Impulse für die Technik

Barbara Schwarze

 „Frauen geben Technik neue Impulse“ ist eine Initiative des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Bundesanstalt für Arbeit und der Deutschen Telekom AG. Sie hat das Ziel, die Stärken und Leistungen von Frauen für die Entwicklung und Gestaltung von Technik hervorzuheben. Durch die Zusammenführung der Erfahrungen aus Schule, Berufsausbildung, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung erarbeitet die Initiative neue Ansätze für eine Steigerung des Anteils von Frauen in technischen Ausbildungen und Berufen. Ihre Schwerpunkte liegen in der Unterstützung der nationalen und internationalen Vernetzung von Frauen-Technik-Projekten und der Förderung des überregionalen Erfahrungs- und Informationsaustauschs zu frauenorientierten Curricula in technischen Berufsausbildungen und Studiengängen.

Warum diese Initiative?

Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik und der Ingenieur- und Wirtschaftsverbände warnen seit Jahren vor einem erheblichen Mangel an qualifiziertem Nachwuchs. Die aktuellen Personalprobleme in der IT-Branche spiegeln sich inzwischen in vielen Branchen der Elektroindustrie und im Maschinenbau wieder. Obwohl der extreme Mangel vielfach beklagt wird, gelingt es auch in Deutschland nicht, ein bisher für die Technikbranche wenig genutztes Potential in einem namhaften Umfang zu entwickeln: gut qualifizierte, mathematisch interessierte, ehrgeizige junge Frauen.

Inzwischen verlassen deutlich mehr Mädchen als Jungen die allgemeinbildenden Schulen mit Realschulabschluss, Fachhochschulreife oder allgemeiner Hochschulreife. Derzeit befinden sich etwa 354.000 (55%) Schülerinnen in den Jahrgangsstufen 11-13 der Gymnasien (BMBF 1998). Ein erheblicher Anteil weiblicher Studienberechtigter (je nach Jahrgang 40% und mehr) hat sich noch nicht auf eine konkrete Berufsausbildung oder ein bestimmtes Studienfach festgelegt. Hier liegen Handlungsmöglichkeiten und Chancen für die Initative.

Frauen und Technik – Figures and Facts

- Nur wenige Schülerinnen aus Mathematik-, Physik- und Informatikleistungskursen ziehen überhaupt ein Ingenieurstudium in Betracht; 28% präferieren geistes- oder gesellschaftswissenschaftliche Studienfächer, 27% ein mathematisch-naturwissenschaftliches Studium (VDE Jugendstudie, Basis 5.500 GymnasiastInnen, 1998).

- 38% der männlichen Schüler aus Mathematik-, Physik- und Informatikleistungskursen interessieren sich für Computertechnologie und Chipentwicklung, aber nur 8% der Schülerinnen (VDE Jugendstudie, 1998).

- Nur 13% der Frauen in Deutschland würden Jugendlichen ein Ingenieurstudium empfehlen, aber 29% der Männer (VDE-Technikakzeptanzstudie, 1998).

- Nur 13,6% von insgesamt 13.660 Auszubildenden in den neuen IT-Berufen in Deutschland sind weiblich (BiBB 1999).

- Der Anteil der Studienanfängerinnen im Maschinenbau beträgt 15%, ihr Anteil in der Informatik 14% und in der Elektrotechnik nur 5% (Statistisches Bundesamt, 1998).

- 1998 gab es in Deutschland 98.000 erwerbstätige Ingenieurinnen (10% der erwerbstätigen Ingenieure insgesamt), davon waren 40% unter 35 Jahren alt (Tischer, 1999).

- Fast zwei Drittel aller Ingenieurinnen mit Universitätsabschluss und fast die Hälfte aller Ingenieurinnen mit Fachhochschulabschluss arbeitet nicht als Ingenieurin oder in einem technischen Beruf (Tischer, 1999).

- 2,2% der ProfessorInnen in Ingenieurwissenschaften sind Frauen, 3,6% in Mathematik und Naturwissenschaften (BMBF, 1998).

- Der Anteil von Frauen in Führungspositionen der außeruniversitäten Forschungseinrichtungen beträgt 2,9% (BLK, 1998).

- Der Anteil an Frauen in Führungspositionen in deutschen Unternehmen stieg in den letzten 12 Jahren von 4% auf 13% (Bischoff, 1999).

Konsequenzen

In den ausgewählten Daten zeigt sich beispielhaft, dass technische Kompetenz und Männlichkeit durch Jahrzehnte der männlichen Monoedukation in den technischen Ausbildungen und Ingenieurstudiengängen in Westdeutschland scheinbar unauflöslich miteinander verquickt sind. Das berufliche „Image“ technischer Ausbildungen und Berufe ist für die Öffentlichkeit geprägt durch traditionelle Berufsbilder, straff technisch ausgerichtete Ausbildungen und eine an männlichen Leitbildern ausgerichtete Werbung für technische Produkte. Diese Elemente zusammen signalisieren (jungen) Frauen deutlich, dass dies nicht ihre ‚community‘ ist, dass sie nicht dazugehören.

