Multimedia -Tage 97 in Linz


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Die von der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten veranstalteten Multimedia –Tage fanden parallel zur Bildungsfachmesse Interpädagogica 1997 in Linz statt. Sie bildeten ein interdisziplinäres Forum der Diskussion und der Verbreitung von Information über Einsatz, Forschung und Entwicklung von Multimedia-Technologie im Unterricht und richteten sich an alle, am Thema “Neue Medien im Unterricht” Interessierte, d.h. Lehrer, Lehrerausbildner, Vertreter aus dem Schulmanagement, Wissenschaftler und Produzenten von Multimedia-Applikationen für den Bildungsbereich.

Anton Reiter

Im Rahmen von Vorträgen von nationalen und internationalen Experten sowie in Form von Demonstrationen und Workshops wurden die Themenkreise

erörtert. Tagungsort am 13. 11. war das Design-Center in Linz, am 14. 11. die Pädagogische Akademie der Diözese Linz. Der Besuch der Multimedia-Tage97 war kostenlos, mit der Anmeldung auch ein kostenloser Besuch der Fachmesse Interpädagogica verbunden.

Unter der Moderation von Prof. Mag. Anton Knierzinger, Leiter des Programmkonitees und auch für die Organisation der Tagung mitverantwortlich, wurden zunächst von Herrn MinR Dr. Walter Heginger (BMUK) Grußworte (auch) in Vertretung von Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer überbracht, vom Direktor der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz, HR Dr. Siegfried Wlasaty, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf das herzlichste begrüßt, anschließend hielt der Amtsführende Präsident des Landesschulrates für Oberösterreich, HR Dr. Johannes Riedl, ein Plädoyer für die Selbstbestimmung des Einzelnen im Informationszeitalter. Dr. Riedl unterstrich, daß auch im ”nachalphabetischen Zeitalter” Schule (noch immer oder erst recht) ”in” sei – in bewußter Abkehr zu dem von ihm zitierten Buch von Louis Perelman ”School‘s out” (1992). Dr. Riedl zitierte u.a. den Essener Philosophieprofessor Dr. Norbert Bolz (“Das kontrollierte Chaos”), den amerikanischen Kommunikationswissenschafter Neil Postman, der seit fast zwei Jahrzehnten die Informationsüberflutung des Geistes durch die neuen Medien kritisiert sowie den Bremer Informatikprofessor Dr. Klaus Haefner, der nach dem ”Computerführerschein für alle” Mitte der 80er Jahre nun den ”Homo sapiens informaticus” zum Sinnbild zeitgemäßer Bildung erhebt. Dr. Riedl erwies sich nicht nur als Kenner der Fachliteratureratur, sondern forderte auch die Selbstbstimmung des Einzelnen im Informationseitalter.

Bernard Cornu‘s in Englisch vorgetragene Key Note Address ”The Impact of New Media on Education - International Trends” in Form einer (von Mag. Knierzinger methodisch nachbereiteten) Power-Point-Präsentation gab der Tagung internationales Format, wenngleich Slogans wie ”Lifelong Learning” oder ”Cooperative Working” inzwischen als überstrapaziert gelten. “Die Informations- und Kommunikationstechnologien haben nachhaltigen Einfluß auf das Lehren und Lernen, die Schule (von morgen) und das Wissen”, sagte Cornu. Sein Credo ”A Walkman makes you deaf, a screen makes you blind, internet makes you handicaped. Make multimedia!” erinnerte sehr an einen Werbespot, mag allerdings mit seinem Engagement in der Lehreraus und -fortbildung am Institut de Formation de Maitres in Grenoble zu tun haben. Der Lehrer von morgen ist “advicer, organizer, leader, manager, etc.”. Der Entwicklungstrend verlaufe, wie Cornu skizzierte, ”from paper to digital information, from static to dynamic information”. Sein Vortrag war stark zukunftsorientiert, denn wenn vielerorts – nicht nur in Frankreich - in den Schulen die Hard- und Software-Voraussetzungen fehlen, bleibt auch die beste Lehrerausbildung nur eine Option für die Zukunft.

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Nach der Pause hätte der Wiener Universitätsprofessor Dr. Thomas Bauer (Vorstand des Institutes für Publizistik und Kommunikationswissenschaft) zum Thema “Medienpädagogische Reflexionen zu Multimedia” referieren sollen. Doch Prof. Bauer kam erst gar nicht (nach Linz?), sein Ausfall konnte einigermaßen überbrückt werden.

