Der Europäische Computer-Führerschein

kommt nach Österreich

Als allgemeingültiger und in ganz Europa anerkannter Befähigungsnachweis für den Umgang mit dem Computer im Beruf und am Arbeitsplatz ist der Europäische Computer-Führerschein” (European Computer Driving Licence – kurz ECDL) konzipiert. Das ECDL-Konzept soll in naher Zukunft auch im heimischen Schulwesen verankert werden.

Ewald Guido Fischer

Nahezu 50 Millionen Personal Computer stehen in ganz Europa gegenwärtig im Einsatz. Bis zum Jahr 2000, so haben EU-Experten errechnet, wird jeder zweite Arbeitsplatz mit einem PC ausgestattet sein. Auch in Österreich verläuft die Entwicklung in ähnlichen Bahnen. Wie aus Informationen der österreichischen Computer Gesellschaft hervorgeht, wurden allein im Jahr 1996 rund 280.000 PCs verkauft, womit sich die Gesamtzahl der in Österreich installierten Systeme auf mehr als eine Million erhöht.

Angewendet und benutzt wird der PC am Arbeitsplatz jedoch auf sehr unterschiedliche und individuelle Weise. Trotz immer mächtiger werdender Software beschränkt sich die Benutzung zumeist auf wenige Funktionen in ein bis zwei Programmen, bei denen wiederum Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenbankabfragen an der Spitze liegen. Internationalen Untersuchungen zufolge nimmt die überwiegende Mehrheit der “IT-Worker” nur 20 Prozent der Funktionalität ihres PC in Anspruch, wobei unzureichende Kenntnisse und Fähigkeiten der Benutzung gleichzeitig zu stark anwachsenden Betriebs- und Instandhaltungskosten in der Wirtschaft führen.

Mit einer gesamteuropäischen Initiative wird nun erstmals ein allgemein gültiger Ausbildungsstandard für den beruflichen Umgang mit dem Computer geschaffen und dem Computerbenutzer ermöglicht, ein international anerkanntes Zertifikat - den Europäischen Computer-Führerschein - zu erwerben.

Der Europäische Computer-Führerschein (“European Computer Driving Licence”, kurz ECDL) gilt damit uneingeschränkt als erster Befähigungsnachweis, der seinem Inhaber bestätigt, über alle grundlegenden Fähigkeiten zu verfügen, die für die effiziente und richtige Anwendung des Computers in Wirtschaft und Verwaltung benötigt werden.

Eine gesamteuropäische
Initiative

Träger der ECDL-Initiative ist unter der Patronanz der EU-Kommission der Dachverband der europäischen Informatikgesellschaften CEPIS (Council of European Professional Informatics Societies), dem gegenwärtig 21 Institutionen aus 17 Staaten mit insgesamt mehr als 350.000 Mitgliedern angehören. Der von der CEPIS eingerichteten ECDL-Taskforce (seit 1996: ECDL-Foundation) ist es in den vergangenen zwei Jahren gelungen, ein Rahmenwerk zu entwickeln, in dem einerseits die Grundanforderungen der Computer-Benutzung definiert und andererseits die Richtlinien zur Erlangung des Europäischen Computer-Führerscheins festgelegt werden. Die Aufgabe der Schulung und Ausbildung übernehmen dabei ebenso wie die “Führerscheinprüfungen” die von den nationalen Mitgliedsverbänden der CEPIS autorisierten “Test Center”.

Auf seine Praxistauglichkeit geprüft wurde das ECDL-Programm mit seinen PC-Ausbildungsstandards im Rahmen der EU-Forschungsprojekte ESPRIT und LEONARDO DA VINCI. In seiner von der CEPIS approbierten Form beruht der Europäische Computer-Führerschein auf insgesamt sieben Teilprüfungen, von denen jede für sich absolviert werden kann. Geprüft werden dabei neben den Grundlagen der Informationstechnik und der Computerbenutzung mit den Betriebssystemfunktionen die Fähigkeit, mit den im Berufsleben am weitesten verbreiteten Anwendungen umgehen zu können: Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, Datenbanken, Präsentation und Grafik sowie Informations- und Kommunikationsnetzen, zu denen nicht zuletzt die Technologien des Internet und des World Wide Web zählen.

