Turtle
und Spider - Die "Viecherln" aus der Spengergasse
Andreas
Bolka, Mag. Florian Kerry
Zwei
Träume bewegen die Menschheit auf technischem Gebiet seit Jahrtausenden: der
Traum vom Fliegen, der schon weitgehend erfüllt ist und der Traum von
Maschinen, die uns alle Arbeit abnehmen und die, wenn es sein muss, für uns bis
in ferne Galaxien reisen und fremde Welten erkunden. Schüler der Spengergasse
haben unter der Leitung von Prof. Dr. Herbert Hörtlehner in den letzten Jahren
am Einsatz moderner Technologien sowie an gehenden Robotern gearbeitet.
Vor
ungefähr fünf Jahren wurde das Projekt mit der ersten "Turtle" ins
Leben gerufen. Diese sogenannte Ur-Turtle hatte sechs Sensoren, die es ihr
ermöglichten, die Umgebung abzutasten um möglichen Hindernissen auszuweichen.
Diese Turtle ist eine dreirädrige Maschine, wobei zwei ihrer Räder zum Antrieb
einen eigenen Motor haben. Sie erkennt Hürden oder auch Abgründe und hat die
Fähigkeit, eine Lichtquelle anzusteuern, wobei Stürze und Kollisionen durch die
Sensoren vermieden werden. Zur Steuerung wird ein Basic Stamp eingesetzt, das
ist ein in Basic programmierbarer Mikroprozessor der Firma Parallax Inc.
In
weiterer Folge entstand eine Turtle, die direkt aus dem Internet steuerbar ist.
Dazu wurde auf dieser eine Web-Cam angebracht, die Bilder aus der Perspektive
des Roboters liefert. Die Motoren der Räder werden über ein
Microcontroller-Netzwerk angesteuert, zum Einsatz kommen hier wiederum
Prozessoren (18F84) der Firma Parallax Inc.
Die
Turtle kann in jede Richtung bewegt werden, ebenso die Web-Cam. Auf der Turtle
befindet sich ein Linux-Server (Notebook) welcher momentan zwei Aufgaben
wahrnimmt: Einerseits liefert er die Bilder der USB Web-Cam als JPEG-Stream,
andererseits dient er als Gateway zwischen Internet und Motorik, setzt also
Steuerungs-Requests die per HTTP eingehen auf die serielle Schnittstelle in ein
für das Prozessoren-Netzwerk verständliches Format um.
Die
Anbindung der Turtle an das Internet erfolgt per Wireless-LAN (IEEE802.11), die
Hardware hierzu stellt uns die Firma Symbol (http://www.symbol.com/) zur
Verfügung. Sowohl die USB Cam als auch
die Wireless PCMCIA Card erforderten anfänglich Modifikationen am Linux
Kernel (diese Form der Turtle existiert seit rund 2 Jahren), die Unterstützung
dieser Geräte verbesserte sich aber in letzter Zeit zusehends.
Da es
für Roboter in Zukunft auch möglich sein sollte, sich in unwegsamem Gelände
fortbewegen zu können, entstand in weiterer Folge die Idee den
"Turtles" Beine zu verpassen. So entwickelten sich die rollenden
Droiden im Schuljahr 1999/2000 zu gehenden "Spiders".
Diese
marschieren auf vier Beinen. Während andere Institute Sechsbeiner entwickelten,
arbeiteten wir daran unseren Vierbeinern einen Gleichgewichtssinn beizubringen.
Die Modelle der ersten Serie haben acht Gelenke, zwei pro Bein. Sie benötigen
ein System für den Gewichtsausgleich, damit sie nicht umkippen, sobald sie ein
Bein heben.
Um das
Gehen zu realisieren werden Bewegungsabläufe in ein Phasenmodell übertragen.
Dieses beschreibt die notwendigen Gelenksbewegungen um den Roboter zB vorwärts
zu bewegen. Momentan ist das auf die jeweilige Spider angepasste Modell noch
fest codiert; die Spinne kann also ihre Bewegungen nur sehr begrenzt an die
Umwelt anpassen. Beispielsweise kann sie bei zu hohen Hindernissen nur
ausweichen, nicht aber einfach ihre Schritthöhe modifizieren.
Das am
weitesten entwickelte Modell hat zwölf Gelenke, drei pro Bein. Ein PC errechnet
die Bewegung der einzelnen Gelenke, indem die aktuelle Position im Raum und die
angestrebte Richtung (Vektor) als Grundlage genommen wird. Das Ergebnis wird
zur eigentlichen Steuerung auf den Roboter übertragen. Erst diese
Steuerungsvariante ermöglicht dynamische Reaktionen auf die Umgebung.
Ein
weiterer Schritt zur Erfüllung des in der Einleitung beschriebenen Traums von
den technischen Heinzelmännchen ist die Integration des TINI-Boards in das
Projekt.
Das
TINI-Board ermöglicht die Einbindung diverser mikroelektronischer Geräte, die
sich bereits im Haushalt befinden (zB Kühlschrank, Waschmaschine, etc.) in ein
über Internet steuerbares System.
Das
TINI-Board ist ein Produkt der Firma Dallas Semiconductor
(http://www.dalsemi.com/) das auf der einen Seite ein Ethernet Interface, auf
der andren Schnittstellen zu diversen Systembussen (CAN, I2C, MicroLan) und als
"Herz" eine Java-VM sowie diverse TCP/IP Services (HTTP Server mit
Servlet Unterstützung, FTP-Server, Telnet Server) bietet.
Unsere
konkrete Anwendung besteht in der Steuerung mehrer Lichtquellen in der Umgebung
der Turtle und Spiders um deren Blickfeld zu erhellen. Dass in der
Heimautomatisation beträchtliches Potenzial liegt, demonstriert schon der
Aufwand, den zB Cisco (http://www.cisco.com/warp/public/3/uk/ihome/) oder
Siemens in diesem Bereich treiben.
Ein
solches Projekt im schulischen Alltag durchzuführen, ist natürlich nicht
möglich. Durch die Zusammenarbeit von Schülern unterschiedlicher Jahrgänge und
Lehrern aus verschiedenen Fachbereichen (Projektentwicklung, Prozessregelung,
Deutsch, Englisch, um nur ein paar zu nennen) sowie die Rücksichtnahme und
Unterstützung durch Schulleitung und Lehrerkollegium gelang es aber dennoch die
beschriebenen Ideen umzusetzen und damit internationales Interesse zu erwecken.
Das
Projekt DDC - The Walking Robots der Spengergasse hat an der Scienceweek
Austria 2000 teilgenommen und es folgten Einladungen zur Österreichischen
Physiker Tagung in Graz, zu Physics on Stage in Genf, zum Salon de l`éducation
in Paris sowie zur Tagung der Österreichischen Computer Gesellschaft im Wiener
Rathaus.
Es war
alles in allem eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit des ganzen Teams, das viel
Freizeit in das Gelingen des Projekts investiert hat, was es umso trauriger
macht, dass solche Projekte in Zukunft wohl kaum mehr durchführbar sein werden,
da die Motivation aller Beteiligten durch die massiven Verschlechterungen im
Schulbereich drastisch gesunken ist.