Es wäre allerdings grundlegend falsch, von einer Naturwissenschafts- oder Technikdistanz zu sprechen. Die Onlinebeteiligung von Frauen ist innerhalb von eineinhalb Jahren um 10% angestiegen, in vielen männlich dominierten Berufen der siebziger Jahre sind sie heute selbstverständlich vertreten. In den Ingenieurwissenschaften ist in den letzten 20 Jahren ein Anstieg der Studienanfängerinnen von 9% auf 21% zu verzeichnen, in der Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften liegt ihr Anteil inzwischen bei 40 Prozent. Studienreformprojekte mit Ingenieurstudiengängen für Frauen steigerten deren Anteil auf über 40% (FH Wilhelmshaven, Wirtschaftsingenieurwesen) bzw. über 25% (FH Bielefeld, Elektrotechnik). Dies belegt deutlich: das Wahlverhalten verändert sich und ist veränderbar.

Aufgaben

Ingenieurverbände und Unternehmen verweisen bereits seit einigen Jahren auf die Notwendigkeit eines neuen Selbstbildes und Selbstverständnisses. Der VDI nennt hier das Bild des technischen Arztes, der ein äußerst komplexes System Technik-Mensch-Umwelt repariert, am Leben erhält, modernisiert und erneuert (Henning 1997). Ein Transfer dieses Bildes in die Öffentlichkeit hinein war bisher nicht erfolgreich. Nach wie vor stagniert die Nachfrage nach Studienplätzen in den Ingenieurstudiengängen, leichte Erholungstendenzen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die Zukunft mit erheblichen Nachwuchsproblemen in der technischen Forschung und Entwicklung zu rechnen ist. William A. Wulff, Präsident der National Academy of Engineering in den USA, führt dies u.a. darauf zurück, dass Ingenieure und Ingenieurausbildung nur in geringem Umfang in der Lage seien, die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit, aber auch den integralen Umfang an Kreativität, Spaß und Interdisziplinarität öffentlich darzustellen. Er sieht ein weiteres Problem in der einseitig männlichen Ausrichtung von Technik:

“Every time we approach an engineering problem with a pale, male design team, we may not find the best solution. We may not understand the design options or know how to evaluate the constrants; we may not even understand the full dimension of the problem.

Let me pull together the threads of creativity and diversity. I believe that the central problem of our declining enrollments, particularly among women and minorities, is our dull image, an incorrect imagean image that ignores the existential joys of engineering. At the same time, by failing to attract a diverse engineering work force, we diminish what engineering can contribute to society, and society pays an opportunity cost“ (Wulf, 1998).

Initative als Netzwerk der Netzwerke

Ein Basiselement der Arbeit der Initiative Frauen geben Technik neue Impulse ist das „Gender-Mainstreaming-Konzept“ der EU: die systematische Einbeziehung der Prioritäten und der Bedürfnisse von Frauen und Männern in alle Kernfelder der Reform technischer Ausbildungen sowie eine Überprüfung der Reformvorhaben und Maßnahmen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf beide Geschlechter. Die Initiative hat eine Koordinierungsstelle (KST) an der Fachhochschule Bielefeld eingerichtet, die die vorliegenden Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen aufnimmt, in die aktuellen Diskussionen einbringt und gemeinsam mit den Trägerinstitutionen neue, konzertierte Maßnahmen entwickelt.

Durch die Beratung von bildungspolitischen Gremien auf Bundes- und Landesebene, von Frauen-Techniknetzen der Unternehmen und Verbände und durch aktive Unterstützung der Reformnetzwerke in Hochschulen und Verbänden verstärkt die Initiative die Reformmaßnahmen. Sie fördert den internationalen Austausch zum Thema „Frauen und Technik“ und entwickelt neue Strategien und Maßnahmen zur Durchsetzung von Chancengleichheit in technischen Aus- und Weiterbildungen, Studiengängen und Berufen.

Arbeitsfelder der Koordinierungsstelle der Initiative

Die Koordinierungsstelle stellt themenzentrierte Serviceangebote bereit, informiert über aktuelle Projekte, Förderlinien, Zahlen und Daten. Sie koordiniert und unterstützt die fachliche Kompetenz der bestehenden Netzwerke und verstärkt ihre öffentliche Präsenz. Die KST nutzt hierfür ein breites Spektrum von Medien, Veranstaltungen und Projekten. Webseiten im Internet und eine neu entwickelte ExpertInnendatenbank erweitern und verbessern die Vernetzungsmöglichkeiten. Mit bis zu 110.000 Zugriffen monatlich haben sich die Webseiten unter http://lovelace.fh-bielefeld.de inzwischen zu einem viel genutzten Informations- und Austauschpool entwickelt.

