Computer in der Grundschule

"Beim Einsatz von Computern als Unterrichtsmedien werden sowohl Kenntnisse im Umgang mit Computern erworben, Einstellungen und Haltungen geweckt, als auch sinnvolle Strategien zur Unterstützung des Unterrichtes eingesetzt"
(
Heinrich Legat 1988, S. 10).

Anton Reiter

1. Einleitung

Die Neuen Medien, allen voran der Multimedia Personal Computer mit Soundkarte und CD-ROM-Laufwerk sowie das Internet, sind vielfach schon Bestandteil der Erfahrungswirklichkeit der Kinder vor allem außerhalb der Schule. "Vereinzelt gibt es auch Grundschulen, die Schülerinnen und Schüler an diese neue Technologie heranführen, sei es, dass in einzelnen Klassen Computer zur Textverarbeitung oder mit Unterrichtssoftware genutzt werden, sei es, dass Computerräume eingerichtet worden sind, die von allen Klassen genutzt werden können"     (Büttner/Schwichtenberg 1997, S. 7). Von der zuständigen Abteilung I/1 im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird zum Computereinsatz in der Grundschule die Position vertreten, dass "der PC im Sinne eines "Tools" z.B. in Phasen des offenen Unterrichtes sowie bei individuellen und differenzierenden Übungen Anwendung finden" soll (BMUK 1997, S. 15).

Image109

Von der IFIP (International Federation for Information Processing, siehe im Internet unter http://www.ifip.or.at/) wurde bereits 1983 eine eigene Working Group "Informatics in Elementary Education" (WG 3.5) mit den folgenden Zielsetzungen (aims and scopes) eingerichtet:

1) to study the problems arising in informatics education and the use of the methods of informatics in the     training of teachers and teachers of teachers including teachers already in service;

2) to promote the development of informatics education material:

i)  for the primary/elementary school teachers,

ii) for the primary/elementary school curriculum, and this includes the use of the methods of informatics in all disciplines and the individualization of education;

3) to bring the problem of informatics education in primary/elementary schools to the attention of school administrators and appropiate authorities to whom they report (IFIP 1995, S. 28).

Image111

Ihren Niederschlag fanden diese Anregungen beispielsweise bei der "5th IFIP-World Conference on Computers in Education (July 9-13th, 1990)" in Sydney, als sogenannte "Fly on the Wall-Classrooms" u.a. auch mit Grundschülern während der gesamten Veranstaltung PC-unterstützte "Kreativ-Workshops" im Foyer des Konferenzzentrums in Darling Harbour durchführten. Den Besuchern wurde von den Kindern ein kleines Andenken überreicht. Ich bekam ein Stoffbild mit der Skyline von Sydney, das seinen Ehrenplatz bis heute behalten hat. Damals wurde augenscheinlich die an der Praxis orientierte anglo-amerikanische Haltung zum Computereinsatz in der (Grund-) Schule zum Ausdruck gebracht: "Teachers of young children must quickly come to terms with the fact that the children they teach are of the "Computer Age". It is no longer feasible for them to say that computers have no place in the kindergarten or first grade classroom. Clearly, computers are becoming as much a part of children's lives as are books and blocks" (Porter 1988, p.17). In Österreich distanzierten sich die offziellen Stellen von vornherein von der Einführung eines eigenen Unterrichtsgegenstandes "Informatik in der Grundschule", während die Etablierung von Projekten "bei denen unterschiedliche methodisch-didaktische Wege erprobt bzw. Unterrichtssoftware auf ihre Eignung überprüft werden", vom BMUK unterstützt wird (BMUK 1997, S. 15).

Für einen neuen Schub, den Computer in der Grundschule  einzusetzen, sorgte die Europäische Kommission im Jahre 1996 mit der Veröffentlichung des Aktionsplans "Lernen in der Informationsgesellschaft" (1996-1998), wonach das Lernen im Umgang mit dem Computer, den Multimedia-Anwendungen und vor allem auch dem Internet mehr gefördert werden soll. Alle Schulen in der EU, auch die Grundschulen, sollen miteinander vernetzt, Unterrichtsmaterial entwickelt und auch die Lehrer und Lehrerinnen besser ausgebildet werden. Im Rahmen der Durchführung dieses Aktionsplans organisierte die Europäische Kommission im Jahre 1997 erstmalig europaweite Netd@ys mit dem Ziel, der Öffentlichkeit die Möglichkeiten moderner Vernetzung und neuer Technologien bewusst zu machen. Die Veranstaltung Netd@ys 1998 Europe (17. - 24. Oktober 1998) bezieht sich hauptsächlich auf Primär- und Sekundarschulen einschließlich fach- und berufsbildender Institutionen (siehe im Internet unter     http://www.netdays.org/ bzw.      http://www.netdays.at/).


