die "multimediale Fahrspur" der Datenautobahn im Internet, die den Transport und die Darstellung aller medialer Komponenten von Texten, Graphiken und Animationen bis hin zu Audio- und Videoinformationen ermöglicht.

Auch die computergestützte Kommunikation und Interaktion von Lehrenden und Lernenden läßt sich ihrerseits in zwei Aspekte unterscheiden: Bei den sogenannten dyadischen Punkt-zu-Punkt-Interaktionen arbeiten zwei Partner (Lernender und Lernender bzw. Lehrender und Lernender) zusammen, sie befinden sich allerdings an verschiedenen Orten und sind über Rechner miteinander vernetzt. Der Bildschirm ist in der Regel in ein gemeinsames Arbeitsfeld und ein zusätzliches gemeinsames separates Kommunikationsfeld unterteilt, wobei Screen- Sharing-Software verwendet wird, die es ermöglicht, daß beide Partner einen identischen Bildschirminhalt sehen können. Dies wird mit den Fachbegriffen "Computer Supported Collaborative Working" (CSCW) oder "Computer Supported Collaborative Learning" (CSCL) umschrieben. Ein anderes Szenario stellt beispielsweise das sogenannte virtuelle Seminar dar, wobei in der Regel mehr als zwei Partner miteinander orts- und zeitunabhängig kooperieren. (siehe Hesse et al. 1995)

Eine spezielle Form des Telelernens stellen Video- und Computerkonferenzen dar. Videokonferenzen ermöglichen die parallele Übertragung von Bewegbild und Ton über ein digitales Netz. Es können Videobilder mehrerer Gesprächsteilnehmer auf einen Monitor übertragen werden. Entsprechende Multi-Punkt-Schaltungen per Breitbandnetz erlauben die Durchführung von Konferenzen und Besprechungen mit Teilnehmern aus mehreren entfernten Orten. Auch bei der Punkt-zu-Punkt-Kommunikation per Desktop-Video auf der Grundlage von ISDN sind face-to-face-Situationen realisierbar. Neben der synchronen Bild- und Tonübertragung ist die Übertragung zusätzlicher Dokumente über eine spezielle Kamera möglich, sowie die Übertragung von Dateien, die durch gemeinsame Anwendungsprogramme erstellt werden können. Die Punkt-zu-Punkt-Kommunikation mit der persönlichen Präsenz am Bildschirm und der zusätzlichen Darstellung von Dokumenten und lokal verfügbaren Dateien eignet sich besonders zur tutoriellen Betreuung der Lernenden und auch für Besprechungen. Die visuelle Komponente macht die Kommunikation persönlicher. Die Vielfalt der bei Desktop-Video darstellbaren Information erlaubt erweiterte Formen der kooperativen Arbeit über große Entfernungen.

Unter einer Computerkonferenz versteht man ein System elektronischer Kommunikation zwischen mehreren Personen an verschiedenen Orten in asynchroner Form. Die Grundidee ist dabei, daß die Beteiligten das System zu beliebigen Zeiten nutzen können, wodurch eine relativ große Unabhängigkeit von Zeit und Raum gegeben ist. Im Vergleich zur Videokonferenz haben Computerkonferenzen eine geringe soziale Präsenz, da die Kommunikation weitgehend über geschriebenen Text erfolgt. Die zeit- und ortsunabhängige Multi-Punkt-Kommunikation prädestiniert Computerkonferenzen zur Diskussion inhaltlicher Positionen in virtuellen Seminaren. (siehe Hesse 1995)

