|
Schule
Informatik Ausbildung an technischen Lehranstalten
Christian Dorninger
christian.dorninger@bmuk.gv.at
Informatik Ausbildung an technischen Lehranstalten
Schuss vor den Bug?
Christian Dorninger
Eigentlich ist die Sache alltäglich: Eine Firma beklagt, dass Ausbildungsqualifikationen am derzeitigen Stand der Technik vorbeigehen. Die eher unspezifisch gehaltenen Wünsche werden als nicht leistbar oder unpräzise abgetan, man geht zur Tagesordnung über. Diesmal (Mitte September 1998) war's etwas präziser: Ein Wiener Systemhaus kritisierte, dass die Ausbildung an HTLs in den Fachrichtungen Informatik und Elektrotechnik wesentliche Wissenslücken in den Bereichen UNIX-Betriebssystem und Systemsoftware und WAN-Routing-Know-How aufweist. Der rasante Markt von Netzwerk-Services verlangt mehr Fachexpertise in diesem Bereich und die Komplexität vielfältiger Intranets und Client-Server-Konfigurationen wächst. Es lassen sich zu wenig Absolventen technischer Schulen finden, die rasch Aufgaben in diesem Markt übernehmen können.
Irgendwie war diese Meldung anders als bisher: Sie sprach sehr konkrete Qualifikationsmängel an, die bisher kaum so präzise statuiert wurden. Sie ging ab der Veröffentlichung durch einige Medien und war zumindest einer Zeitung auch eine Nachrecherche wert. Die Meldung ging für jemandem, dem die HTL ein Anliegen ist, durchaus in die Magengrube: Hatten wir doch die letzten 3 Jahre mit Lehrplan- und Qualifikationsdiskussionen verbracht - und nun das? Mit dem Instrument der Lehrplanautonomie könnte man rasch reagieren - ist es noch nicht geschehen, oder wurde das Problem vor Ort nicht erkannt, oder gab es Hindernisse, was die Umsetzung betrifft? Grund genug, aus einer eher spontanen Überlegung heraus am 6. Oktober ein kurze Meinungsbildung im Rundruf zu versuchen: 12 Abteilungsvorstände der Fachrichtungen EDV und Organisation und Elektronik - Informatik wurden angefaxt (es waren Beilagen dabei), und um eine Stellungnahme gebeten.
Reaktionen auf die Kritik an der Ausbildung
Die Reaktionen sind so gespalten und die Einschätzungen so heterogen, dass eine Linie schwer zu finden ist: 5 der angeschriebenen Herren reagierten jetzt, eine gute Woche nach Absendung der Fax-Meldungen, überhaupt nicht (??). Die dankenswerter weise übermittelten Reaktionen lassen sich in drei Gruppen teilen:
1. Die Firma will sich wichtig machen und sieht in HTL-Absolventen einen Konkurrenten für ihre am freien Bildungsmarkt propagierten Angebote. Tendenz: Nicht einmal ignorieren.. oder die Vorwürfe sind lächerlich. Viele dieser und ähnlicher Rückmeldungen kommen aus dem Bereich der Fachrichtung EDV & Organisation, wo man alle genannten Lehrinhalte als derzeit bereits abgedeckt bezeichnet.
2. Im Bereich Netzwerktechnologie gibt es im Bezug auf die jetzt auf den Arbeitsmarkt gekommenen Absolventen Aufholbedarf, der alsbald befriedigt wird: LINUX als Betriebssystem für Internetprovider und Firewall-Rechner, Client-Server-Applikationen oder Netzwerkprotokolle werden forciert. In der Abteilung EDV & Organisation wird in der Tages- und Abendform ein Ausbildungsschwerpunkt Netzwerktechnik eingerichtet, der von den Erfahrungen von bereits lange laufenden Speziallehrgängen - die es leider nicht mehr geben kann profitieren kann.
3. Reaktionen, die zum Teil sehr ausführlich auf Systemprobleme in der technischen Ausbildung eingehen. Hier spielen Schwierigkeiten bei der Ausstattung, Motivationsprobleme bei guten Lehrern, aber auch die sehr grundsätzliche Frage, wie weit eine Schule den jährlich wechselnden Anforderungen des Qualifikationen einfordernden Arbeitsmarktes nachkommen kann.
Was bleibt von dieser kleinen Aufregung ?
Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die Sitten am Berufsbildungsmarkt härter werden: Man prangert auch Schwächen von Konkurrenten an, um eigene Angebote von Zusatzqualifikationen ins bessere Licht zu rücken. Wenn schulische Qualifikationen gut und bekannt sind, kommen sie auch ins Visier (ähnlich der Praxisferne der universitären Diplomstudien oder der zu hohen Spezialisierung der Fachhochschulen). Daran muss man sich gewöhnen, ohne beleidigt zu sein; möglicherweise ist sogar eine Anerkennung, ernst genommen zu werden, damit verbunden.
