Der Computer als Tor zur Welt
Thomas Lustig
Der Computer ist für uns heute schon zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Er ist unser Spielkamerad, der Assistent, der uns die täglich Arbeit erleichtert, oder ein wunderbares grafisches Werkzeug, um uns im Kino die spektakulärsten Effekte auf die Leinwand zu zaubern.
So wunderbar all diese Anwendungen sein mögen, sie sind doch meist nur eine angenehme Erleichterung oder dienen gar nur der Unterhaltung. All das wird nebensächlich, wenn man die Möglichkeit verliert, sich anderen mitzuteilen und keine Chance mehr besteht, in kommunikative Wechselwirkung mit seiner Umwelt zu treten. Doch selbst in diesem Bereich nimmt der Computer Einzug und öffnet ein Tor, einen Weg aus der Abgeschlossenheit und Finsternis der eigenen Gedankenwelt.
Populärstes Beispiel hierfür ist der weltbekannte und hochgeachtete Physiker Prof. Stephen William Hawking. Er schrieb wären seiner Arbeit auch zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen wie Eine kurze Geschichte der Zeit und Einsteins Traum. Insider sehen in ihm den Einstein des 20. Jahrhunderts, als ein Genie, dem sich die Zusammenhänge des Universums so offenbaren wie anderen Menschen die Grundrechnungsarten. Doch was nützt das Wissen und geistige Kapazität, wenn keinerlei Möglichkeit besteht, die gefundenen Erkenntnisse anderen Menschen mitzuteilen.
Stephen erkrankte an ALS, einer Krankheit, die es ihm unmöglich machte, seine motorischen Funktionen zu kontrollieren und ihn an den Rollstuhl fesselte. Eine nachher folgende Kehlkopfoperation machte es ihm unmöglich, auch nur ein Wort zu sprechen und er mußte seine Vorträge von seinen Assistenten durch Vorlesen der von ihm verfaßten Skripten abhalten lassen. Als ihm auch diese Möglichkeit verwehrt wurde, schien die Lage fast aussichtslos. Und es wurde heftig nach Problemlösungen gesucht und gefunden. Heute kann er wieder Texte schreiben und sogar ganze Vorträge halten.
Ermöglicht wird ihm dies durch einen unten am Rollstuhl befestigtes, portables und PC-kompatibles Computersystem. Dieser PC wird durch die Batterie im Rollstuhl gespeist, besitzt aber auch eine unabhängige Stromversorgung für ca. 1 Stunde. Auf der Armlehne befindet sich ein kleiner Flüssigkristallbildschirm. Das vorläufige Computersystem wurde jetzt durch ein von INTEL-Ingenieuren entwickeltes neues Modell ersetzt.
Die Stimme von Hawking wird von einem integrierten hochentwickelten Sprachsynthesizer der Firma Speech+ erzeugt. Dieser setzt die von ihm eingegebene Sätze in verständliche Sprache um. Mit diesem System hält Dr. Hawking auch seine gesamten wissenschaftlichen Vorträge und ich selbst war überrascht von der Präzision dieser Sprachsynthese. Es läßt sich sogar ein deutlicher amerikanischer Dialekt erkennen und die Qualität ist kaum mit dem gängiger Synthesizer, wie sie am Sharewaremarkt geläufig sind, vergleichbar.
Das einzige Interface von Stephen ist der sog. Clicker - ein Taster in seiner Hand, gekoppelt mit einem sehr aufwendig geschrieben Programm Namens EqualizerTM, von Word Plus.
Das Funktionsprinzip ist aber denkbar einfach: Der Bildschirm ist vorläufig in 2 Hälften unterteilt die abwechselnd aufblinken. Betätigt Hawking nun den Taster, folgt ein Menü von gewissen Wortgruppen, wie beispielsweise auf Personen bezogene Wörter : Ich, Du,... oder sogar ganze Wortphrasen: Können sie mich hören?, u.s.w.
Nach der Wahl der Wortgruppe durchläuft ein Cursor zeilenweise einzelne Wörter. Durch den Taster kann dieser Vorgang nun wieder angehalten werden und somit ein bestimmtes Wort selektiert werden. Die gesamte Wörterbibliothek ist in übersichtliche Teile gegliedert, um eine rasche Aufwahl treffen zu können.