Die Emanzipation des Lernenden vom Lehrer

In den europäischen Förderprogrammen wird der Ausbau der Telematik mit dem auf Multimedia begründeten Arbeitsbegriff "Offenes Fernlernen" verbunden. Gleichzeitig wird damit die Vision eröffnet, daß zukünftig unter Ausnutzung der Datennetze nicht nur ein nutzer- und interessegesteuertes Lernen erfolgt, sondern der Lernende insgesamt frei ist, seine Bildung seinen Ansprüchen entsprechend selbst zu gestalten. Er kann sich also vom Lehrer dadurch emanzipieren, daß er in interaktiven multimedialen Wissensspeichern (World Wide Web) das Material seiner Bildung vorfindet und darüber per Telekommunikation mit Experten oder mit anderen Lernenden kommunizieren kann. Offenes Lernen emanzipiert sich allerdings auch vom Fernunterricht. Heute versteht man unter Fernunterricht alle Formen des Unterrichtes, die nicht unter der kontinuierlichen und unmittelbaren Kontrolle von Lehrenden stehen und auch nicht an einem gemeinsamen Ort stattfinden. Die maßgeblichen Kriterien des Fernunterrichtes sind Medien zur Überbrückung der räumlichen Distanz, Zielgerichtetheit und Fremdkontrolle. Wesentliche konstitutive Aspekte sind einerseits die Wissensverteilung in Form des sogenannten Lehrbriefes, andrerseits das selbstinstruierende Lehrmaterial. Die Fähigkeit zum selbständigen Lernen, die Beherrschung von Lerntechniken, sind wesentliche Voraussetzungen, über die der Lernende verfügen muß. (vgl. Zimmer 1995)

Das von der Europäischen Kommission in jüngster Zeit forcierte offene Lernen stellt einen Wechsel der Methode dar: Während beim Fernunterricht die Betonung auf die Lehr-Medien bzw. die Lehr-Handlungen gelegt wird, richtet sich das Augenmerk beim offenen Lernen auf die Lern-Handlungen. Im Fernunterricht und Fernstudium erfolgte die traditionelle Strukturierung der Lerninhalte entlang der Wissenschaftssystematik, beim offenen Lernen stehen nun die beruflichen Anforderungen im Mittelpunkt. Die Individuen entscheiden selbst über ihre Bildungsziele, Bildungsinhalte und auch Lernstrategien. Gerade durch die Telekommunikation und die Computertechnik wird die Verfügbarkeit des gesellschaftlichen Wissens in Form von multimedialen Informations- und Lernmodulen erheblich erleichtert. Allerdings läßt sich einschränkend feststellen, daß in den Förderprogrammen der Europäischen Kommission ein pädagogisches Konzept des offenen Fernlernens nicht vorhanden ist. Eine entsprechende Systematisierung der didaktischen Anwendungen von Multimedia im offenen Fernlernen sollte die Präsentation von Inhalten, die Interaktion mit der Software, die Simulation von Entscheidungen sowie die synchrone oder asynchrone Fernkommunikation mit anderen Personen umfassen.

Die multimediale Präsentation beinhaltet die Integration der verschiedenen Symbolsysteme, die als Mittel für Lernen und Denken herangezogen werden können. Die zentrale Funktion kommt dabei immer noch der Sprache zu. Interaktion bezieht sich auf das Agieren und Reagieren zwischen der Lernsoftware und dem Lernenden. Mittels Simulationen können bspw. mit dem Computer zukünftige Zustände virtuell durchgespielt werden, wodurch es möglich wird abzuschätzen, ob die gewünschten Ergebnisse in der Realität ohne Fehler erreicht werden. Alle Prozesse, die in mathematisierbaren Modellen hinreichend darstellbar sind, können mit Simulationen virtuell abgebildet werden. Schließlich kann durch die Integration von Computer- und Telekommunikationstechnik, seien es Mailboxen oder Videokonferenzen, auch die Selbstreflexion von Lernerfahrungen erweitert werden. Mittels Telekommunikation können im offenen Fernlernen die Vorteile personalen Unterrichtes mit der Qualität standardisierter Lernmodule verbunden werden.

Unternehmenspolitische Aspekte des Telelernens

Ein wesentliches Argument für die Propagierung des Telelernens in Betrieben wird im Umstand gesehen, daß die Arbeitszeit immer kostbarer und gleichzeitig der Bildungsbedarf immer größer wird. Jedoch sind Grundlagenvermittlung und -auffrischung während der Arbeitszeit kaum mehr bezahlbar. Vom Unternehmen wird die Abwesenheit von höchstens ein bis zwei Tagen als äußerste Grenze angesehen. Mitarbeitern wird deshalb vielfach nahegelegt, auch die Freizeit in die eigene berufliche Weiterbildung zu investieren. Die Verlagerung des Lernens von den bezahlten Arbeitsstunden in die private Freizeit der Teilnehmer bietet nämlich eine weitere Möglichkeit zur Kosteneinsparung im Fortbildungsbereich. (vgl. Hultzsch 1995)

Fern- und Telelernen, nach Möglichkeit auch oder besonders in der Freizeit, würde in vielen Großbetrieben Seminare ersetzen, wie dies von der Deutschen Telekom im Rahmen des Global Teach-Projektes und auch von der Bosch AG mit dem Modell der CBT-Partnerschaft ("Ready for Tele-Training") praktiziert wird.