2. Computer in der Grundschule

In dem von Hartmut Mitzlaff 1996 herausgegebenen Handbuch "Grundschule und Computer" werden insbesondere die bundesdeutschen Erfahrungen anhand konkreter Projekte aus der Grundschulpraxis aufgezeigt und damit ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung der Diskussion des Computereinsatzes in der Grundschule ermöglicht. Von den Autoren wird die Ansicht vertreten, dass sich die Grundschule und auch die schulbezogenen Wissenschaften intensiv und kritisch mit den neuen Technologien auseinander setzen sollten. Mitzlaff betont in seinem Vorwort, dass die Zahl der Kinder zunimmt, die im Grundschulalter außerhalb der Schule mehr oder weniger intensiven Kontakt zu Computern pflegen. "Die moderne Grundschule formuliert für sich den pädagogischen Anspruch, ihren Unterricht an die Erfahrungswirklichkeit der Kinder anzubinden und ihnen Hilfen bei der Bewältigung und theoretischen Verarbeitung dieser erfahrenen Wirklichkeit zu bieten" (Mitzlaff 1996, Einleitung S. 11).

Die Bandbreite des genannten Buches erstreckt sich von Schilderungen über bisherige Entwicklungen des Computereinsatzes in deutschen Grundschulen über die Darlegung des pädagogisch-didaktischen Rahmens und Begründungszusammenhanges für die Arbeit mit Computern in verschiedenen Themen- und Handlungsfeldern des Grundschulunterrichtes sowie Erfahrungsberichten aus konkreten Projekten einzelner Lehrer bis hin zu der Vermittlung eines informationstechnischen Basiswissens über Hard- und Software. Aus österreichischer Sicht hervorzuheben ist der dort abgedruckte 10-jährige Erfahrungsbericht von Heinrich Legat, Direktor der Volksschule Graz-Gösting, der seit 1985 kontinuierlich den Schulversuch "EDV in der Grundschule" durchführt, betreut, evaluiert und dokumentiert und damit unumstritten der EDV-Pionier im österreichischen Grundschulwesen ist (siehe Legat 1996, S 301ff). Auch ein zweiter Band ist zu nennen, nämlich das im Jahre 1994 im Auer Verlag erschienene Buch von Franz Arenhövel "Computereinsatz in der Grundschule", das besonders auf die internationalen Aktivitäten eingeht.

Ergebnisse

Einige Erziehungs- und Unterrichtsziele der Grundschule können mit dem Computer unter Einsatz von kindgemäßer Software (Übungs- und Trainingsprogramme, Anwendungen, Simulationssoftware, interaktive Lernspiele etc.) zum Teil leichter, effektiver und auch (für Kinder) interessanter erreicht werden.

Softwarebezogene Nutzungsmöglichkeiten

Unterrichtsspezifische Einsatzbereiche

Die Kinder empfinden das Lernen, Üben und Schreiben mit dem Computer vielfach als eine Art Spiel. Doch erst durch die Auswahl der richtigen Inhalte und Arbeitsformen und eine entsprechende soziale Einbettung werden Computer in der Grundschule zum pädagogischen Medium.


3. Multimedia und Internet in der Grundschule

Multimedia bedeutet die digitale Zusammenführung von bisher verschiedenen Medienarten, nämlich Texte, Grafiken, Fotos, Videos, Animationen, Simulationen und Musik auf einer Plattform. Zum Inbegriff für Multimedia wurde inzwischen die CD-ROM als ein fast völlig verschleißfreies, optoelektronisches Speichermedium mit rund 650 MB Speichervolumen (entspricht ca. 390.000 Schreibmaschinseiten Text oder 74 Minuten Musik in hoher Qualität oder Tausenden von Farbbildern oder einigen Minuten Video oder einer Multimedia-Kombination dieser Elemente), deren Bandbreite von  elektronischen Büchern, multimedialen Nachschlagewerken über Sprachkurse, Kataloge und Reiseführer bis hin zu Lernsoftware reicht. Die DVD (Digital Versatile Disk) mit einem Datenspeicherpotential zwischen 4,7 und 17 Gigabyte wird früher oder später die CD-ROM ersetzen. Der Einsatz ausgewählter CD-ROM-Titel ist ein wesentlicher Aspekt des vom BMUK initiierten Evaluationsprojektes "Neue Medien in der Grundschule", auf das ich im nächsten Abschnitt zu sprechen komme.