Der Hinweis Elektrotechnik lässt darauf schließen, dass gewisse Ausbildungsprofile noch immer nicht am Markt bekannt sind oder verstanden werden (ein Energietechniker hat nun einmal mit Netzwerktechnik wenig zu tun oder ?). Oder müssen wir doch unter Nutzung der Lehrplanautonomie auch im Bereich der Elektrotechnik sehr aktuelle Bezüge für den Arbeitsmarkt herstellen, weil niemand mehr Generatoren oder Elektromotoren konstruiert ? Gerade die Lehrplanautonomie ließe sich nützen - so war sie jedenfalls gedacht - in der bereits laufenden Ausbildung in den letzten beiden Jahren umzustellen, um nicht in 5 bis 6 Jahresabständen träge auf Qualifikationserfordernisse reagieren zu müssen.
Im Kern liegt das Problem tiefer. Es geht schlicht um die Frage, wie rasch ein fest gefügtes Binnensystem Schule auf fiktive d.h. nicht unmittelbar spürbare oder für die Ausbildungsinstitution gar existenzbedrohende Änderungen im Fachkanon seiner Absolventen reagieren kann. Natürlich ist die EDV-Ausstattung an manchen Schulen schön langsam als antiquiert zu bezeichnen (Windows 3.11 usw.) und es fehlen Mittel und Möglichkeiten der Betreuung. Bei der IT-Betreuung wird durch die neue Regelung eine Verbesserung eintreten, bei der Ausstattung mit Bundesmitteln sieht es derzeit schlecht aus: Um es klar zu sagen, man bräuchte ungefähr die doppelten finanziellen Möglichkeiten, um up-to-date zu bleiben. Mit Sponsoring allein lässt sich dieser fehlende Betrag nicht aufbringen!
Als außenstehender Beobachter der Szene merkt man auch, dass viele engagierte Lehrer in den letzten beiden Monaten spürbar zurückgeschaltet haben. Sie haben mit ihrem, meist wenig oder nicht bezahlten Engagement die Schwerpunktbereiche der Ausbildung so halbwegs über Wasser gehalten. Derzeit sind sie wenig motiviert; dies ist empirisch nachzuweisen, ganz gleich, ob die Ursachen dafür nun sehr real oder doch übertreiben sind. Diese fehlende Motivierung könnte das gesamte Ausbildungssystem und die geforderten Qualifikationen mehr beeinflussen, als (relativ kleine) Beträge einer Bezahlung von Mehrdienstleistungen oder Nebenleistungen dies ausdrücken können. Selbstverständlich wäre es hier gut, mit einem akzeptierten Arbeitszeitmodell für Lehrer - vor allem auch in den sehr exponierten technischen Ausbildungsbereichen - möglichst bald anfangen zu können.
Trotzdem - schmollen bringt nichts; das sich gegenseitig im Wege stehen von vielen Lehrenden und der Schulverwaltung kann dazu führen, dass in ein bis zwei Jahren sensible Ausbildungsbereiche - das technische Schulwesen kann man getrost dazuzählen - unrettbaren Schaden erleiden. Daher muss man für eine Entkopplung von Abrechnungs- und Besoldungsfragen einerseits und dem Arbeiten an fachlich-inhaltlichen Entwicklungen andererseits eintreten. Von beiden Seiten muss genügend Souveränität aufgebracht werden, um trotz Auseinandersetzungen immer wieder neue und aktuelle Lehrinhalte anbringen zu können. Die dem Schulwesen - wie jeder großen Institution - innewohnende Trägheit sollte mit Selbstevaluation und rationalen Planungsschritten bekämpft werden. Wahrscheinlich müssen wir auch bald davon Abschied nehmen, dass Unterrichten allein Schule ist - hier wirken selbstständiges Arbeiten der Schüler und Experimentierphasen im Kontrast oft genauso gut. Gerade da ist, blickt man auf die Entwicklungen des letzten Schuljahres (Ingenieurprojekte etc.) etwas Optimismus angebracht.
Zum Abschluss wünsche ich mir, wenn ich so manche Stellungnahme lese, etwas weniger Selbstgerechtigkeit bei der Reaktion auf Kritik und Urteilen von außen; es würde eine Problemanalyse vereinfachen. Sollten Sie die Zeilen zu Diskussionsbeiträgen veranlasst haben, wäre eine Rückmeldung an die PCNEWS-Redaktion oder auch an christian.dorninger@bmuk.gv.at willkommen.
|