Abbildung 2 Deutsche Telekom AG: Virtuelles Lernen mit Global Teach

Die wesentlichen Vorteile des Fern- und Telelernens für Unternehmen bestehen in der Kostensenkung durch geringe Ausfallzeiten und preisgünstige Lernmodule, in der größeren Transparenz und Kontrolle der Lernleistung sowie in besseren, praxisorientierteren Aufbauseminaren.

Es wird erwartet, daß Fern- und Telelernkonzepte in Verbindung mit Kurzseminaren auch die Teilzeitarbeit in Betrieben fördern werden. Dennoch setzt sich in Großbetrieben Telelernen nur schrittweise durch, da im Regelfall noch immer die notwendige Technik und auch die entsprechende Infrastruktur fehlen. Auch Arbeitnehmerorganisationen melden Bedenken an, daß sich Mitarbeiter quasi unbezahlt in ihrer Freizeit weiterbilden sollen. Ferner ist zu berücksichtigen, daß zwar das steigende Bildungs- und Qualifikationsniveau vieler Menschen die Realisierung von Prozessen der Selbstbildung etwa im offenen Fernlernen erleichtert, auf der anderen Seite zugleich die Gefahr wächst, daß Menschen mit geringeren Bildungsvoraussetzungen dadurch zunehmend ausgegrenzt werden könnten.

Anwendungen für das Telelernen

Die Deutsche Telekom unterstützt und evaluiert seit mehreren Jahren typische Anwendungen für das Telelernen, wie beispielsweise die Initiative "Schulen ans Netz", die rund 10.000 deutschen Schulen einen Zugang zum Internet bringen soll, ein Projekt, das von der Zielsetzung her mit dem "Austrian School Net" vergleichbar ist. Erwähnenswert ist auch das seit dem Sommersemester 1996 an der Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg laufende Projekt "Virtuelle Universität". Studierende besuchen Vorlesungen der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät im "virtuellen Hörsaal". Live verfolgen sie über ein Videokonferenzsystem und einen Breitbandanschluß das Geschehen in Bild und Ton. Praktika und Übungen werden wiederum von Erlanger Professoren fernbetreut. Computergestütztes Lehren und Lernen bietet die Möglichkeit, unabhängig von Zeit und Ort flexibel zu arbeiten. Über die Integration von Audio, Video und Animation kann der Benutzer weltweit mit anderen interaktiv kommunizieren. Ziel des genannten Projektes ist die Entwicklung multimedialer Teachware-Pakete, die sich aus individuellen Lehr- und Lernkomponenten zusammensetzen (vgl. Schwinghammer im Output 11/1996).

Daß Teleteaching ein Fenster zur Welt öffnet, wurde auch an der Donauuniversität Krems im Rahmen der virtuellen Konferenz "Teleteaching 1996", die in den Fourteenth World Computer Congress in Canberra/Australien eingebettet war (2.-6. 9. 1996), erfolgreich praktiziert. Von den Organisatorinnen und Organisatoren der Abteilung Telekommunikation, Information und Medien an der Donauuniversität Krems wird das Sammeln von Erfahrungen im Umgang mit Videokonferenzen als vorrangiges Ziel genannt (siehe Volst in der Computerwelt Nr. 38/96 vom 23. September 1996 sowie die APA Bildung vom 29. 10. 1996 bzw. Output 11/1996).

