Unterhaltsames

Das Fenster


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Das Fenster


Florian Schütz


f.schuetz@graphische.at

Das Fenster

Florian Schütz

Es war im Herbst, als ich mich endgültig entschloss, nun auch einen Computer besitzen zu müssen. Den ganzen Sommer war ich an diesem kleinen Computergeschäft vorbeigekommen. Jedes Mal war ich vor der Auslage stehen geblieben, aber ich hatte mich nie zum Kauf überwinden können. Eines Tages war dieses Schild in der Auslage:  “Sonderangebot!” Und ich wusste: Ich will auch ins weltweite Netz, ich will auch meine Schreibmaschine entsorgen und ich will auch Spiele spielen.

Als ich dieses Sonderangebot erstand, dachte ich, ich hätte tatsächlich etwas Amüsantes, etwas Nettes gekauft. Ich irrte mich. Es war wie in einem mittelmäßigen Film. Ich rede jetzt nicht von Systemabstürzen, schlechten Programmen und deren Installation. Nein, sondern von etwas weitaus Seltsameren.

Es geschah, als ich den Computer erstmals in Betrieb nahm. Es tauchten diverse Dialogfelder auf, wollen Sie dies, wollen Sie das, wir empfehlen folgendes und überhaupt. Als ich mich durchgekämpft hatte und ich schon dachte, alles würde funktionieren, tauchte ein schwarzes Fenster auf. Ein Text erschien, fast zaghaft getippt, so sah es zumindest aus:  “Ist da jemand?”

Was sollte das? Der erste Gedanke, der einem Computerlaien wie mir durch den Kopf schoss, war: “Hey, da sitzt jemand in meinem Rechner!” Aber ehe ich noch weitere Gedanken spinnen konnte, tauchte wieder etwas auf: “Ich kann nichts sehen! Ist da jemand?”

Mein Computer, oder jemand in meinem Computer sandte mir Botschaften.

Ich rief das Geschäft an und schilderte mein Problem. Ich wurde erwartungsgemäß ausgelacht. Der Händler gab mir einen Rat, den ich erst verstand, nachdem ich in meinem Handbuch nachgeschlagen hatte, was “booten” bedeutet. Ich schaltete also aus und wieder ein.

“Hallo, nicht abschalten. Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten.”

Ich tippte auf der Tastatur herum, konnte aber offensichtlich nicht antworten.

“Ich will hier endlich heraus!”

Wieder rief ich im Geschäft an, wo mir schließlich versprochen wurde, jemanden vorbei zu schicken, gegen entsprechendes Entgelt, versteht sich.

Der Servicetechniker kam, startete und nichts passierte. Er lachte mich aus und ging. Ich probierte es ebenfalls und...

“Was ist los da draußen? Schaltet doch nicht ständig ein und aus, das irritiert mich!”

Wieder kam der Servicetechniker, wieder geschah nichts Außergewöhnliches. Das ging fast eine Woche so. Die Rechnungen der Computerfirma waren hoch, und ich wurde es langsam leid, mich permanent zum Gespött zu machen. Das Ding in meinem Computer ließ mir zwar keine Ruhe, da ich aber nicht mit ihm kommunizieren konnte, entschloss ich mich, dass etwas zu geschehen hatte.

Ich bin kein Held, ich bin ein etwas langweiliger Mensch, eher der Menschentyp “Buchhalter”. Ich reagierte also auch entsprechend unspektakulär. Ich packte den Computer ein und brachte ihn ins Geschäft zurück. Ich bat die Firma, meinen Computer zurückzunehmen und mir einen anderen zu geben.

Mein Modell war vergriffen, und ich mußte auf ein teureres aufzahlen. Mein neuer Rechner funktionierte normal, und ich vergaß mein seltsames Erlebnis.

Monate später erzählte mir ein zufälliger Bekannter von der Firma seines Neffen oder Cousins, jedenfalls irgendeines Familienmitglieds von ihm. Diese Firma würde Botschaften in sehr günstig verkaufte Rechner hineinschreiben, die Käufer zum Narren halten, an den Rechnungen der Servicetechniker sehr gut verdienen und obendrein einen riesen Spaß haben. Den besonderen “Trotteln”, wie mein Bekannter sich ausdrückte, würden sie beim Umtausch sogar teurere Modelle andrehen.

“Nicht zu glauben...” murmelte ich. Verständlich, dass ich rasch auf ein anderes Thema zu sprechen kam.

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PCNEWS-60  November 1998

Florian Schütz f.schuetz@graphische.at