Nach dem mühsamen Zusammenstellen eines Satzes wird dieser dem oben genannten Synthesizer übergeben oder einfach als normaler Text am PC gespeichert. Zusätzlich können die Funktionen des Klickers auch mit Kopf- und Augenbewegungen betätigt werden.
Seit Neuestem kann Dr. Hawking sogar Windows 95 benutzen. Dabei stehen ihm 2 Möglichkeiten zur Maussteuerung zur Verfügung:
1. Ein schmaler Strich beginnt von links nach rechts über den Desktop zu laufen. Nach dem Drücken des Tasters beginnt dieses Spiel von neuem, aber diesmal von oben nach unten. Ein zweites Klicken stoppt erneut das Laufen der Linie und definiert somit eindeutig einen gewissen Bereich am Bildschirm.
2. Der Strich bewegt sich diesmal als Zeiger in einem Kreis (Uhrzeigersinn). Hier hat das Drücken der Taste eine allmähliche Änderung der Zeigerlänge zur Folge. Dieses System könnte man auch als Vektorsystem mit einem Winkel und einer Zeigerlänge als Parameter betrachten.
Dieses System wurde ebenfalls von der Firma Word Plus entwickelt und wird EZ-Keys genannt.
Damit können auch selbstverständlich sämtliche Drop-down Menüs in Programmen benutzt werden, wobei ein Doppelklick durch eine gewisse Wartezeit zwischen einer erneuten Tasterbetätigung verstanden wird.
Stephen W. Hawking ist aber nicht nur ein vortragender Professor, sondern auch ein aktiv denkender, forschender Physiker. Als solcher muß er entwickelte Formeln und Gedanken zu Papier bringen. Ein Programm Namens TEX übersetzt die von Hawking beschriebenen Formeln in eindeutige, aussagekräftige mathematische Formeln mit Bruchstrichen, etc..
Da Stephen hauptsächlich im Bereich Astrophysik tätig ist, hat er natürlich Zugang zu den derzeit schnellsten Supercomputern, wie Gray, etc.. um seine Gedankenmodelle und erworbenen Erkenntnisse zu simulieren.
In den Rollstuhl ist außerdem eine Kontrollfunktion zum Steuern von sämtlichen Haushaltsgeräten und Lichtschaltern integriert. Die Steuerung erfolgt hierbei über ein kombiniertes Funk- und Infrarotsystem. Selbstverständlich wurde dazu das Haus des Professors vollkommen automatisiert und umgebaut.
Eine Erneuerung ist die Funktion, die es Hawking gestattet zu telefonieren. Dabei stellt er die Dinge, die er sagen will, mit seinem normalen Interface Programm zusammen und der Synthesizer stellt auch hier das Bindeglied mit dem anderen Telefonteilnehmer dar. Es wurden jedoch noch zusätzliche Befehle zum Telefonieren zugefügt, wie beispielsweise Abheben und Auflegen. Eigentlich telefoniert Stephen mit dem in seinem Rollstuhl integrierten Handy, aber er kann auch ein herkömmliches, kabelgebundenes Telefon benutzen.
Selbstverständlich ist Stephen auch die weltweite, mobile Internetkommunikation über SnailMail mittels seines Handys möglich. Das ist eine sehr wichtige Funktion, da der Professor ständig mit anderen Physikern auf der ganzen Welt in Verbindung stehen muß.
Vielleicht ist es sogar eines Tages möglich, ein Interface direkt über das Gehirn zu realisieren, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Dr. Stephen W. Hawking ist das beste Beispiel dafür, welche Innovationen der Computer vor allem im Bereich der Kommunikation leisten kann und er überbrückt dabei die körperliche Barrieren. Denn auch wenn der Körper gefangen ist, der Geist ist frei.
Internet
http://omega.informatik.hu-berlin.de/
~bguether/homepage/txt/hawking.html
http://www.psyclops.com/hawking/
http://asca.gsfc.nasa.gov/
docs/StarChild/shadow/
whos_who_level1/hawking.html
Bücher
Eine kurze Geschichte der Zeit
Einsteins Traum
The Theory Of Everything