Sind Datenbanken vogelfrei?

Otto Cap


Sind Datenbanken vogelfrei ?

Datenbanken

Sind Datenbanken vogelfrei?

Otto Cap



Otto Cap

In der Steinzeit der Computerei, als wunderschöne färbige Benutzeroberflächen und Mausclicks noch in äonenweiter Ferne lagen, wurde uns Kommandozeilen-Beflissenen als mächtigster Befehl von allen das Wort „copy“ eingehämmert. Dies war umso wichtiger, als es auch mir zuerst gar nicht in den Kopf wollte, daß das Kopieren etwas so Wichtiges sein sollte, waren wir doch gewöhnt, mühsam aus Büchern und anderen Unterlagen ein paar benötigte Zeilen abzutippen oder zu exzerpieren - auch die leistungsfähigen Kopierer von heute gab es noch nicht - und an mehr wurde auch noch gar nicht gedacht. Daß dieser Befehl einst dazu verwendet werden könnte, sich ganze Bücher und das Ergebnis monate- oder jahrelanger Arbeiten mittels eines einzigen Knopfdruckes anzueignen, war uns noch nicht richtig zu Bewußtsein gekommen.

Einen Informationssprung „um weitere Lichtjahre“ hat nun das Internet gebracht. Jedermann kann sich eine unübersehbare Fülle von Wissen und Daten - meist die Frucht nicht nur von viel Kreativität, sondern auch eines großen Arbeitsaufwandes - innerhalb kürzester Zeit verschaffen, und dies ist schließlich auch das erklärte Ziel dieses weltumspannenden Kommunikationsnetzes: ein „Datenhighway“, ursprünglich gedacht für nichtkommerziellen Austausch von universitären Forschungsergebnissen , auf dem dann bald alle „aufgefahren“ sind, die seine Übermittlungswege praktisch fanden, auch Werbung und Geschäfte zu betreiben. Und damit sind natürlich auch die „Datenhaie“ auf den Geschmack gekommen, die sich vom Ausbeuten fremden Geistesgutes gute Geschäfte versprechen.

Ein signifikantes Beispiel mußte der Schriftleiter dieser Zeitschrift erfahren:

Vor etwa einem Jahr wandte er sich an mich mit der Frage, ob man denn nichts dagegen machen könne, daß eine österreichische Computerzeitschrift - ohne seine Nennung als Autor, versteht sich, und ohne etwas dafür zu bezahlen - seine auf mehreren WWW-Seiten veröffentlichte, sehr arbeitsaufwendige Recherche betreffend Internet-Provider quasi als Eigenrecherche abdruckte, ohne auch nur einen Buchstaben, eine Besonderheit der Zeichensetzung, ja sogar ein nicht ganz korrektes Detail zu ändern. Handelte es sich dabei nicht um eine klassische Copyright-Verletzung ?

Leider nicht. Die mit dem Begriff „Copyright“ angesprochenen Autoren-Schutzrechte des Urheberrechtsgesetzes setzen nämlich ein Werk voraus, das nach den etwas antiquiert wirkenden Worten des Gesetzes eine eigentümliche geistige Schöpfung , d.h. eine spezifisch individuelle Lösung einer Aufgabe darstellen muß, die nicht nur eine Lösungsmöglichkeit zuläßt. Ein kreatives Moment im Bereich der Gestaltungsprinzipien muß vorliegen. Deshalb sind nach urheberrechtlichen Normen etwa wissenschaftliche, durch die Natur eines Gegenstandes eindeutig bestimmte Ergebnisse nicht schutzfähig. Dies gilt wohl in besonderer Weise für die „bloße“ Sammlung von Daten, weil die mit der Datenerhebung verbundene, im Regelfall nicht geringe Leistung eben keine schöpferische im Sinne künstlerischer Betätigung ist.

Auch unter dem sich weiter anbietenden Gesichtspunkt einer Verletzung der Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, insbesondere wegen sklavischer Nachahmung eines Produktes läßt sich in dem genannten Zusammenhang nichts ausrichten, weil die Veröffentlichung zwar sklavisch nachahmt, als eine wesentliche Voraussetzung für unlauteren Wettbewerb aber ein kommerzielles Konkurrenzverhältnis zwischen Erzeuger und Nachahmer vorliegen muß, wobei der Erzeuger um die Früchte seiner mit entsprechendem Kostenaufwand verbundenen Arbeit gebracht wird. Die geschäftliche Ausschlachtung privater Mühe wird von diesem Gesetz nicht erfaßt. Außerdem gewährt es nur einen Schadenersatzanspruch, und es wäre sicherlich schwierig, außerhalb geschäftlicher Betätigung einen solchen nachzuweisen.

So habe ich damals keine einfache, leicht durchsetzbare Haftung der Zeitschrift für ihr unseriöses Vorgehen gesehen.

