Neue Medien im Unterricht?

SCHULE


VORTRAG

Guntram Geser

geser@newmedia.at

SCHULE

Neue Medien im Unterricht?

http://www.newmedia.at/projects/vb/

Warum und wann Neue Medien im Unterricht einsetzen?

Guntram Geser

Auf Einladung des Personal-Computer Club Salzburg (PCCS) hatte ich Gelegenheit, im Rahmen eines schulinternen Fortbildungsabends Ende November 1998 an der HTBLA Salzburg einen Vortrag zum Thema ”Neue Medien im Unterricht” zu halten. Zwei Punkte des Vortrags und der intensiven Diskussion möchte ich in diesem Beitrag genauer herausarbeiten. Wir sollten uns klar vor Augen führen: 1. Warum die Neuen Medien, speziell das Internet, eine wesentliche Rolle im Unterricht beanspruchen dürfen. 2. Wann ihr Einsatz im Vergleich mit anderen Unterrichtsmedien sinnvoll ist. Letzteres ist von Fall zu Fall zu entscheiden, es lassen sich jedoch Kriterien dafür formulieren.

Die Herausbildung der Informationsgesellschaft stellt die Schulen heute vor die Aufgabe, die neuen, computerbasierten Medien in die Unterrichtspraxis zu integrieren. Hierfür ist jedoch die Entwicklung einer Kultur des Lehrens und Lernens notwendig, die sich von der gegenwärtig vorherrschenden wesentlich unterscheidet. Zu den Kernbegriffen dieser neuen schulischen Kultur gehören: Vernetzung, Medienkompetenz, kooperatives und fächerübergreifendes Lernen und Vorbereitung auf ein lebenslanges Weiter- und Umlernen.

Diesen Bildungsanforderungen nachzukommen, erfordert von der ”Lerninsel Schule”, sich verstärkt zur Gesellschaft hin zu öffnen. Sie kann sich nicht von den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Umwälzungen abschotten, denn sie muß die Schülerinnen und Schüler darauf vorbereiten, mit deren Auswirkungen auf Beruf und Lebensgestaltung erfolgreich zurecht zu kommen.

Um eine Öffnung zu erreichen, muß die ”Lerninsel Schule” zu einer lernenden Organisation werden und intensiver als bisher Perspektiven, Wissen und Arbeitsweisen anderer Organisationen in den Unterricht integrieren. Dies kann zu einer ”Entschulung der Schule” führen, wenn:

Die ”Entschulung” soll zur Entwicklung der Fähigkeit beitragen, sich in einer rasch wandelnden Umwelt zu orientieren, vernetzt und prozessual zu denken und gemeinsam mit anderen innovative Problemlösungen zu erarbeiten. Um diese Fähigkeit zu entwickeln, muß sich jedoch die schulische Organisationsform des Lehrens und Lernens tiefgreifend verändern. Zwei Punkte, die erforderliche Transformation der schulischen Rollen und der Lerninhalte, seien besonders hervorgehoben.

Transformation der schulischen Rollen: Lehrkraft und SchülerInnen sollten einander nicht mehr, wie beim traditionellen Frontalunterricht, gegenüber stehen, sondern eine Lerngemeinschaft, ein Team bilden. Die Lehrkraft ist in dieser Gemeinschaft nicht mehr die alleinige Wissensautorität, die Inhalte weitergibt, sondern sie organisiert und moderiert Lernprozesse: sie lehrt lernen. Gefordert ist: ”The guide on the side instead of the sage on the stage.” Die SchülerInnen nehmen dabei nicht mehr weitgehend passiv Unterrichtsstoff entgegen, sondern treten in die angeregten Lernprozesse ein, indem sie Wissensinhalte selbständig erarbeiten.

Transformation der Lerninhalte: Lehrbücher enthalten - zurecht - ein relativ abgegrenztes und fixiertes Wissen. Vernetztes und prozessuales Denken ist jedoch weltoffen zu schulen. In der neuen Lernkultur werden daher zu bestimmten Problemstellungen zusätzliche aktuelle oder weiterführende Inhalte aus den neuen Medien, speziell dem Internet, hinzugezogen. Im Rahmen von offenen Lernformen wie Projektunterricht werden dabei relevante Informationen von den SchülerInnen aktiv gesucht, ausgewählt und interpretiert, wobei die Lehrkraft unterstützend tätig ist. Information wird durch solche Lernprozesse zu Wissen. Der wesentliche Inhalt des neuen Lernens ist die Lernfähigkeit selbst.

Aus pädagogisch-didaktischer Sicht geht es vor allem darum, die neuen Technologien so in die kreativen Lern- und Arbeitsprozesse zu integrieren, dass sie weder zwischen die an ihnen Beteiligten, noch zwischen die SchülerInnen und die ihnen gestellten Aufgaben treten. Beim kreativ-ganzheitlichen Lernen, Lernen mit allen Sinnen, Lernen voneinander und miteinander kann der Computer eine Rolle spielen, aber nicht unbedingt die bestimmende.

Für Lehrkräfte, die die neuen, computerbasierten Medien in den Unterricht einbeziehen, erscheinen vor allem folgende Punkte wesentlich:

Die Wahl eines Mediums muss von den Lernzielen bestimmt sein und keinesfalls umgekehrt. Es sollten nicht Lernziele für vorhandene Programme formuliert, sondern bestimmt werden, ob das fragliche Lern- und Arbeitsmittel tatsächlich am besten dafür geeignet ist, bei den SchülerInnen bestimmte Kompetenzen zu fördern.

Zentral ist weiters die Frage, ob das Lern- und Arbeitsmittel tatsächlich einen Mehrwert des Lernens bietet, das seine Verwendung im Unterricht rechtfertigt: Eröffnet es beispielsweise neue Sichtweisen und Bezüge, fördert es ein tieferes Verständnis von Problemstellungen, spricht es neben erkenntnismäßigen auch soziale und emotionale Aspekte des Lernens an, gibt es Anregungen für das eigene Denken und kreative Tun?

Die interaktiven und vernetzten Medien eröffnen ein großes Lernpotential, aber sie sind auch zeit- und kostenintensiv. Dies ist kein grundsätzliches Argument gegen die Integration dieser Medien in den Unterricht. Vielmehr sollte jeweils bedacht werden, ob mit ihnen nicht Dinge gemacht werden, für die auch andere, weniger voraussetzungsreiche Medien zur Verfügung stehen.

Last but not least: Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien können besonders der Entfaltung der sozialen Kreativität dienen. Sie ermöglichen Austausch und Zusammenarbeit auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene, ein Schritt, zu dem die Schulen zunehmend angehalten sind. Im Zentrum dieser Vernetzungen sollte vor allem der Einsatz für demokratische Werte, soziale Gerechtigkeit, die gemeinsame Umwelt und eine gemeinsame Zukunft stehen.

Kurzbiographie: Dr. Guntram Geser mtm

Studierte Kommunikations- und Politikwissenschaften an der Universität Salzburg sowie Telematik-Management an der Donau-Universität Krems. Mitarbeiter der Techno-Z FH Forschung & Entwicklung (Salzburg) im Forschungsbereich Informationsgesellschaft; Leiter des Projekts ”Vernetzte Bildung”.

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PCNEWS-62  April 1999

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