Österreich ist in der CEPIS durch die österreichische Computer Gesellschaft (OCG) repräsentiert, die damit auch zur Drehscheibe der heimischen ECDL-Aktivitäten wird. Als nationale Mitgliedsorganisation der im Rahmen der CEPIS errichteten ECDL-Foundation autorisiert die OCG Österreichische Test Center zur Durchführung von Prüfungen, sorgt für die kontinuierliche Qualitätssicherung der Ausbildung und stellt auf Basis der erfolgreich bestandenen Prüfungen der Kandidaten ECDL-Zertifikate aus.

ECDL Test Center
werden in ganz Österreich autorisiert

Vorrangiges Ziel ist in dieser ersten, jetzt beginnenden Phase gemeinsam mit der Autorisierung von Schulungs- und Ausbildungszentren die Errichtung einer österreichweiten Infrastruktur, die Beschäftigten mit und ohne bisherige Computerausbildung bzw. auch Schülern österreichischer Ausbildungsstätten die Möglichkeit bietet, einen persönlichen Befähigungsnachweis zu erwerben und somit ihre Chancen im Berufsleben besser wahrnehmen zu können.

“Die österreichische Computer Gesellschaft übernimmt mit der Einführung des Europäischen Computer-Führerscheins eine Aufgabe, der in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation besondere Bedeutung zukommt”, erklärt der Präsident der österreichischen Computer Gesellschaft, Universitätsdozent Dr. Veith Risak. “Die moderne Gesellschaft und mit ihr die Wirtschaft benötigt Menschen, die den Umgang mit dem Computer beherrschen und dieses neue Basiswerkzeug unserer Zivilisation optimal einzusetzen verstehen. Die ECDL-Initiative gibt dabei jungen Menschen, die ins Berufsleben eintreten, ebenso wie Berufstätigen mit und ohne Computerausbildung Gelegenheit, die in der Praxis benötigten Kenntnisse zu erwerben und mit einem in ganz Europa anerkannten Zeugnis zu dokumentieren.”

Im besonderen hebt der OCG-Präsident die Bedeutung der European Computer Driving Licence für den Wirtschaftsstandort Österreich hervor. “Für die Wirtschaft und damit den heimischen Arbeitsmarkt bedeutet die höhere Qualifikation der Mitarbeiter auf einem allgemeingültigen Ausbildungsniveau, wie sie durch den Computer-Führerschein gewährleistet wird, beträchtliche Vorteile. Unsicherheitsfaktoren bei der Einstellung oder Umschulung von Mitarbeitern können damit ebenso vermieden werden wie hohe Einschulungskosten. Dem Berufstätigen selbst eröffnet der Computer-Führerschein neue Chancen in seinem Beruf und in einem beruflichen Fortkommen.” Mit der Einführung des Europäischen Computer-Führerscheins werden auf diese Weise wichtige ideelle Ziele verfolgt, die der Verbesserung des Ausbildungsniveaus des einzelnen und damit der künftigen Informationsgesellschaft dienen, hebt der OCG-Präsident hervor.

Der Generalsekretär der OCG, Ministerialrat Dr. Walter Grafendorfer, begrüßt die Zustimmung und Akzeptanz, die der ECDL-Initiative schon wenige Monate nach ihrer Etablierung in Österreich zuteil werden: “Wir freuen uns über die Befürwortung, die der Computer-Führerschein auch von offizieller Seite findet. Besonders hervorheben möchte ich hier die tatkräftige Unterstützung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr sowie das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Sehr erfreulich ist auch, daß es uns gelungen ist, schon die jetzt beginnende erste Phase des Projektes gemeinsam mit einer Reihe von Schulungs- und Ausbildungszentren in Angriff nehmen zu können, die für ihr hohes Qualitätsniveau bekannt sind und in der Berufs- und Erwachsenenbildung einen hervorragenden Ruf genießen. Von besonderer Bedeutung ist es für uns auch, daß wir in sehr konstruktiven Gesprächen eine praktikable Lösung gefunden haben, um auch österreichischen Schülern, den Zugang zum Europäischen Computer-Führerschein zu erleichtern.”

Ein flexibles Konzept

Zur Erlangung des Europäischen Computer-Führerscheins sieht das ECDL-Programm ein Höchstmaß an Flexibilität vor: “Wir haben Vorsorge getroffen, daß der Weg zum Computer-Führerschein prinzipiell allen offensteht”, erklärt Dr. Grafendorfer. “Durch das von uns angestrebte österreichweite Aus- und Weiterbildungsangebot werden Arbeitnehmer und Arbeitsuchende die gleichen Chancen vorfinden wie Schüler und Studenten, die vor dem Eintritt ins Berufsleben stehen. Computer-Erstanwender werden dabei zwischen unterschiedlichen praxisorientierten Ausbildungsformen wählen können. Wer bereits mit dem Computer und seinen Anwendungen vertraut ist, wird die Möglichkeit erhalten, auf verkürztem Weg und sogar ohne den Besuch von Kursen zu seinem Zeugnis zu gelangen.”