Das Internet Schlagwort der Computerbranche der Jahre 1996 und 1997, ist das größte und bedeutendste Datennetz der Welt. Mit dem World Wide Web, dem populärsten und am stärksten boomenden Teil des Internet wird ein multimediales Informations- und Kommunikationssystem bereitgestellt, das längst auch für Unterrichtszwecke genutzt wird (siehe u.a. Hildebrand 1997). Über Hyperlinks können Bilder, Animationen, Sounddateien und sogar kurze Videosequenzen (ist wegen der langsamen Übertragungsraten des Telefonnetzes eher beschwerlich) aktiviert werden. Diesbezüglich ist auf das bundesdeutsche Internetprojekt "10.000 Schulen ans Netz" sowie auf die "Austrian School-Net-Initiative" hinzuweisen. Nach dem Stand vom Juli 1998 sind von den 3397 Volksschulen 373 an das Internet angeschlossen (entspricht einem Anteil von rund 11 %), 34 haben nach der BMUK-Statistik eine eigene Homepage (siehe unter http://www.bmuvie.gv.at/fssin.htm

Multimedia und Telekommunikation im weitesten Sinne sind technologische Innovationen, deren schulische (pädagogisch-didaktische) Evaluation auch für die Grundschule von Bedeutung ist, wie dies beispielsweise die Entschließungen der EU-Kommission und die OECD fordern.


Image111.JPG

4. Evaluationsprojekt "Neue Medien in der Grundschule"

Im Einvernehmen mit der Wiener Städtischen Magistratsverwaltung MA 56 und dem Stadtschulrat für Wien wurde von der Sektion V im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten unter meiner Leitung das Evaluationsprojekt "Neue Medien in der Grundschule" im Spätherbst 1997 gestartet.

Image120.JPG

Ziele und Maßnahmen

Der Computereinsatz an den Projektschulen erfolgt sowohl im Rahmen des sogenannten Computerraummodells (dies betrifft primär den Standort Aspernallee 5), als auch im Werkstatt- bzw. Lehrzonenbetrieb (1-3 Computer neben anderen Medien im Klassenraum). Die BMUK-Initiative zielt somit auf eine Evaluation beider in der Literatur kontroversiell dikutierten Varianten ab (siehe dazu auch. Legat 1996, S. 306).

Bis zum Jahre 2000 sollen unter dem Projekttitel "Wiener Bildungsnetz" alle öffentlichen allgemeinbildenden Pflichtschulen in Wien mit Multimedia Computern, Peripheriegeräten und Internetanschluss mit einem Kostenaufwand von rund 250 Millionen Schilling ausgestattet werden.


5. Auswahlliste an CD-ROM-Titeln

Die nachfolgende Übersicht enthält eine kleine Auswahl an CD-ROMs unter Anführung des jeweiligen Verlages/Herstellers, die den vier Projektschulen für Test- und Evaluationszwecke u.a. bereitgestellt wurden. Der jeweilige Einsatz im Unterricht wird entsprechend dokumentiert, erfolgreiche didaktische Nutzungsmöglichkeiten werden als probate Lehr- und Lern-Module in den jährlichen Projektbericht, der von den ProjektlehrerInnen gemeinsam mit den beiden wissenschaftlichen Betreuern erstellt wird, aufgenommen.


6. Erfahrungsberichte und Kommentare aus der BRD

Nachfolgend werden auszugsweise Positionen und Stellungnahmen vorwiegend von deutschen GrundschullehrerIinnen angeführt, die dem empfehlenswerten Buch "Computer in der Grundschule" (Hrsg. Christian Büttner/ Elke Schwichtenberg) entnommen sind.