Zur Zeit erproben die Universität Heidelberg und Mannheim das elektronische Zusammenfassen zweier realer Hörsäle zu einem virtuellen. Beispielsweise liest ein Professor in Heidelberg eine Vorlesung zur Informatik, seine Ausführungen unterstützt er mittels Multimedia-Workstation mit RGB-Beamer, der die Projektion von Folien, Graphiken und Videos ermöglicht. Sowohl die Visualisierungen als auch der Vortragende werden live über eine ATM-Leitung nach Mannheim in einen Hörsaal mit vergleichbarer technischer Ausstattung übertragen. Im Gegenzug dazu hält ein Professor aus Mannheim dann eine Vorlesung zur Mathematik, die wiederum nach Heidelberg übertragen wird. Die Studierenden in beiden Hörsälen werden gefilmt und ihr Bild im jeweils anderen Hörsaal an die Wand projiziert. In beiden Hörsälen können die Studierenden Fragen stellen und Kommentare zur Vorlesung abgeben, die sofort von allen Teilnehmern gehört werden. Das sechsjährige Projekt wird von Erziehungswissenschaftlern und Psychologen beider Universitäten begleitet. (siehe Glowala/Häfele 1996)

Abbildung 3 Beispiel für das Zusammenfassen zweier realer Hörsäle zu einem virtuellen - Quelle: Glowalla 1996 aus c't 1995, Heft 10

Ein anderes Szenario des Telelernens ist gegeben, wenn die Studierenden an vernetzten Computer-Arbeitsplätzen tätig sind. Über Datenfernübertragung gehen ihnen elektronische Arbeitshefte einschließlich Aufgaben und Fragen zu. Die Aufgaben werden nach ihrer Bearbeitung an den Server geschickt, der beim zentralen Tutor angesiedelt ist. Der Tutor analysiert die Antworten aller Studenten, meldet ihnen die Qualität ihrer Ausarbeitung zurück und beantwortet auch Nachfragen. Mit diesem Konzept lernen die Studenten ähnlich wie bei CBT in ihrem eigenen Lerntempo an einem PC. Telekommunikation findet nur beim Austausch der elektronischen Dokumente statt. Erweitern ließe sich dieses Szenario dadurch, daß beispielsweise über den Online-Dienst noch ein Diskussionsforum eingerichtet wird, an dem alle Telelernenden teilnehmen können. Telekommunikation wird auf solche Teilbereiche des Lernprozesses konzentriert, die ein hohes Maß an Interaktivität erfordern.

Wie schon erwähnt, unterstützt und erprobt die Deutsche Telekom Projektanwendungen für das Telelernen, die auch bei internationalen Konferenzen vorgestellt wurden. So wurde mit Beginn des Schuljahres 1995/96 in Berlin das zunächst auf ein Jahr befristete und inzwischen um ein weiteres Schuljahr verlängerte Telelernen-Pilotprojekt COMENIUS begonnen. Über ein ATM-Hochleistungsdatennetz sind fünf Schulen miteinander und mit der Landesbildstelle Berlin verbunden. In jeder Schule stehen 12 Multimedia PCs mit Zugang zum DisNET (Discoursive Networking). Die Schüler können von der Multimedia-Datenbank Filme, Bilder, Texte, Töne und Lernsoftware abrufen und selbsterstellte Multimedia-Dokumente versenden. Für persönliche Begegnungen sind die PCs mit einem Videokonferenzsystem ausgestattet. Darüber hinaus stehen den Schülern PC-Anwendungen für Textverarbeitung, Graphik, Tabellenkalkulation und E-Mail zur Verfügung. Die Projektleitung wurde vom Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) übernommen, Auftraggeber ist die DeTeBerkom GmbH. Berlin, eine Tochter der Deutschen Telekom AG. Weiters sind die Berliner Condat DV-Beratung, Organisation, Software GmbH und PontonEuropean Media Art Lab mit Sitz in Hannover eingebunden (vgl. Projektbericht 1995/96).

Ziel des Comenius-Projektes ist die Erarbeitung und Umsetzung eines medienpädagogischen Konzeptes für den Einsatz multimedialer Informations- und Kommunikationssysteme im Bildungsbereich. Comenius erprobt multimediales Lernen in einem vernetzten Kommunikationssystem. Schüler lernen die neuen Medien kreativ und verantwortungsbewußt zu nutzen. Dabei geht es auch um die Entwicklung multimedialer Kommunikationsmodelle des Lernens. Der damit verbundene Erwerb von Medienkompetenz erfolgt in enger Anlehnung an die Lehrinhalte, Lehrpläne und Curricula der Schule. Um die Ergebnisse des Pilotprojektes zu sichern und zukünftigen Projekten sowie der Bildungsplanung zur Verfügung zu stellen, wird die pädagogisch-didaktische Arbeit in den Schulen und Unterrichtsprojekten, nämlich der Umgang von Lehrern und Schülern mit den neuen Techniken sowie der Einsatz, die Nutzung und die Weiterentwicklung der Technik, wissenschaftlich dokumentiert und ausgewertet. Die wissenschaftliche Begleitung von Comenius erfolgt grundsätzlich schulbezogen.