Ein wesentliches Element für diese Flexibilität wird durch die Skills Cards geschaffen. Skills Cards sind Teilprüfungskarten, in denen dem Kandidaten jede einzelne bestandene Prüfung in den sieben Teilgebieten “Grundlagen der Informationstechnologie”, “Computerbenutzung und Betriebssystemfunktionen”, “Textverarbeitung”, “Tabellenkalkulation”, “Datenbanken”, “Präsentation und Grafik”, “Informations- und Kommunikationsnetze” bestätigt wird. Hat er alle sieben Teilprüfungen erfolgreich abgeschlossen, sendet er die mit den entsprechenden Eintragungen versehene Skills Card an das ECDL-Büro und erhält von dort mit dem Europäischen Computer-Führerschein sein international anerkanntes Zertifikat.

“Mit dem Konzept der Skills Card wird besonders auf das unterschiedliche Ausbildungs- und Wissensniveau Rücksicht genommen, wie es heute für den beruflichen Umgang mit dem Computer charakteristisch ist”, erläutert der ECDL-Koordinator (ECDL-Project Leader) in der Österreichischen Computer Gesellschaft, Universitätsdozent Dr. Gerald Futschek. “Der Computer-Führerschein-Bewerber erhält damit die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, in welcher Reihenfolge er die einzelnen Prüfungsmodule auf seinem Weg zum Computer-Führerschein absolvieren möchte. Benötigt er beispielsweise für seinen Arbeitsplatz einen allgemeingültigen Nachweis, daß er im Internet zu kommunizieren versteht, dann empfiehlt es sich, vorrangig mit dem Modul 7 die Teilprüfung “Informations- und Kommunikationsnetze” zu absolvieren.”

Praxisrelevante Fertigkeiten stehen im Vordergrund

Geprüft werden im Rahmen der sieben ECDL-Module nicht theoretisches Wissen, sondern anwendungsorientierte Fertigkeiten (“skills”), betont ECDL-Project Leader Dr. Futschek. “Bei den Prüfungsaufgaben im Modul Datenbanken geht es beispielsweise darum, eine Datenbank abzufragen, Datensätze hinzuzufügen oder Datensätze zu löschen und somit um den Nachweis praktischer Fähigkeiten, die zum essentiellen Rüstzeug im Umgang mit dem Computer gehören.” Vom persönlichen Ausbildungsstand und den individuellen Erfordernissen abhängig ist deshalb auch der zeitliche Rahmen, den der Kandidat für den Erwerb des Europäischen Computer-Führerscheins zu kalkulieren hat. “Es wird Bewerber geben, die alle sieben Teilprüfungen innerhalb eines Jahres ablegen. Anfänger, die über keinerlei Kenntnisse verfügen, werden anhand eines passenden Kursprogramms einen entsprechend längeren Zeitraum zu veranschlagen haben”, erläutert Dr. Futschek.

Die gegenwärtigen Schulungs- und Weiterbildungsprogramme werden durch die Einführung des Europäischen Computer-Führerscheins nicht beeinträchtigt, sondern gefördert und optimiert, hebt man in der Österreichischen Computer Gesellschaft hervor. “Wir kennen heute im wesentlichen zwei Formen der Computerschulung”, erklärt ECDL-Koordinator Dr. Futschek. “Während es bei der einen um die Vermittlung von theoretischem Wissen geht, konzentriert sich die andere vorwiegend auf die Anwendung von spezifischer, produktbezogener Software. Die ECDL-Foundation definiert hingegen produktunabhängige Standards und Grundfertigkeiten, die eine spätere produktspezifische Schulung im Betrieb erleichtern und in jedem Fall positiv beeinflussen. Darüber hinaus bietet sich den von der Österreichischen Computer Gesellschaft autorisierten Prüfungszentren auch die Möglichkeit, einzelne ECDL-Module in bestehende Ausbildungsprogramme zu integrieren.”