Birgit Volp berichtet im Beitrag "Computer im Klassenzimmer?" über ihre konkreten Unterrichtserfahrungen und verweist auf die Einführung einer klaren Regelstruktur, um einen reibungslosen Umgang mit dem Computer zu gewährleisten. Interessant ist ihre Erhebung, wonach von 25 Kindern in der Klasse 20 einen Computer im eigenen Haushalt hatten, davon 10 mit dem PC alleine umgehen durften (Spiele), 10 nur in Gegenwart von Erwachsenen an den PC durften und nur 5 keine Erfahrung mit Computern hatten. Die Schüler nahmen selbst die Arbeit mit dem PC begeistert auf, beobachtete Volp, die Partnerarbeit klappte von Anfang an hervorragend (Volp 1997, S. 43f). Die Autorin machte die Beobachtung, dass die Schüler mit dem Text experimentierten: "Das gemeinsame Erstellen eines Textes (und sei er noch so gering im Umfang) brachte es mit sich, dass sich die Schüler über das Schreiben unterhielten. Sie besprachen die Form, Rechtschreibprobleme und sogar verschiedene Formulierungen" (Ebd. S. 44). "Unsere bisherigen Erfahrungen (die der Schüler und meine) haben gezeigt, dass der Computer im Klassenzimmer eine Bereicherung für den Unterricht darstellen kann. Die Arbeit mit dem Computer war und ist erfolgreich, wenn sie in den Arbeitsplan und die freie Arbeit integriert wird. So benutzt stellt der Computer ein Mittel unter anderen dar. Auch wenn ich zwischendurch von Zweifeln geplagt wurde", bekennt die Autorin, "ob ich auf dem richtigen Weg bin und die Kinder kompetent fördere, bin ich vom Einsatz des Computers in der Grundschule überzeugt. Unbedingt notwendig ist jedoch ein größeres Angebot von qualifizierter Fortbildung und Beratung der Grundschullehrer und Grundschullehrerinnen" (Volp 1997, S. 45).

Unter dem Titel "Der Computer im Deutsch-Unterricht der Grundschule" unterstreicht Inge Blatt, dass "der Computer im Unterricht nur in Verbindung mit den übrigen Lehr-, Lern-Kontext eine Wirkung in die eine oder andere Richtung erbringt" (Blatt 1997, S 72). Die Autorin verweist auf die neuen Anforderungen des Schreibens und Lesens mit dem Computer. In der Textverarbeitung steht nämlich ein elektronisches Schreibwerkzeug zur Verfügung, das vielfältige Möglichkeiten zur Layoutgestaltung bietet. "Der Gebrauch dieses Schreibwerkzeuges verlangt nicht nur eine Beherrschung der Technik, sondern auch die Fähigkeit, eigene Texte zu beurteilen, zu überarbeiten und abzuschließen", führt Blatt aus. "Über E-Mail-Adressen und sogenannte "Webseiten" im Internet können Menschen auf elektronischem Wege schriftlich kommunizieren bzw. Informationen anbieten und austauschen. Weltweite Verbindungen werden darüber in kürzester Zeit hergestellt. Die Nutzung verlangt wiederum technische Kenntnisse .... Die wohl weitgehendste Veränderung stellt die neue Textsorte "Hypertext" dar. Sie besteht aus einzelnen Informationseinheiten, die über Schlüsselwörter, so genannte Links, netzartig miteinander verknüpft und am Computer dargestellt werden. Die Texteinheiten können auch mit anderen Medien, wie Bild, Grafik, Video und Ton verbunden werden. Dann spricht man von Hypermedia. Bei den sogenannten elektronischen Büchern, wie Multimedia-Lexika auf CD-ROM, handelt es sich um Hypermedia" (Blatt 1997, S. 74). Inge Blatt verweist auf die von ihr eingesetzten Programme, wie z.B. die "Alfons"-Reihe im Schroedel Verlag, die Spielelemente, bewegte Bilder und auch eine Sprachausgabe beinhalten. Für derartige Multimedia-Programme werden leistungsstärkere Computer mit Soundkarte, Mikrofon und CD-ROM-Laufwerk benötigt. So nutzt beispielsweise der CD-ROM-Klassiker "Just Grandma and me" von Mercer Mayer (in deutscher Übersetzung "Nur Oma und ich") der Kategorie "Living Books" die Verknüpfung von Bild, Sprache, Ton und Schrift und wurde zum Symbol des neuen interaktiven Lernens für Kinder (siehe dazu auch Reiter 1998, S. 212)

