EFS
First Interactive Elephant
Feeding System
Vor rund einem Jahr begann für vier Maturanten des TGM, einer höheren technischen Lehranstalt in Wien XX, ein Projekt „der anderen Art“. Es sollte keine sinnarme Ingenieursarbeit sein, sondern etwas, was es auf diesem Gebiet noch in keinem Teil der Welt gibt. So entschied man sich für die Realisierung einer interaktiven, programmierbaren Elefantenfütterungsanlage für den Tiergarten Schönbrunn.
Aber woher stammt die Idee für dieses außergewöhnliche Projekt?
Vor geraumer Zeit diskutierten der Vize-Direktor des Tiergarten Schönbrunn, der mit seinem Team für die Elefanten zuständig ist, Dr. Harald Schwammer mit Dipl.-Ing. Norbert Bartos, einem Professor am TGM und Technikum Wien, was man im neuen Elefantenhaus noch machen könne...
Bild 1 – das Elefantenhaus im Tiergarten Schönbrunn
Und so wurde nach und nach aus der ursprünglichen Diskussion eine handfeste Idee.
Das Projekt
Schüler von höheren technischen Lehranstalten beenden ihre Ausbildung in der Regel mit einem Ingenieursprojekt, bei dem sie ihre Kenntnisse und Erfahrungen der letzten vier Jahre in die Praxis umsetzen können. Unter Betreuung eines Lehrers wird dann an einem fachspezifischen Projekt ein Jahr lang im Team gearbeitet und abschließend eine Diplomarbeit darüber geschrieben.
In unserem Fall betreute uns schon voriges Jahr Prof. Bartos im Fach Fertigungstechnik und Konstruktionslehre der vierten Klasse und schlug uns für dieses Jahr ein neues Projekt vor. Nach einer kleinen Projektpräsentation von Prof. Bartos war uns klar, dass dies ein Ingenieursprojekt werden könnte, welches uns wirklich in vielen Bereichen in der Technik, als auch in der Mechanik fordern würde. Doch gerade deswegen beschlossen wir die Elefantenfütterungsanlage für den Tiergarten Schönbrunn zu realisieren.
Nachfolgendes Blockschaltbild soll nun erklären, wie dieses Fütterungssystem funktioniert:
Bild 2 – Blockschaltbild des Systems
Beschreibung des Systems
Wieso wird eigentlich eine Elefantenfütterungsanlage gebaut?
Diese Frage ist recht leicht zu beantworten – Studien des Tiergarten Schönbrunn ergaben, dass Elefanten im Durchschnitt um die vier Stunden schlafen und dann ‚nachtaktiv’ sind.
Und so kamen Dr. Harald Schwammer und Prof. Norbert Bartos auf die Idee eines voll programmierbaren, automatisch arbeitenden Fütterungsautomaten, der die Tiere in der Nacht anstelle eines Pflegers mit Futter versorgen würde.
Wie schon erwähnt, wurde aus dieser Idee ein Ingenieursprojekt und vier Maturanten des TGM beschäftigten sich seit September 2000 mit der Planung und Realisierung des Fütterungssystems. Nach zahlreichen Stunden der geistigen Arbeit wurden so die ersten Vorschläge zur Umsetzung des Systems zu Papier gebracht, um zum einfachsten Konzept zu kommen.
Bild 3 – schematische Anordnung des Fütterungsturms
Das Fütterungssystem findet seinen Platz in etwa 4m Höhe direkt im Elefantenhaus. Hinter dem Gehege befindet sich ein Freiraum, der sonst nur für Pfleger zur Fütterung zugänglich ist. Dieser birgt genug Platz, um eine Elefantenfütterungsanlage unterzubringen. So kam uns die Idee, das System den Anforderungen des Tiergartens nach, in zwei große Teile zu unterteilen:
in den eigentlichen Fütterungsturm und ein separates Förderband.
Der Fütterungsturm enthält vier Fächer, welche für Schüttgut gedacht sind. In drei Fächern findet größeres Schüttgut, wie beispielsweise Äpfel oder Karotten mit einem Gewicht bis zu 10 kg pro Fach Platz, das Vierte ist für etwa 1 kg Nüsse gedacht. Diese vier Fächer können einzeln mittels besonderer Hub-/Stellmotoren lautlos geöffnet werden, welche auch verhindern, dass das Schüttgut selbstständig in das Gehege rutschen kann. Das Förderband ist gedacht, um Heuballen einzeln ins Gehege zu befördern.