Die nachfolgende Abbildung zeigt das Kommunikationsnetz in dem sich die Teilnehmer bewegen. Comenius-Projektschulen sind über Glasfaserleitungen der Telekom miteinander und mit der Landesbildstelle verbunden. Wo dies nicht möglich ist, läuft die Kommunikation über mehrere parallele ISDN-Leitungen. Jede einzelne direkt an das Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossene Schule kann Daten mit 155 MBit pro Sekunde von der Landesbildstelle abrufen. (siehe die Homepage der DeTeBerkom: http://www.deteberkom.de, die weitere Informationen über den Zwischenstand des Comenius-Projektes enthält)

Abbildung 4 Gesamtübersicht des Comenius-Netzwerkes

Ein zweites von der Deutschen Telekom unterstütztes Projekt ist Berlitz-Online. Berlitz-Online ist ein virtuelles Sprachcenter, in dem die Teilnehmer von ihrem Arbeitsplatz oder von zu Hause aus über ihren vernetzten PC mit ihrem persönlichen Tutor verbunden sind, um einen Online-Sprachkurs zu absolvieren. Sie lernen aber auch gemeinsam mit anderen Teilnehmern ihres Kurses. Sie erhalten regelmäßig von ihrem Tutor Hausaufgaben in Form von Studienbriefen, die nach der Bearbeitung nicht per Post, sondern über den Computer verschickt werden. Ferner steht den Lernenden ein Hotline-Dienst zur Beantwortung zusätzlicher Sprachlernfragen zur Verfügung. Bei der Kommunikation zwischen Lernenden und Tutor kommt auch das Videoconferencing-System proShare zum Einsatz. (siehe Reiter 1994 sowie "Das virtuelle Sprachencenter" in: Q-magazin 4/5-96)

Derzeit werden folgende spezifische und berufbezogene Sprachkurse auf verschiedenen Sprachniveaus angeboten: English for Business, English for Banking, English for Telecommunications, Technical English und English for the Secretary. In naher Zukunft wird das Angebot um die Intensivsprachkurse English for Advertising, English for Marketing, English for Negotiations, English on the Telefon sowie um die Online-Sprachkurse Le Français des Affaires und Geschäftsdeutsch erweitert werden. Alle Kurse setzen Grundkenntnisse der Fremdsprache voraus, das heißt, die Kurse sind nicht für absolute Anfänger geeignet. Nach der Einschreibung erhält der Teilnehmer zunächst per Post sein persönliches Startpaket, das aus Lehrbüchern, Audio-Kassetten, Software und dem ersten Studienbrief besteht. Der Teilnehmer bearbeitet dann die Aufgabe des ersten Studienbriefes und schickt diese über das Computer-Konferenz-System an seinen Tutor. Jeder Teilnehmer wird dem virtuellen Klassenzimmer zugeteilt, das nur für bestimmte Lernende zugänglich ist. Hier findet die eigentliche Gruppenarbeit statt. So wird z.B. der Teilnehmer von seinen Tutoren aufgefordert, mit anderen Teilnehmern ein bestimmtes Projekt vorzubereiten. Das kann z.B. die Präsentation eines Produktes, die Vorbereitung von Argumenten für eine Diskussion oder eine Fallstudie sein. Darüber hinaus sind auch Bereiche vorhanden, die von allen Lernenden der verschiedenen Kurse genutzt werden können. Dazu gehören u.a. das sogenannte "Language Gym", in dem spezielle Grammatikübungen stattfinden, ein Pausenraum-Cafe und eine Bibliothek, in der Studienbriefe und andere kursrelevante Materialien abgelegt sind. Als wesentliche Vorteile des virtuellen Sprachcenters werden die hohe Interaktivität bzw. die zeitliche und räumliche Flexibilität genannt. Da der Lernende den Zeitplan bestimmt, kann er Lücken in Arbeitsplänen und Terminkalendern zum Sprachenlernen nutzen. Neben der intensiven tutoriellen Betreuung des Lernenden, einem schnellen Feedback des Tutors, ist vor allem die Kostenersparnis - Reisezeiten und Reisekosten entfallen - das Hauptargument der Betreiber .