Den Vortragsteil am 1. Tag beschloß Prof. Dr. Max Müllhäuser von der Johannes-Kepler-Universität Linz mit dem Referat “Auf die Pädagogik rückwirkende technologische Perspektiven”. “Daß die neuen Technologien unser Leben verändern, kann inzwischen als allgemeingültige Aussage bewertet werden”, sagte Müllhäuser. Die wichtigste Veränderung sei die der Chips resp. der Mikroelektronik. Müllhäusers Szenario der Verschmelzung der Informatik mit der Telekommunikation und Unterhaltungselektronik stellt sich längst als Entwicklungstrend dar. Seine Typologie des Knowledge Workers, Teamworkers und Networkers im Hinblick auf den Umgang mit Informationen verband er mit dem Umstand, daß Information ein Wirtschaftsfaktor geworden sei. Auch der Lehrer müsse sich im Informationszeitalter ständig weiterbilden, so wie sich seine Funktion resp. die Lehrerrolle geändert hat. Multimedia im speziellen könne aus Zeit- und Kostengründen nicht selbst von den Lehrern erstellt werden. In Zukunft komme dem elektronischen Klassenzimmer, dem Lernen im Netz, der virtuellen Schule immer mehr Bedeutung zu, sagte Müllhäuser. In der Informationsgesellschaft gäbe es längst kein Weiter ohne Bildung und keine Bildung ohne Informations- und Kommunikationstechnologien mehr.

Wie das pädagogische Ambiente der Zukunft aussehen könnte, wurde im Rahmen einer guided tour im Ars Electronica Center (AEC) veranschaulicht. Den Tagungsteilnehmern wurden mit dem Flug über eine virtuelle Stadt in VR-Ausrüstung (Datenbrille und -handschuh), dem Anblick dreidimensionaler Scheinwelten im Cave oder beispielsweise mit der Steuerung via Internet eines Roboterarmes zum Gießen des Telegartens eine Vielzahl an Cyber-Eindrücken vermittelt. Mit dem vom BMUK kulinarisch ausgerichteten Empfang im AEC fand der erste Multimedia-Tag seinen Abschluß.

Die Pädagogische Akademie der Diözese Linz (Salesianumweg 3), wo auch das Institut für Schule und neue Technologie untergebracht ist, war Veranstaltungsort des 2. Tages. In vier Streams, nämlich “Internet”, “CD-ROM als Medium”, “Multimedia-Projekte” und “Schulteilnahme an EU-Projekten mit Technologieschwerpunkt”, wurden jeweils Kurzvorträge gehalten. Der Verfasser nahm am Stream 2 ”CD-ROM als Medium” teil. Prof. Alois Bachinger, Mitglied des Organisationskomitees zur Ausrichtung der Multimedia-Tage, referierte zum Thema “Lehrer erstellen eine Multimedia-Applikation”. Bachinger stellte dabei das von ihm mitentwickelte Multimedia-Programm auf CD-ROM “Interaktiv durch Österreich”, ein Geographie-Lernspiel (ein Art Österreich-Quiz) ausführlich vor. Er zeigte auf, welche lerndidaktischen Aspekte ein Multimedia-Entwickler unbedingt zu berücksichtigen habe. So wird beispielsweise allen Spielern (für 10-14jährige Schüler konzipiert), die das Programm bis zum Ende durchgearbeitet bzw. die Fragen richtig beantwortet haben, am Schluß das Ergebnis auf einer Urkunde ausgedruckt.

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Prof. Dipl.-Ing. Wolfgang Scharl, Lehrer am TGM Wien 20 (im angeschlossenen Multimedia-Kolleg) referierte unter dem Titel “Autorensysteme zur Erstellung von CBT-Unterlagen”, wobei er das Autorensystem “Toolbook II” von Asymetrix näher vorstellte. Toolbook hat sich längst für die Entwicklung von Lehr- und Lernprogrammen als leistungsfähiges Autorensystem etabliert. Im Rahmen des Multimedia-Kollegs, das von der HGLA Leyserstraße, Wien 14, und dem TGM, Wien 20, getragen wird, kommt Toolbook II bei der Entwicklung von CBT-Anwendungen zum Einsatz.

Prof. Dr. Klaus Peters, Herausgeber der Zeitschrift “Tell & Call” und Obmann des gleichnamigen Vereins zur Förderung des technologieunterstützten Unterrichtes, berichtete unter dem Titel “Feldversuch zum Einsatz neuer Medien” (auf CD-ROM) vom gleichnamigen Evaluationsprojekt am GRg Wien 4 (ein ausführlicher Beitrag von Dr. Peters dazu wurde in der September-Ausgabe der vom BMUK herausgegebenen Zeitschrift “Medienimpulse” veröffentlicht). Als positive Schlußfolgerungen aus der Einführungsphase des Feldversuches nannte Dr. Peters unter anderem

hervorruft.