In Österreich will man an internationale Erfolge
anknüpfen

Als “Vorzugsschüler” bei der Erlangung des Europäischen Computer-Führerscheins erweisen sich die Skandinavier, die im internationalen Vergleich auch die höchste Computerdichte - bezogen auf die Gesamtbevölkerung - aufweisen. So konnten in Schweden, wo die ECDL-Initiative Ende August 1996 gestartet wurde, bis Mitte dieses Jahres bereits rund 60.000 Skills Cards ausgestellt werden und damit die gesteckten Ziele bei weitem betroffen werden. Große Industrie- und Handelsunternehmen unterstützen und fördern den Erwerb des Computer-Führerscheins dabei ebenso wie öffentliche Einrichtungen und der Ausbildungssektor selbst, in dem bereits mehr als 400 approbierte ECDL-Test-Zentren eingerichtet sind. In Schweden weist man bereits heute darauf hin, daß der Vorweis des ECDL-Zertifikats und damit eines Befähigungsnachweises für den richtigen Umgang mit einem Arbeitsplatzcomputer in Zukunft für viele Berufe wichtiger sein wird als der Besitz eines Kraftfahrzeugführerscheins.

Ebenso erfolgreich setzt sich der Europäische Computer-Führerschein in Finnland durch, das mit seinen ECDL-Vorläuferprojekten Pionierarbeit geleistet hat und heute schon auf mehr als 35.000 Besitzer eines Zertifikats mit allen sieben Teilprüfungen verweisen kann. Positive Aufnahme findet die ECDL-Initiative über die skandinavischen Staaten hinaus auch in Großbritannien, Frankreich und Italien. Und während sich ECDL in Deutschland und der Schweiz gegenwärtig in der Konstituierungsphase befindet, arbeitet die österreichische Computer Gesellschaft bereits an einem Maßnahmenkatalog mit, der den Europäischen Computer-Führerschein auch in den Nachbarländern Mittel- und Osteuropas etabliert.

Die Erwartungen der OCG und der ersten österreichischen Bildungsinstitutionen, die ECDL-Schulungs- und Ausbildungsprogramme anbieten, sind dementsprechend hochgesteckt: “Wir haben für Österreich einen Bedarf von rund 900.000 Computer-Führerscheinen errechnet”, erklärt der ECDL-Koordinator in der OCG, Universitätsdozent Dr. Futschek. “Wir gehen heute davon aus, daß wir in den kommenden Jahren zumindest 100.000 Kandidaten ihre European Computer Driving Licence aushändigen können.”

ECDL im österreichischen Schulwesen

Wie sich aus zahlreichen Aussagen von Vertretern der Sozialpartner, insbesondere der Arbeitgeberseite, hervorgeht, wird die österreichische Wirtschaft den Europäischen Computer-Führerschein schnell als eine wichtige Zusatzqualifikation anerkennen und bei Vorstellungsgesprächen auf den ECDL achten. Es war daher ein erklärtes Ziel der Österreichischen Computer Gesellschaft, bereits in der Startphase mit Vertretern des heimischen Schulweses ein Konzept zu erarbeiten, das eine Integration des Ausbildungsweges zum Europäischen Computer-Führerschein auch in den heimischen Schulen vorsieht.

Dieses Konzept, das kürzlich vereinbart wurde, sieht vor, daß sämtliche ECDL-Aktivitäten im heimischen Schulwesen von einem Verein übernommen werden. Dieser “Verein zur Förderung der ECDL an Schulen” wird sich in allen Bundesländern um die Weiterbildung der Lehrer kümmern. Kurzfristiges Ziel ist es, daß ECDL-Kursinhalte, soweit sie nicht durch den Lehrplan abgedeckt werden, in Form von Freigegenständen an Schwerpunkt-Schulen angeboten werden. Speziell ausgebildete Vereinsmitglieder werden in den einzelnen Bundesländern auch für die Abnahme der Prüfungen verantwortlich sein. Deren Ausbildung wiederum wird durch die Österreichische Computer Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem pädagogischen Institut des Bundes in Wien sowie der Versuchsanstalt für EDV an der HTBLVA Wien 5, Spengergasse, vorgenommen. Der OCG obliegt auch die Abnahme der Prüfung für diese Fachleute.

Nähere Informationen

Österreichische Computer Gesellschaft

* 1010 Wien, Wollzeile 1-3

( 01-512 02 35 Fax: -9

E* info@ecdl.at

4 http://www.ecdl.at/