Übersicht über die Standorte

Knuth Künkel und Rudolf Peschke behandeln das Thema "Software für die Grundschule" und kommen zum Ergebnis, dass viele Schulen ausnahmslos mit ausrangierten DOS-Computern spendefreudiger Firmen arbeiten. Die Spender dieser Geräte seien froh, sagen die Autoren, einen Abnehmer gefunden zu haben, der nicht auch noch Gebühren für die Entsorgung der Computer verlangt. Dies bedeutet dann aber, dass diese Computer in der Regel mehrere Jahre alt sind und ihr Standard lange überholt ist. Eine weitere Folge des Alters dieser Geräte kann ein erhöhter Reparaturbedarf sein. Da sie aber alten Standards entsprechen, sind im schnelllebigen Computerzeitalter zum Teil keine Ersatzteile mehr zu bekommen (Künkel/Peschke 1997, S. 90). Die Autoren verweisen des weiteren auf jene Programme, die unter dem Begriff "Edutainment" in die Schulen und Familien drängen. Unter Edutainment wird eine Verbindung von Education (Bildung, Ausbildung) und Entertainment (Unterhaltung) verstanden. "Bei dieser Art von Programmen, die nicht zufällig häufig von großen Spiel-Software-Herstellern vertrieben werden, überwiegt im Programmgeschehen zeitlich und inhaltlich die animierte Spielsituation. Die zu übenden Inhalte sind in der Regel viel zu weit gefasst", kritisieren die Autoren (Ebd. S. 92). Zielgruppe dieser Programme ist nicht mehr die Schule, sondern sind die Eltern als zahlungskräftiger, neu zu erschließender Markt.

Astrid Vietmeier konstatiert: "Es geht bei Medienpädagogen und Bildungspolitikern daher schon längst nicht mehr um die Frage, ob überhaupt Computer, sondern nur noch darum wie diese eingesetzt werden sollen, und vor allem, wie verhindert werden kann, dass angesichts von Rotstiftpolitik und leeren Kassen die Kluft zwischen der Wirtschaft, die auf modernste Informations- und Kommunikationstechnologie setzt, und dem Bildungswesen, das dieser Entwicklung hoffnungslos hinterherhinkt, immer größer wird" (Vietmeier 1997, S. 96). "Eine wesentliche Ursache dafür, dass Computer in steigendem Maße als Bildungs- und Gestaltungsmedium akzeptiert werden, liegt in der Multimediatechnologie. Multimedia gilt als der bisher größte Quantensprung in der Computertechnik. Aus medienpädagogischer und lernpsychologischer Sicht eröffnet Multimedia ein größeres Potenzial an neuen Lernmöglichkeiten als einzelne Medien. Durch die fruchtbare Verknüpfung von Text, Bild, Ton und Bewegung verbunden mit interaktiven Handlungsmöglichkeiten kann Multimedia Lerninhalte differenzierter, individueller, schneller, anschaulicher, umfassender, gezielter und motivierender vermitteln und sinnliches und kognitives Lernen vernüpfen" (Ebd., S. 97).

"Die Ausstattung der Schulen und die Integration der Neuen Medien im Unterricht gestaltet sich bekanntermaßen sehr mühsam", berichtet Vietmeier, "obwohl der öffentliche Druck auf die Schulen und Kultusministerien zunimmt, die Forderungen von Pädagogen, Eltern, Bildungspolitikern immer lauter werden, die Entwicklung endlich ernst zu nehmen und sie nicht nur den privaten Initiatoren von alternativen Bildungsangeboten und dem Privatbereich zu überlassen" (Vietmeier 1997, S. 99). Es fehlt den Grundschulen bekanntlich an Geld, die oft nicht einmal eine Videokamera haben, geschweige denn einen Multimedia Personal Computer. Vietmeier fordert daher: "Ohne die ausdrückliche Verankerung der Inhalte in die Praxis der Ausbildung, in Lehrpläne, Richtlinien, Studienordnungen bleibt die Behandlung der neuen Medien und der Einsatz des Computers im Unterricht dem Zufall überlassen" (Ebd., S. 100). Im Hinblick auf die Programmentwicklung verlangt die Autorin, dass künftig Programme entwickelt werden müssen, die weniger spielerisches Allerlei enthalten als vielmehr Analyse und instruktionsorientiert sind, zudem eine klare altersgruppen- und themenbezogene Ausrichtung besitzen und am Unterrichtsstoff bzw. am Lehrplan und auch am Lehrbuch orientiert sind (siehe Vietmeier 1997, S. 102).