Das Herzstück des Elefantenfütterungssystems ist ein Microcontroller der C167-Familie – ein 16-Bit-Controller, der die Steuerung, die Ein- und Ausgabe, sowie die Kontrolle des Systems übernimmt. Zu seinen Aufgaben gehört die Steuerung und Kontrolle der Öffnungs- und Schließmechanismen, d.h. die Ansteuerung der Motoren, welche die Klappen bewegen.
Weiters steuert der Microcontroller das Förderband und mittels Sensorik kann genau ein Heuballen nach dem Anderen zu den Elefanten befördert werden.
Dem Pfleger der Elefanten wird mit diesem System eine Tastatur und ein Display zur Verfügung gestellt. Über eine eigens entwickelte Software kann der Pfleger nun jedes der vier Fächer des Fütterungsturms und das Förderband unabhängig voneinander zeitlich steuern. Das heißt, er hat die Möglichkeit (bei vier befüllten Fächern und drei Heuballen am Förderband) sieben Uhrzeiten einzugeben, zu denen sich das jeweilige Fach öffnet oder das Förderband eines Heuballen ins Gehege transportiert. Die Bedienungsoberfläche wurde besonders einfach und verständlich gehalten. Somit ist keine spezielle Vorkenntnis für den Bediener notwendig.
Die Gruppe
In der Entwicklungsgruppe der Elefantenfütterungsanlage arbeiteten vier Maturanten der 5DEN des TGM unter Betreuung von Prof. Bartos. Die Aufgabenteilung innerhalb der Gruppe sieht wie folgt aus:
Name: |
verantwortlich für: |
Anmerkungen: |
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Alfred BARINA |
Ein-/Ausgabe |
Display und Tastatur des C167 (in Zusammenarbeit mit Hr. Schütz) |
Software |
Testmenü, Testfunktion und Benutzeroberfläche |
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Hardware |
Microcontroller, Uhr, Display und Tastatur |
Martin REIDL |
Mechanik |
Planung und Fertigung des Fütterungsturmes (in Zusammenarbeit mit Hr. Schmid) |
Plakat |
Präsentationsplakat für den Tiergarten Schönbrunn |
Lukas SCHMID (GL) |
Motorik |
Öffnungs- und Schließmechanismen der Klappen (in Zusammenarbeit mit Hr. Schütz) |
Mechanik |
Rutsche Förderband, Montage Förderband |
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Elektronik |
Lichtschranke |
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Projektmappe |
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Projektmanagement |
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Homepage |
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Richard SCHÜTZ |
Förderband |
Ansteuerung und Kontrolle |
Software |
Steuerung der Klappen, des Förderbandes und Kontrolle der Sensorik |
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Hardware |
Microcontroller und Sensorik |
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Ein-/Ausgabe |
Display und Tastatur des C167 |
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Elektronik |
Lichtschranke (in Zusammenarbeit mit Herrn Schmid), diverse weitere Zusatz - Platinen |
Grundsätzlich wurde zu Beginn des Projektes eine Aufgabenteilung innerhalb der Gruppe festgelegt, doch während der ersten Wochen kristallisierten sich einige Veränderungen heraus. Das Projekt lässt sich in drei große Teile aufteilen:
- Mechanik
- Hardware
- Software
Den ersten großen Teil des Elefantenfütterungssystems – die Mechanik – erstellte Martin Reidl in Zusammenarbeit mit Lukas Schmid. Dieser Teil umfasst sowohl die Planung und Zeichnung des Fütterungsturmes, sowie die komplette Fertigung in der Werkstätte des TGM.
Es ist relativ ungewöhnlich, dass sich Absolventen der Abteilung Elektronik mit derartigen mechanischen Arbeiten beschäftigen, da das eigentlich nicht in ihren Fachbereich fällt, doch da Martin Reidl an diesem Part besonders interessiert war, wurde die Realisierung mit Hilfe diverser Fachlehrer der Werkstätten des TGM kein Problem.
Den zweiten großen Teil des Systems stellt die Hardware dar, die großteils von Alfred Barina Richard Schütz und Lukas Schmid übernommen worden ist. In diesen Aufgabenbereich fällt der Umgang mit dem Microcontroller-Kit der Firma Siemens/Infineon, mit dem Richard Schütz arbeitet, sowie diversen Platinen zur Ansteuerung der Motoren und des Förderbandes und Teile der Sensorik.
