LAN und WAN an der Ortweinschule?\_˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙˙

Heinz Slepcevic


Graz-Ortweinschule:

LAN und WAN

LAN/WAN

Heinz Slepcevic

LAN und WAN an der Ortweinschule



oder ZEN und die Kunst ein Motorrad zu warten.

„Ohne die Hand vom linken Griff des Motorradlenkers zu nehmen, kann ich auf meiner Uhr sehen, daß es halb neun ist. Der Fahrtwind ist sogar bei sechzig Meilen pro Stunde warm und feucht. Ich frage mich, wie es erst am Nachmittag werden soll, wenn es schon um halb neun so schwül ist.“

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So beginnt Robert M. Pirsigs Buch „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“. Bei der Lektüre wurde mir klar, wie leicht sich die in diesem Buch geschilderten Situationen auf unsere Schule und unsere Probleme übertragen lassen. Um mich kurz vorzustellen: Als Sys(tem)op(erator) soll ich zusammen mit einigen Kollegen die Vernetzung unserer Computer planen und warten. Dabei haben wir gerade den Anschluß von unserem LAN (local area network) an ein WAN (wide area network) vollzogen. Unser Schulnetz-LAN als Vernetzung von derzeit rund 95 Computern ist seit Sommer 1996 durch die Anbindung ans Internet in ein WAN eingebunden.

Ich will nun, ähnlich wie in Pirsigs Buch meine Gedanken schildern, die ich mir so bei der Arbeit mit unserem Netzwerk mache. Die Hauptperson dieses Buches, Phaidros, verwendet zur Beschreibung ihrer Gedanken die Maschine „Motorrad“, ich will dafür unser Netzwerk einsetzen.

Zuerst einige Fakten über unser Unterrichts-Netzwerk:

Unsere lokale „Netzwerkwolke“ umfaßt zwei große und eine kleine miteinander verbundenen Wolken. Diese Wolken stellen die Arbeitsgebiete EDV mit Anwendungen, CAD und Tischlerei-Raumgestaltung dar. In der EDV-Anwendungswolke sind derzeit zwei Unterrichtsräume mit je 17 Arbeitsplätzen (486er und P166 mit 16 MByte RAM, 15“ Monitore, WIN 3.11, MS-Office, Visual Basic, Corel) und ein Anwendungsraum (486/DX2-100 mit 16 MByte RAM, 520MByte Harddisk, 15“ Monitor, WIN 95, MS-Office, Corel, MathCad, baupraktische Anwendungsprogramme) mit 12 Arbeitsplätzen vorhanden. Zwei Novell Server 4.11 ermöglichen für diese Rechner eine gemeinsamen Programm- und Datenbasis. In der CAD-Wolke sind drei Zeichensäle und ein Vortragssaal mit je 12 bis 15 Arbeitsplätzen vorhanden. Ein Auszug der technischen Daten dieser Geräte für die, die sich in diesem Abkürzungswirrwar der freaks zurechtfinden: ... Arbeitsplätze mit Pentium 90-166MHz, 32 MByte RAM, ATI-Mach 64 Grafikkarte, mind. 520 MByte Harddisk, 17“ Triniton Monitor, Maus, Summagraphics III Grafiktablett, WIN NT, MS-Office, ACAD12/14. Auch in der CAD-Wolke sind 2 Fileserver im Einsatz, und für die Ausgabe der Pläne steht neben zweier A4-Laserdrucker und zweier A3-Laserdrucker noch ein A0-Tintenstrahlplotter HP650C zur Verfügung. Die kleinste Wolke findet man in der Fachsparte Tischlerei und Raumgestaltung, wo für die Arbeitsvorbereitung 6 leistungsfähige CAD-Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Diese Netzwerkwolke der Tischlerei hat unter anderem auch einen direkten Anschluß an die computergesteuerte Plattenzuschnittssäge in der Werkstätte. Alle diese Computer sind nun miteinander vernetzt, wobei die verlegte Kabellänge derzeit mehr als einen Kilometer ausmacht. Neben diesen IPX-Novell Verbindung sind noch die IP-Internetanbindungen in die Netzwerkwolken Verwaltung und die unserer Nachbarschule, dem BRG-Körösistraße realisiert.