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Negativ sei, sagte Dr. Peters, daß nun ein Vielfaches an Vorbereitungszeit (zum Kennenlernen der CD-ROM-Titel, Auswählen relevanter Unterrichtsinhalte, Festlegen der interaktiven Lernschritte etc.) gegenüber einem Regelunterricht erforderlich ist; hinzu kommen vor allem technische Probleme (wie mitunter Systemabstürze oder Installationsprobleme aus Kompatibilitätsgründen). Mittels Video-Beamer-Einsatz können CD-ROMs allerdings im Klassenverband bzw. im Frontalunterricht durchaus didaktisch sinnvoll eingesetzt werden, sagte Dr. Peters. Zudem sei auch an die Schulung der Lehrer zu denken, die derzeit mit den neuen Medien noch zu wenig vertraut sind.

Die Kurzvorträge in Stream 2 wurden mit dem Referat von Frau Prof. Mag. Ilse Schneidinger zum Thema “Die CD-ROM im Deutschunterricht” abgeschlossen. Mag. Schneidinger stellte zunächst das seit drei Jahren an der HTL Wien 22 unter der Mitarbeit des Verfassers von der Sektion II im BMUK initiierte CBT-Projekt unter Einsatz von Notebooks vor und kam dann auf die von ihr im Deutschunterricht verwendeten CD-ROMs zu sprechen. Mit ihrer Aufzählung verband Mag. Schneidinger gleichzeitig eine Klassifizierung in

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Sie erwähnte die Titel “Neue Rechtschreibung spielerisch” (Mentor-Verlag), “Rechtschreibung 2000” (Heureka-Klett), verwies auf das elektronische Lexikon MS Encarta, den “Großen Kulturfahrplan” (Ullstein/United Soft Media), Lexirom (Microsoft/Duden/Meyer). “Was die CD-ROM vom Buch unterscheidet”, sagte Mag. Schneidinger, “ist die Verknüpfungsmöglichkeit von Bild, Film, Text und Tonmaterial”. Sie erwähnte auch, daß sie bereits mehrmals Schülern aus der Klasse den Auftrag erteilt habe, eine dieser CD-ROMs der Klasse (von Schüler zu Schüler) vorzustellen.

Unter Hinweis auf die vom Reclam-Verlag auf CD-ROM-Basis herausgegebenen Klassiker hob Mag. Schneidinger vor allem die Hypertext-Funktion der elektronischen Bücher hervor, die zahlreiche Suchwerkzeuge anbieten. Zudem könne man sich Texte ausdrucken und in eigene Texte bausteinhaft einbinden. CD-ROMs, die Autoren in den Mittelpunkt stellen, wie beispielsweise “Thomas Mann. Rollende Sphären” (S. Fischer) oder Heinrich Heine “Zeit, Leben, Werk” (Heureka-Klett) seien durch den größeren zeitlichen (Vorbereitungs-)Aufwand, den sie erfordern, in den Unterrichtsstunden eher nur beschränkt einsetzbar. Als Musterbeispiel für ein fächerübergreifendes Arbeiten im Rahmen eines Projektes wies Mag. Schneidinger auf die vom BMUK (gemeinsam mit Culture Codes) herausgebrachte CD-ROM “Mit anderen Augen” hin, in der eine Fülle von Text-, Bild- und Tonmaterial enthalten ist. Aber auch in den Bereichen der Kunst, sagte Schneidinger, gäbe es virtuelle Führungen, wie z.B. durch den Louvre (Verlag Montparnasse Multimedia). Längst verwendet die Autorin auch das Internet im Deutschunterricht, wobei sie auf die Vielzahl an verfügbaren Bildungsservern verwies, auf spezielle Internet-Projekte wie etwa das ”Projekt-Gutenberg” (http://www.uni-hamburg.de/
gutenbe/gutenbe.htm
). Mag. Schneidinger empfahl den Zuhörern das von Jens Hildebrand bereits in 3. Auflage erschienene Buch “Internet-Ratgeber für Lehrer” (Aulis Verlag).

