Inserat Fric
Gewalt in Computerspielen
Tatort Familie
Wolfgang Scharl
Die Gewalt in Computerspielen - gepuscht von der Unterhaltungsindustrie - ist Alltag in unseren Wohnzimmern. Nicht unähnlich wie der Umgang der Gesellschaft mit anderen Tabuthemen wie Inzest, Alkoholismus oder dem Prügeln von Frau und Kind wissen alle davon und versuchen doch es zu verdrängen. Manchmal hält man inne und fragt sich warum denn das so sei, doch üblicherweise bleiben solche Fragen rhethorisch und man beruhigt sich mit der Feststellung, daß sowieso alles in Ordnung sei.
So bleibt die Frage, wie wir damit umgehen. Das Problem ist: alle wissen, daß hier etwas grundsätzlich falsch läuft, aber niemand hat eine Idee wie man das ändern könnte.
Auf einer Tagung zum Thema “Digital Illusion” 1994 stellte eine Teilnehmerin die Frage in den Raum “Warum sind Computerspiele so gewalttätig?” Drei Personen stellten sich dieser Frage – allesamt Spieledesigner – und argumentierten gewissermaßen zu ihrer Verteidigung. Überflüssig zu sagen, daß alle drei Männer waren. Der erste antwortete mit dem klassischen Argument: “Der Markt verlangt es so”. Der zweite lamentierte: “Wir wissen nicht warum, aber wir tun es eben so”. Der letzte sprach in seinem Statement die geschlechtsspezifischen Unterschiede an: “Wir wissen, Buben schießen gern, während Tetris das populärste Spiel für Frauen ist, aber keiner weiß warum das so ist.”
An diesen drei Antworten entwickelt Celia Pearce im englischsprachigen Buch “Digital Illusions” von Clark Dodsworth, erschienen bei Addison-Wesley ihre Abhandlung über Gewalt und geschlechtsspezifische Sichtweisen von Computerspielen. Mit einsichtiger Argumentation und einer pointierten Sprache stellt sie die faulen Argumente, mit denen auf ausgetretenen Pfaden bequeme Jagt nach dem schnellen Geld gemacht wird, bloß. (“Der Markt verlangt nach Crack, wir sollten es trotzdem nicht produzieren.”) Die erfolgreichsten Computerspiele wie Mysth kommen bekanntlich ohne Gewalt und Aktion aus.
Erfreulich, daß sie dabei nicht in das übliche Weltuntergangsgeheule einstimmt (“Es gab noch nie so viel Gewalt in den Medien.....!”) sondern auch darauf hinweist, daß die Gewalt im Entertainment in früheren Zeiten eine wesentlich bedeutendere Rolle gespielt hat. So ist das Alte Testament eine einzige große Kriegsgeschichte, die griechischen Heldensagen strotzen vor unglaublichen Grausamkeiten, die meisten Shakepeare Dramen enden mit einem Blutbad und von den Gladiatorenkämpfen über die Hexenverbrennungen, den öffentlichen Hinrichtungen bis zu den spanischen Stierkämpfen floß Blut zur Unterhaltung der Allgemeinheit.
Das ist – in groben Umrissen – einer von 35 Artikeln, die in “Digital Illusions” von Praktikern über Schlüsselaspekte der digitalen Unterhaltungsindustrie und deren Zukunft geschrieben wurden. Das Buch richtet sich vor allem an Anwender, die eigene Applikationen entwickeln. Der Themenbogen reicht von der Infrastruktur die neue Anwendungen erfordern, über Fortschritte bei Softwaretools, Multiplayersystemen, Netzwerken, Interface Design mit Avataren und Agenten und Aspekten der Hardwareentwicklung. Ein Kapitel über professionelle Anwendungen behandelt die wirtschaftlichen Aspekte aus der Sicht der Entwickler wie auch der Anwender und zeigt wie schnell sich die digitale Unterhaltungsindustrie zu einer Schlüsselrolle in unserer Wirtschaft entwickelt. Das Buch ist aber auch für jeden interessant, den das Potential von High-tech Spielen fasziniert.