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Dieses Motorrad-Netzwerk verwenden nun user in unterschiedlichster Art. Phaidros  teilt im ersten Teil seines Buches diese user in zwei Hauptgruppen ein, die der klassischen und die der romantischen Anschauung angehörenden Menschen

„Einer klassischen Anschauung stellt sich die Welt primär als innere Form dar. Einer romantischen Anschauung stellt sie sich primär als unmittelbar wahrnehmbare äußere Erscheinung dar. Würde man einem Romantiker eine Maschine oder eine technische Zeichnung oder einen elektronischen Schaltplan zeigen, würde er höchstwahrscheinlich nicht viel Interesse darin sehen. Es hat für ihn keine Anziehungskraft, weil die Realität, die er sieht, Oberfläche ist. Langweilige, komplizierte Ansammlungen von Namen, Linien und Zahlen. Nichts Interessantes. Würde man jedoch dieselbe Blaupause oder denselben Schaltplan einem klassischen Menschen zeigen oder ihm dieselbe Beschreibung geben, sähe er sich wahrscheinlich die Sache an und wäre dann davon fasziniert, weil er sehen würde, daß hinter den Linien und Formen und Symbolen eine ungeheure Fülle innerer Form liegt.“

Dieses Zitat, das noch lange nicht die Grundaussage des Buches darstellt (Zen wartet noch im Hintergrund), ist aber doch typisch für unsere user. Ich kann mich an einen Computer setzen und einfach damit losfahren. Unsere Maschinen sind meist so „gebaut“, daß man sicher ein gutes Stück damit fahren kann, sofern die Systemverwalter die Maschine gut zusammengestellt haben. Wenn ich mich nun durch die Landschaft der Computerprogramme bewege, kann ich in einer romantischen Sicht viel erleben und daraus meine Schlüsse ziehen. Bei dieser Fahrt kann sich auch einiges ereignen. Eine Panne -ein Programmabsturz- kann meine Fahrt aufhalten. Nach Pirsig wird der romantische Typ seine Maschine zu einem Mechaniker geben und glauben (vielleicht auch nur hoffen), der kann mit seinen Handbüchern und seinem klassischen Wissen die Maschine wieder reparieren. Der klassische Typ wird schon bei der Fahrt auf den Klang seiner Maschine achten und seine Geschwindigkeit darauf einstellen. Er wird versuchen, mit Hilfe der Dokumentationen das System eines Programmes zu verstehen und dieses Wissen in seine Anwendung einbinden, gar nicht erst Fehler heraufzubeschwören.

Als Sysop eines Netzes stehe ich ständig vor dem Problem, dieses System wirklich verstehen zu wollen. Doch dies bleibt nur ein Stückwerk. Selbst wenn ich als Motorradmechaniker das Prinzip einer Kurbelwelle verstehe, stehe ich vor dem Problem: Welche Einstellungen im Gesamtsystem können dazu führen, daß das Kurbelwellenlager mit der Zeit ausgeschlagen wird? So ist es auch in einem Netzwerk. Ich installiere eine Software oder baue einen Hardwareteil ein und verstehe auch den Sinn dieses Teiles. Welche genauen Einstellungen muß ich aber bei den vorhandenen Programmen und Teilen vornehmen, so daß die Teile sinnvoll aufeinander abgestimmt sind, ohne einen Programmabsturz zu erzeugen?

Dies sind schöne Worte, doch in der Realität eines Tagesablaufs habe ich nicht mehr die Zeit, dieses Netzwerk in Ruhe (und die ist dazu unbedingt notwendig) zu ergründen. Es bildet ein eigenes nicht in Ruhe durchdachtes System, das von den usern auf vielfältigste Art benutzt wird. Der Sysop ist nur der Mechaniker, der meist dieselben Reparaturen vornehmen muß, nur weil der user romantisch gearbeitet hat.

Ein typisches Beispiel: Ein user sendet einen Druckauftrag (z.B. ein Skriptum mit Grafiken) ans Netz, das Netz sendet diesen Auftrag an den Drucker. Der user muß gehen und schaltet zum Beispiel nach drei Seiten einfach den Drucker aus. Für den User ist -aus romantischer Sicht- das Problem gelöst, es wird nicht mehr weitergedruckt. Doch das Netzwerk nimmt an, es sei ein Problem am Drucker aufgetreten, und wartet darauf, daß weitere Daten gesendet werden können. Ein klassisches Problem. Es kommt er nächste user und will ebenfalls drucken. Aus seiner romantischen Sicht erkennt er, der Drucker ist nicht eingeschaltet, also schaltet er diesen ein. Nun erkennt aber das Netzwerk, daß der Drucker wieder funktioniert und sendet den Rest des ersten Druckauftrags an den Drucker. Dieser aber ist durch das Ausschalten noch nicht fähig, eine Grafik zu drucken, sondern nur einen Text. Dadurch wird sinnlos bedrucktes Papier ausgeworfen, und man schreit nach dem Mechaniker. „Der Drucker und das ganze System sind nicht benutzerfreundlich!“

Sind das romantische und das klassische Prinzip für einen Mechaniker wirklich konträr? Ich würde mir die Arbeit in diesem Netzwerk nicht antun, wenn diese Erfahrungen als klassischer Mechaniker alles wären. Die Probleme mit den usern, der Schulorganisation, des Amtsweges im Bundesdienst und den Lieferfirmen lassen mich immer öfters darüber nachdenken: Wozu dies alles?