Claus Siert beschreibt in seinem Beitrag "Software und Unterrichtsbeispiele" u.a. den "Creative Writer", das Schreibstudio von Microsoft, das im übrigen auch an allen vier Projektschulen in Wien zum Einsatz kommt: "Dieses Programm zeichnet sich durch eine kindgerechte Benutzerfreundlichkeit aus. Zum Programmstart wird jedes Kind nach einem Namen gefragt, das Programm legt dann automatisch ein Verzeichnis an, in dem alle Werke des jeweiligen Anwenders gespeichert werden. Nach einer weiteren Abfrage (ein Lieblingstier wird gewählt) geht es grafisch animiert und mit Sound unterlegt in ein altes Gemäuer, in dessen vier Stockwerken sich eine Bibliothek, eine Schreibwerkstatt, eine Projektwerkstatt und eine Ideenwerkstatt befinden. In der Schreibwerkstatt können die Kinder ihre Texte eingeben. Diese können verschiedenartig illustriert werden. So können mittels diverser Sticker kleine Bilder eingefügt, die Texte mit einem dekorativen Rahmen versehen und die Überschriften effektvoll gestaltet werden. Abschließend besteht die Möglichkeit, die ausgedruckten Werke dann noch von Hand auszumalen" (Siert 1997, S. 107).


Die CD-ROM-Titel

7. Die internationale Schreibwerkstatt

Barbara Kochan gründete bereits 1986 an der Universität Berlin eine Schreibwerkstatt für Kinder. Seit damals bis heute steht Kindern eine Vielfalt an Schreibwerkzeugen - Stifte, Schreibmaschinen, Druckerei und auch Computer mit Textverarbeitung für selbstbestimmte Schreibprojekte zur Verfügung, wie Kochan bei einem Vortrag im Rahmen des interdisziplinären Symposiums "Schriftsprachenerwerb: Neue Medien - Neues Lernen!?" in München am 13. 10. 1997 berichtete. Als zentrale Erkenntnis aus dem Projekt verweist die Autorin auf den Umstand, dass der Computer das Schreiben nicht automatisch verändert, seine Merkmale aber dem Autor neue Möglichkeiten eröffnen. VDir. Heinrich Legat ist der Initiator und Leiter des angelaufenden Projektes "Internationale Schreibwerkstatt", an dem Klassen aus Graz, Wien (die in das BMUK-Evaluationsprojekt eingebundene Volksschule Währingerstraße 43) und Berlin teilnehmen. So hat die VS Währingerstraße (koordiniert von den Volksschullehrern Peter Sykora und Martin Toppel) allen beteiligten Schulen 1997 drei Geschichtenanfänge zugeschickt. Jede Schule konnte dann die Geschichte um ein weiteres Stück fortsetzen, so dass nach und nach "Bandwurmgeschichten" entstanden. Barbara Kochan sieht speziell das Internet als Herausforderung für das Lesen. Weltweit tummeln sich vor allem in englischer Sprache zahlreiche Kinder im Internet (siehe z.B. unter     http://www.kidlink.or.at/ oder    
http://www.minerva.sozialwiss.
uni-hamburg.de/kinderpost
) die eigene Geschichten präsentieren oder eigene Texte über Dinge, für die sie sich interessieren. Über diese Texte gelangen sie in Kontakt zu anderen, zu Kindern und Erwachsenen. So kann Schreiben und Lesen, meint die Autorin, für sie eine stärkere Bedeutung erlangen als je zuvor.