Schon damals hatten allerdings die Probleme „Urheberrecht im Internet“ sowohl in den USA wie bei der EU-Kommission sogenannte „Grünbücher“ entstehen lassen, die juristische Grundlagen für Gesetzesvorschläge enthalten, wie die mit dem neuen Medium „digitale Informationsverbreitung“ entstandenen Probleme besser in den Griff zu bekommen sind. Diese Problematik hat die EU-Bürokratie schließlich wohl auch bewogen, voriges Jahr mit einer EG-Richtlinie zu reagieren.

Kleiner Exkurs: Was ist eine EG-Richtlinie? Eine der Verpflichtungen aus unserer Mitgliedschaft bei der Europäischen Union besteht darin, unsere Rechtsordnung mit der der anderen Mitgliedstaaten zu „harmonisieren“; d.h. allmählich eine den übrigen Teilnehmerstaaten immer ähnlichere Rechtsordnung zu schaffen. Zu diesem Zweck werden von der EU-Bürokratie (weiterhin so genannte) EG-Richtlinien erlassen, die sehr detaillierte Anweisungen an die Gesetzgebungsorgane der Mitgliedstaaten enthalten, was wie bis zu welchem Zeitpunkt als innerstaatliches Gesetz zu erlassen ist. Neben problematischen Anweisungen - die deshalb in der Öffentlichkeit auch wiederholt kritisiert wurden - gibt es dabei viele dem Rechtsfortschritt wirklich nützliche Richtlinien, die das Recht den technischen und allgemein gesellschaftlichen Wandlungen entsprechend fortbilden - so auch in unserem Fall.

Zurück zum Thema: Die EU hat am 11.3.1996 ihre Richtlinie 96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken erlassen; die Mitgliedstaaten - so auch Österreich - haben sie bis zum 1.1.1998 umzusetzen. Darin wird ein Sonderrechtschutz für Datenbanken normiert, der nach dem Verständnis der österreichischen Rechtsordnung als dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht zu qualifizieren ist. Gesetzestechnisch wird die Richtlinie einerseits als (neuerliche) Novellierung des Urheberrechtsgesetzes, anderseits als „Datenbankrechtsgesetz“ umgesetzt.

Ich möchte Sie als Techniker nicht mit dem ( zur Beschlußfassung durch den Nationalrat vorerst nur vorgeschlagenen) Wortlaut des Gesetzesentwurfes langweilen. Deshalb nur kurz die Leitlinien:     Ø

MasterFrame 20

http://pcnews.at/

PCNEWS4-54  Oktober 1997

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Helmut Schluderbacher

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MasterFrame 7

ØDatenbanken, d.s. Sammlungen von systematisch oder methodisch angeordneten, einzeln vor allem elektronisch zugänglichen Elementen, sind

a)    in den vollen urheberrechtlichen Schutz - zeitlich beschränkte ausschließliche Verwertungsrechte - einbezogen, wenn sie „infolge der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers“ sind .Sie unterliegen nicht den Bestimmungen über Computerprogramme;

b    auch ohne die Voraussetzung „eigene geistige Schöpfung eines Urhebers“ allen wichtigen Schutzbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes unterstellt, wenn für die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung ihres Inhaltes  eine wesentliche Investition erforderlich war. Entsprechendes gilt auch für Bearbeitungen einer geschützten Datenbank (wesentliche Investition für die Bearbeitung). Selbst die Verwertung unwesentlicher Teile einer Datenbank ist geschützt, wenn dies wiederholt und systematisch geschieht und der normalen Verwendung der Datenbank widerspricht oder berechtigte Interessen ihres Herstellers verletzt.

Keine Verletzung der Schutzrechte bewirkt die private Kopie einer nichtelektronischen Datenbank - also auch keine private Kopie einer elektronischen Datenbank erlaubt ! - oder die Verwendung jeder Art von Datenbank für Zwecke des Unterrichtes oder der wissenschaftlichen Forschung. Das Schutzrecht erlischt nach 15 Jahren. Unbefugte Benutzung macht entgeltpflichtig und ist überdies - ausgenommen bei unbefugter Privatkopie für eigene Zwecke oder auf Bestellung für private Zwecke eines anderen, so wie bei Computerprogrammen - auch strafbar. Geschützt sind jedenfalls alle Datenbanken im Bereich der Europäischen Union, außerhalb dieser nach Maßgabe von Staatsverträgen.Dies gilt auch fürDatenbanken, die vor dem 1.1.1998 hergestellt worden sind. Frühestes Ende der Schutzrechte ist der 31.12. 2012. Verwertungshandlungen vor Inkrafttreten des Gesetzes werden nicht erfaßt.

Wenn dieser Entwurf vom Parlament im Herbst als Gesetz beschlossen wird, sollte damit ein weiteres Schlupfloch der EDV-Piraterie geschlossen sein. Über die Gesetzwerdung werde ich zu gegebener Zeit berichten.

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PCNEWS4-54  Oktober 1997

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