Doch Pirsig geht noch weiter und gibt positive Ausblicke.

„Ich will diesen Eisenbahnzug „Wissen“ nennen und ihn in zwei Teile zerlegen: Klassisches Wissen und Romantisches Wissen.

Das Klassische Wissen, das von der Kirche der Vernunft gelehrte Wissen, wäre in diesem Vergleich die Lokomotive mit allen Waggons. Alle zusammen, mit allem, was drin ist. Wenn man den Zug in Teile zerlegt, findet man nirgends Romantisches Wissen. Und wenn man nicht aufpaßt, kommt man leicht zu dem Schluß, daß dies schon der ganze Zug ist.....

Romantische Qualität ist in diesem Vergleich kein „Teil“ des Zuges. Sie ist die Leitkante der Lok, eine zweidimensionale Fläche ohne große Bedeutung, es sei denn, man begreift, daß der Zug kein statisches Etwas ist. Ein Zug ist gar kein Zug, wenn er nirgendwo hinfahren kann. Als wir den Zug untersuchten und ihn in Teile zerlegten, haben wir ihn unbewußt angehalten, so daß der Gegenstand unserer Untersuchung gar kein Zug ist. Deswegen sitzen wir fest.

Der echte Zug des Wissens ist nichts Statisches, das man anhalten und in Teile zerlegen kann. Er ist immer in Fahrt. Auf einem Gleis namens Qualität.... und die romantische Qualität, die Leitkante der Lok, führt sie das Gleis entlang.“

Ich sehe in unserem Netzwerk einen Waggon unseres Wissens, auf den alle user aufspringen können. Derzeit lernen Schüler und auch wir Lehrer mit Programmen zu kommunizieren. Es ist dem Programm dabei -in der klassischen Tradition- egal, was der user alles schreibt, rechnet, zeichnet.. Es kommt darauf an, was er macht, welche Leitkante seine Gedanken einschlagen. Und einige haben diese Kommunikationsebene schon erkannt. Dies ist der Grund, warum ich mich dafür einsetze, dieses Netzwerk zu warten und auszubauen.

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Ich sehe aber in unserem Schulsystem auch die Tendenz, zu sehr das romantische Wissen ohne das klassische Wissen anzuwenden. Dabei meine ich jene Konzepte, die mit den schönen Begriffen wie Marketing oder Top Management Qualität beschrieben werden. Diese für die Schulentwicklung wichtigen romantischen Arbeiten, die jeder Schule eine Leit-Richtung geben, fehlt leider oft die Realisation. Es ist natürlich eine mühsame und aufwendige Arbeit die vielen Handbücher, Ablaufpläne, Checklisten  - kurz das klassische Wissen - zu erstellen und zu warten, damit die user unserer Schule diese Maschine effektiv benützen können. Nur in romantischen Welten definierte Richtlinien sind zu wenig, wir müssen unser klassisches Wissen einsetzen und anwenden, um unserer Schule neben einem guten Image auch einen guten Ruf zu geben.

Wir haben nun eine weltweite Kommunikationsstruktur in unser LAN zu integrieren, das Internet. Wenn wir alle Bedienungsanleitungen, Sprachen, Protokolle und Leitungen richtig lesen, sprechen, einstellen und schalten, ist es möglich, einen Großteil unserer Rechner in ein WAN zu integrieren. Unser LAN ist mit einer 2MBit/s ATM Leitung an die Technische Universität Graz -und damit an das ACONET der Österreichischen Universitäten angeschlossen. Das Name-Service wird durch den von Prof. Mag. Hans Adam aufgebauten ASN-GRAZ Knoten am BORG in der Monsbergergasse verwaltet. Als Hostrechner verwenden wir Rechner mit dem Betriebssystem Linux, unsere Nachbarschule setzt Windows NT ein. Diese Hostrechner decken die Internetdienste www, E-Mail, ftp und das secondary-Nameservice ab.

Was wird uns das Internet für unser Wissen bringen? Wir können es noch nicht sagen.