Image121

Auch Inge Blatt unterstreicht die Funktion des Computers als Schreibwerkzeug, "da er das Wechselspiel von sozialen, geistigen und technischen Prozessen beim Schreiben positiv beeinflussen kann", wie auch Kochan gezeigt hat. "Aus schreibdidaktischer Sicht ist entscheidend, dass die Übungen nicht isoliert durchgeführt, sondern in das Schreiben von Texten im Unterricht eingebunden werden.... Schreiben mit Textverarbeitung führt unter bestimmten Bedingungen dazu, dass Kinder den Schreibprozess besser bewältigen, beim Schreiben fruchtbar kooperieren und die spurlosen Korrekturmöglichkeiten zur Arbeit an ihren Texten nutzen" (Blatt 1997, S. 79/80). Als Fazit führt die Autorin aus: "Der Computer kann als neuartiges Schreibwerkzeug und als ein Glied in der unterrichtlichen Medienkette beim Aufbau von Schreib- und Leseerfahrung mithelfen und Kinder gleichzeitig auf die neuen medienbedingten schriftsprachlichen Anforderungen vorbereiten. Kinder schreiben selbst Texte mit Hand und Computer und üben bestimmte Teilfertigkeiten mit Hilfe von Programmen ein. Der Computer als Schreibwerkzeug entfaltet seine Möglichkeiten insbesondere im Rahmen des projektorientierten und fächerübergreifenden Unterrichts. Schreibprojekte zu literarischen oder sachkundlichen Themen haben aus schreibdidaktischer Sicht einen besonderen Wert, da sie Lesen, Schreiben und Lernen eng miteinander verknüpfen ... Informationen und Literatur, die im Internet zugänglich sind und multimedial auf CD-ROM dargeboten werden, können in Projekten unter bestimmten Bedingungen, für bestimmte Lernziele und bei bestimmten Lern- und Motivationsproblemen sinnvoll genutzt werden. Ebenso verspricht eine Ausweitung des Unterrichts über elektronische Kontakte Erfolg, wenn dafür geeignete didaktische Konzepte entwickelt und erprobt werden" (Ebd., S 83/84

Im Rahmen des Evaluationsprojektes "Neue Medien in der Grundschule" wird die Teilnahme aller Projektschulen an der internationalen Schreibwerkstatt angestrebt. Darüber hinaus wird das Gesamtprojekt beim XV. IFIP World Computer Congress "The global information society on the way to the next millennium" in Wien und Budapest " (31.8. - 4.9. 1998) präsentiert werden.


Literaturangaben

Arenhövel Franz: Computereinsatz in der Grundschule, Donauwörth 1994.

BMUK: Informatik und Datenverarbeitung im österreichischen Schulwesen. Aktueller Status 1997, o.O. 1997.

Buck Siegfried (Hrsg.), Fibel Lesen, lesen, lesen, Frankfurt a. M. 1996.

Büttner Christian/Schwichtenberg Elke (Hrsg.): Computer in der Grundschule. Geräte, didaktische Konzepte, Unterrichtssoftware, Weinheim-Basel 1997.

Europäische Kommission: Lernen in der Informationsgesellschaft. Aktionsplan für eine europäische Initiative in der Schulbildung (1996-1998), Brüssel 1996.

IFIP: Information Bulletin July 1995, No. 26, Laxenburg 1995.

Hildebrand Jens: Internet-Ratgeber für Lehrer, 3. Auflage , Köln 1997.

Kochan Barbara: Wodurch begünstigt der Computer den Schriftsprachenerwerb? Computermerkmale und Unterrichtskonzept, Vortragstext anläßlich des Symposiums "Schriftsprachenerwerb: Neue Medien - Neues Lernen?" (13. 10. 1997) in München.

Legat Heinrich: Computer im Unterricht, Graz 1988.

Legat Heinrich: Der Schulversuch "EDV in der Grundschule" in Österreich.. In: Mitzlaff Hartmut: Handbuch Grundschule und Computer, Weinheim-Basel 1996, S. 301-308.

Mitzlaff Hartmut (Hrsg.): Handbuch Grundschule und Computer. Vom Tabu zur Alltagspraxis, Weinheim-Basel 1996.

Porter Robert: Computers & Learning in the First Years of School. A Beginners Guide for Teachers, Katoomba 1988.

Reiter Anton: Multimedia und Internet in der Schule. Ihre pädagogsiche Bedeutung und didaktische Relevanz. In: Theo Hug (Hrsg.): Technologiekritik und Medienpädagogik, Hohengehren 1998, S. 203-232.


Zum Autor

Mag. Dr., Ministerialrat, Leiter der Abt. V/D/15 im BMUK (Prinzipien des Informatikunterrichtes,  computerunterstütztes Lernen, neue Medien); Lehrbeauftragter am Zentrum für das Schulpraktikum der Universität Wien sowie am Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung.

Tel.: 53120-3525, Fax: DW 3535; E-Mail: anton.reiter@bmuk.gv.at