Im Rahmen von internationalen Messen und Kongressen präsentiert die Initiative Beispiele beruflicher Perspektiven für Frauen in der Technik, neue technische Entwicklungen von und für Frauen, neue Formen des Lernens und der Führung von Unternehmen, neuentwickelte interdisziplinäre Technikstudiengänge und Informationen zu Frauen-Technik-Netzwerken. Sie kooperiert hier intensiv mit Unternehmerinnen, Forscherinnen, Verbänden und Projekten.

Breiten Raum nehmen die Anregung und Durchführung von Expertinnengesprächen und Projekten ein, in denen neue Standortbestimmungen, Zielsetzungen und Umsetzungsstrategien erarbeitet, diskutiert und veröffentlicht werden. Aktuelles Beispiel ist die Initiativekampagne „Frauen ans Netz“, die in Kooperation mit der Zeitschrift „Brigitte“ durch Internetkurse für Frauen in ca. 100 Städten eine deutliche Steigerung der Onlinebeteiligung erreichen soll.

In der Schriftenreihe der Initiative sind bisher zwei Bände zu den Themen „Zukunftsberufe für Frauen – Chancen im Multimediabereich“ und „Frauen in technischer Forschung und Entwicklung“ erschienen. Der dritte Band zum Thema „Strategien des beruflichen Auf- und Neueinstiegs“ erscheint im Herbst 1999. Parallel zur Schriftenreihe gibt die Koordinierungsstelle halbjährlich ein impulseINFO heraus, das u. a. Vorankündigungen für Veranstaltungstermine, nationale und internationale Kongresse und Messen enthält und auf wichtige Aufsätze, Leitartikel und Veröffentlichungen hinweist.

Zukünftige Aufgaben

Ende Dezember 1999 wird die Erprobung des Projekts Koordinierungsstelle für die Initiative abgeschlossen sein. Gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Beirat haben sich die Trägerinstitutionen der Initiative dafür ausgesprochen, für die Jahre 2000ff. ein Kompetenzzentrum „Frauen und Technik“ aufzubauen. Die erfolgreiche Arbeit der Initiative soll dann gestützt auf eine breite Basis von Frauen-Techniknetzen, Bildungs- und Forschungsinstitutionen, Verbänden und Unternehmen fortgesetzt werden.

Kontakt:

Initiative Frauen geben Technik neue Impulse

Fachhochschule Bielefeld, Postfach 10 11 13, D-33511 Bielefeld

Fon: +49/521/106-7323, Fax: +49/521/106-7171, E-mail: impulse@lovelace.fh-bielefeld.de

Homepage: http://lovelace.fh-bielefeld.de

Literatur:

BiBB, 1999: It-Berufe: Daten und Fakten. Im Internet unter www.bibbb.de/forum/itberufe/it_1.htm.

Bischoff, Sonja, 1999: Zit. Nach Wirtschaft-Aktuell: Im Internet unter www.berlinonline.de/wirtsch.../dpa_onl12_19_0208_0802062512.html

BLK (Hrsg.), 1999: Frauen in Führungspositionen. Heft 68 der Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung, Bonn.

BMBF (Hrsg.), 1998: Grund- und Strukturdaten 1998/99, Bonn.

Henning, Klaus, 1997: Chancen im Ingenieurberuf – Erfolgsfaktor Persönlichkeit. In: VDI-Nachrichten, Fazit Sonderheft vom 12.12.1997 „Ingenieur - Berufsbild im Wandel“. Düsseldorf: VDI Verlag GmbH.

Statistisches Bundesamt, 1998: Entwicklung der Studierenden und Studienanfänger in den Ingenieurwissenschaften, Wiesbaden.

Tischer, Ute, 1999: Situation und Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieurinnen. Nürnberg: Bundesanstalt für Arbeit, Referat für Frauenbelange.

VDE, 1998: VDE-Studie Jugend und Technik. Im Internet unter www.vde.de/html/d/techclub/jugend1.htm.

VDE (Hrsg.), 1998: VDE-Studie ´98 Technikakzeptanz in Deutschland, Frankfurt.

Wulf, William A., 1998: Diversity in Engineering. The Bridge Vol. 28 (4).

Barbara Schwarze ist Diplomsoziologin und seit November 1996 Leiterin der Koordinierungsstelle der Initiative Frauen geben Technik neue Impulse. Von 1994 bis 1997 war sie wissenschaftliche Leiterin des Bund-Länder-Modellversuchs „Frauen im Ingenieurstudium an Fachhochschulen – Geschlechtsspezifische Aspekte in Lehre und Studium“ an der Fachhochschule Bielefeld. E-mail: bschwarz@fhzinfo.fh-bielefeld.de.