Nach der Pause fanden anschließend parallel insgesamt 10 Workshops statt, zu Themen wie beispielsweise “Multimedia-Informationen wirkungsvoll gestalten” mit Ing. Günther Molzar von der HGLA Wien Leyserstraße, der zusammen mit Frau Prof. Mag. Elfriede Tannhofer auch während der Interpädagogica an allen drei Tagen eine Messezeitung im A3-Format mit aktuellen Beiträgen herausgab, die “Schul-Homepage”, die aufgrund des großen Andranges zwischen Prof. Mag. Hans Adam vom BORG Monsbergergasse in Graz und Webmaster Astrid Leb vom IST Linz gesplittet werden musste. SONY-Austria gestaltete den Workshop “Digitale Fotografie”, wobei die neue Digitalkamera von Sony, die Mavica FD7 (speichert die Daten auf eine 3 1/2 Zoll Floppy Disk) vorgeführt und den Teilnehmern die Möglichkeit eingeräumt wurde, eigene elektronische Bilder zu schießen. Die FD7 wird übrigens auch vom Autor seit der Informationstagung Mikroelektronik 97 (15. und 16. 10. 1997) für Dokumentationszwecke eingesetzt. Während der Interpädagogica wurden einzelne Digitalbilder im JPG-Format in der schon erwähnten Messezeitung plaziert, ein Bericht über die vom Verfasser für Testzwecke Mag. Werner Krause zur Verfügung gestellte Mavica FD7 findet sich in der Ausgabe 55 der Zeitschrift PC NEWS, die am BMUK-Stand persönlich vom Herausgeber Prof. Dipl.-Ing. Franz Fiala während der Messe verteilt wurde.

An der abschließenden Plenumsdiskussion, an der der Unterzeichnete wegen einer Verpflichtung bei der Interpädagogica nicht teilnehmen konnte, wurde zum Thema “(Über-) Leben im Netzwerk Schule” in Form von Impuls-Referaten unter Teilnahme von Univ.-Prof. Dr. Jörg Mühlbacher und HR. Dr. Johannes Riedl diskutiert.

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Die schon angesprochene Verpflichtung des Verfassers betraf die Teilnahme an der vom Kommunikationszentrum für elektronische Medien (KEM) am BMUK-Stand veranstalteten Videokonferenz. Unter der Regie von Prof. Mag. Dr. Manfred Wöhrl wurde über ISDN-Standleitung konferiert. Der Messestand des KEM war mit dem BRG Wien 22 (Leitung: Direktor HR Mag. Alfred Mathuber) verbunden, wo sich Mag. Gerald Kurz mit einer Schülergruppe aufhielt. Bereits bei der letzten Studien- und Berufsinformationsmesse in der Wiener Stadthalle standen die von KEM und dem BRG Wien 22 an drei Tagen vorgeführte Videokonferenz im Mittelpunkt des Messegeschehens. Die Sessions bei der Interpädagogica betrafen die Themen ”Wie gestaltet man eine Reportage?” sowie ”Die Sporthauptschule Linz-Kleinmünchen grüßt Linzer Fußballer in Wien”. Dr. Brandstätter vom ORF-Landesstudio Linz erläuterte den über Videokonferenz erreichbaren Schülerinnen und Schülern am BRG Wien 22 allfällige, bei einer Berichterstattung zu berücksichtigenden Kriterien, wenn es beispielsweise um das Thema “Rauchen” geht: “Wenn man einen Film über das Rauchen dreht, müssen unbedingt die Zigaretten ins Bild kommen, man darf sich nicht nur auf die Köpfe der Raucher beschränken”, erklärte der ORF-Journalist unter der Prämisse, daß das Rauchen gesundheitsgefährdend ist.

Betreut wurden die Schüler am KEM-Stand von Prof. Mag. Hans Scholda (BRG Wien 22) und HS-Lehrer Eduard Stangl, die mit den in Wien befindlichen Fußballern Brunmayr (von Austria Memphis Wien) und Scheiblehner (von Prater Memphis), beides gebürtige Linzer, über ihre heutige Verbundenheit zur Heimatstadt Linz und die fußballerischen Erfolge plauderten. Bedauerlicherweise konnte das Konferenzgeschehen aus Platzmangel nicht über Lautsprecherboxen hörbar verfolgt werden, da am Nebenstand die Redakteure der Messezeitung intensiv bei der Arbeit waren. Das KEM stellte insgesamt seine mehrjährige Erfahrung mit Videokonferenzen und das technische Know-how eindrucksvoll unter Beweis und wird auch bei einer großen internationalen Veranstaltung der IFIP (International Federation for Information Processing) zum Teleteaching im Sommer 1998 seine Supportfunktion zur Verfügung stellen.

Weitere Informationen zu den Multimedia-Tagen können am Bildungsserver des Institutes für Schule und neue Technologien an der PÄDAK der Diözese Linz unter http://www.asm-linz.ac.at/mmtage97
eingeholt werden.

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