Wir wissen noch nicht, wie diese Kommunikationsebene Lehr- und Lernverhalten beeinflussen wird. Es ist aber unsere Aufgabe, uns dieser gesellschaftspolitischen Situation zu stellen und gemeinsam mit unseren Schülern uns damit auseinanderzusetzen.

Wenn ich die Möglichkeiten und Tendenzen ansehe, die uns dieses Medium bietet, so wäre in der Zukunft das folgende Unterrichtsmodell denkbar: Unser Lernen teilt sich in zwei Ebenen, das Erlernen von Fakten und Methoden und das Erlernen von menschenbildenden und zwischenmenschlichen Beziehungen. Für den ersten Zweig bieten sich in einem WAN Informationsseiten und Lernprogramme an, die vom Schüler „jederzeit und an jedem Ort“ aufgerufen werden können. Dabei wird von jedem Schüler global eine Dokumentation mitgeführt, welche Informationen er sich angesehen hat oder welche Lernprogramme er durchgegangen ist. Es werden dem Schüler - je nach seinem Wissensstand - geeignete Lernwege angeboten. Zur Überprüfung seines Wissens legt er Tests am Rechner ab, deren Ergebnisse wieder global in dem sogenannten SAV (Student’s Archievement Vector) abgelegt werden.  Der SAV stellt sozusagen das Zeugnis des jeweiligen Wissensstandes dar. Jede Firma könnte daher auch den Wissensstand seines Mitarbeiters überprüfen(!); lebenslanges Lernen ist ebenfalls möglich. In diesem Bereich haben Lehrer die Aufgabe, die zu lernenden Fakten geeignet aufzubereiten und als „Frageonkel“ den Schüler mit E-Mail oder in einer Newsgroup zu betreuen. Für den zweiten Bereich der menschenbildenden und zwischenmenschlichen Beziehungen wird es ein weites Betätigungsfeld für Lehrer geben. Projektunterricht, Gruppenarbeit und das Entwickeln von Visionen sind unter anderem Bereiche, die von Lehrern trainiert werden müssen. Die Menschheit hat ja im Laufe der Jahrhunderte faszinierende Maschinen erfunden, die ihr die Arbeit erleichtert haben (dies ist sehr wohl auch zweideutig gemeint, da ich mit der Maschine „Messer“ mein Brot schneiden, aber auch meinen Mittmenschen umbringen kann). Bei unseren zwischenmenschlichen Beziehungen haben wir - außer vielen gescheiten Philosophien - noch keine Lösungen gefunden. Vielleicht haben wir in der Zukunft als Lehrer mehr Zeit dafür Menschen zu bilden!?

Es wird von uns Lehrern und Schülern gemeinsam abhängen, ob wir diese Kommunikationsmöglichkeit sinnvoll einsetzen oder nicht. Es wird vor allem von der Bereitschaft der user abhängen, diesen Zug des Wissens, den Pirsig beschreibt, zu besteigen. Dazu müssen wir aber das klassische Wissen - die Handbücher, den logischen Inhalt - einsetzen, um mit unserem romantischen Wissen einen guten Weg für die Zukunft einzuschlagen.

„ZEN-Buddhisten sprechen von einer Meditationsübung, die als ‘einfach sitzen’ bezeichnet wird und bei der das Bewußtsein nicht von dem Gedanken der Dualität von Ich und Objekt beherrscht wird. Ich spreche hier von einer Art Motorradwartung, die man als ‘einfach richten’ bezeichnen könnte und bei der das Bewußtsein nicht von dem Gedanken der Dualität von Ich und Objekt beherrscht wird. Wenn einer nicht von dem Gefühl des Getrenntseins vom Gegenstand seiner Arbeit beherrscht ist, dann kann man von ihm sagen, daß er mit Liebe zur Sache an seine Arbeit geht. Liebe zur Sache ist im Grunde genommen ein Gefühl der Identifikation mit dem, was man tut. Wer dieses Gefühl hat, der sieht auch die andere Seite der Liebe zur Sache, die Qualität selbst.“

PS: Ich habe Robert M. Pirsigs Buch ganz bewußt als Grundlage für diesen Aufsatz genommen, da es als eine Art Kultbuch der Unix- und Linuxprogrammierer gilt. Diese Programmierer sind es, die wesentlich am Aufbau des Internet beteiligt waren. Ich hoffe, daß ich auch eine Anregung für eine Lektüre gegeben habe.

Für alle, die mir Antworten wollen, meine E-Mail Adressen:

slep@asn-graz.ac.at
slep@htlortwein-graz.ac.at
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