Abbildung 5 Berlitz Multimedia TeleSchool: Europäisches Lernen über internationale Netzwerke

Ein österreichisches Beispiel ist das Tele-Zentrum in Wien/Floridsdorf am Standort der PSE in der Autokaderstraße, Wien 21. Das Modellprojekt wurde von der Stadt Wien, dem WIFI Wien und der Siemens AG. Österreich finanziert und soll Wirtschaftstreibenden und Selbständigen, aber auch Privaten den Zugang zu neuen Technologien ebenso wie zum "Beruf von morgen" ermöglichen. Das Tele-Zentrum bietet multimediale Arbeitsplätze für EDV-Aufgaben, Systemwartung, Rechnungswesen, Entwicklungsarbeiten oder Kundenservice an, die von Unternehmen und Selbständigen gemietet werden können. Zusätzlich bietet auch das WIFI Wien Tele-Learning-Kurse an, die vom Arbeitsmarktservice gefördert werden. In einem Internet-Cafe kann jeder im World Wide Web surfen. (siehe Synergie 3/96)

 

Schlußbetrachtung

Wie wir aufgezeigt haben, wird Telelernen für die Aus- und Weiterbildung immer wichtiger. Die Europäische Kommission forciert die Telematik als wirtschaftpolitischen Faktor für Betriebe und Unternehmen und verbindet damit auch neue Qualifizierungspotentiale und Zukunftschancen für die Beschäftigten. Private Weiterbildungseinrichtungen nutzen die modernen Kommunikationsnetze als effizienzsteigernde Alternativen klassischer Bildungsmethoden und -wege, der Lehrbrief wird nicht mehr per Post versandt, sondern per E-Mail als elektronisches Attachement. Auch die vielerorts angestrebte Vernetzung der Schulen ist längst nicht mehr so spektakulär, denn die Informationsbeschaffung der Schüler und Lehrer wird in Zukunft verstärkt über Datennetze erfolgen. Insgesamt überwiegen zurzeit allerdings noch die evaluativen Komponenten beim Telelernen, in den meisten Fällen hat die Erprobung gerade erst begonnen. Es bleibt zu hoffen, daß sich die betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte auf die jeweiligen Bildunsgsysteme übertragen lassen.

Literaturhinweise

APA Bildung vom 29. 10. 1996

Broschüre der Europäischen Kommission mit dem Titel "Final Report on Telework Stimulation Actions 1994-1995", DG XIII-B

COMENIUS Projektbericht 1995/96 (siehe Homepage der DeTeBerkom: http://www.deteberkom.de)

"Das virtuelle Sprachcenter" in: Q-magazin 4/5-96

Glowalla Ulrich/Häfele Gudrun: Telelernen - eine interessante Perspektive für das lebenslange Lernen, in: Glowalla Ulrich/Schoop Eric (Hrsg.): Deutscher Multimedia Kongreß 1996, Springer Verlag Berlin 1996, S. 85-91

Hesse Friedrich et al.: Multimediale Komponenten einer virtuellen Universität - ein realistisches Szenario, in: Issing Ludwig J./Klimsa Paul (Hrsg.): Information und Lernen mit Multimedia, Beltz Verlag 1995, S. 81-100

Hultzsch Hagen: Telelearning - die Strategie der Deutschen Telekom, in: Q-magazin, 4-95

Programmheft der Telework '96 (4. - 6. 11. 1998) im Wiener Rathaus

Reiter Anton: Das ISDN als transeuropäisches Netz, Europaakademie Wien 1994

Synergie 3/96, Zeitschrift der Siemens Nixdorf Informationssysteme

Schwinghammer Renate: Lernen aus der Distanz, in: Output 11/1996

Volst Angelika: Das virtuelle Konferenzzentrum, in: Computerwelt 38/1996

Zimmer Gerhard: Mit Multimedia vom Fernunterricht zum offenen Fernlernen, in: Issing/Klimsa, Information und Lernen mit Multimedia, S. 337-352

Zum Autor: Anton Reiter, Mag. Dr., Oberrat, Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten; E-Mail: anton.reiter@bmuk.gv.at

 

 

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