Bild 4 – C 167-Starter Kit
Von Lukas Schmid wurde die endgültige Version des Infrarotsensor-Systems erstellt, die das Förderband steuert. Der Entwurf und die Schaltung stammen aus der Fachliteratur. Alfred Barina befasste sich gemeinsam mit Richard Schütz mit der Ansteuerung und Realisierung der Ein- und Ausgabe, welche über eine Tastatur und ein Display geschieht.
Der dritte große Teil des Projekts umfasst die Software, die von Richard Schütz und Alfred Barina programmiert wurde. Gearbeitet wurde in einem Software Emulator, der den eingegebenen Quellcode in der Programmiersprache C, in Maschinencode für den Infineon C167-Prozessor wandelt. In der Software musste die Steuerung der Motoren zum Öffnen/Schließen der Klappen des Fütterungsturms, die Ansteuerung und Kontrolle des Förderbandes, sowie die Benutzeroberfläche für den Pfleger umgesetzt werden.
Weitere wichtige Tätigkeiten im Rahmen des Projektes waren die Suche nach geeigneten Motoren, sowie die Implementierung dieser zum Öffnen/Schließen der Klappen des Fütterungsturms, da auf diesem Gebiet nur wenige brauchbare Lösungen zur Verfügung standen. Die Realisierung wurde mittels spezieller Hub-/Stellmotoren der Firma Siemens/Landis-Staefa durchgeführt, die allen Anforderungen des Systems entsprachen.
Weiters wurde in der Gruppe großer Wert auf Projektmanagement und Präsentation gelegt, da das Ingenieursprojekt schon mehrmals vorgestellt wurde, beispielsweise beim Besuch der bayrischen Unterrichtsministerin am 16. Februar 2001. Schon im ersten Stadium des Projektes wurde eine Homepage auf die Beine gestellt, die in späterer Folge weiter ausgebaut wurde und das Projekt repräsentiert.
Zu den Persönlichkeiten des Teams
Das Organisationstalent – wenn etwas fehlte, oder Kontakte zu Professoren zu knüpfen waren, trat Alfred Barina in den Mittelpunkt. Durch seine Nebenbeschäftigung als Netzwerkadministrator am TGM wurde oft die Zeit für das Projekt knapp, doch in zahlreichen Nachtschichten fand sich doch noch so manche freie Stunde für das Projekt...
Der Werkmeister – wenn es um irgendeine mechanische Arbeit ging, war Martin Reidl gefragt, der lieber mit handfesten Dingen arbeitet, als mit Software... (Zitat: „Da hab’ ich nichts, was ich angreifen kann“)
Der Chef – als Gruppenleiter des Teams war sein Aufgabenbereich zwar ziemlich klar definiert, doch irgendwie arbeitete er an allem und nichts. Doch eines hat er immer getan: das Projekt und die Gruppe repräsentiert und verkauft, besonders gerne in der Öffentlichkeit...
Das Genie – durch seine harte Arbeit und seinen unermüdliche Einsatz, konnte so mancher als unmöglich erscheinende Part doch noch realisiert werden, denn Richard Schütz ist ein wahrer Workaholic. Seine Energie musste zwar manchmal in die richtigen Wege geleitet werden, doch eine Menge des Erfolgs, der erreicht wurde, ist auf seinen großen Einsatz zurückzuführen...
Der Projektbetreuer – für ihn gab es kein Problem, für das es nicht auch eine Lösung gab.
Egal wie viel Zeit er sich nehmen musste und dafür andere „langweilige“ Stunden fallen lassen musste, war er immer für das Team da und mit Rat und Tat bei der Sache.
Doch für uns war er nie der autoritäre Professor sondern eher der gemütliche Mitarbeiter...
Finanzierung der Elefantenfütterungsanlage
Ein wichtiger Punkt dieses Ingenieursprojekts ist die Finanzierung, da der Tiergarten für die Herstellung der Elefantenfütterungsanlage nicht aufkommen sollte. Dabei war die hauptsächliche finanzielle Stütze, abgesehen von der Unterstützung durch das TGM und seine Lehrer, durch eine kleine Gruppe großer Namen möglich. Die Rede ist von Firmen, die sich meist nach einem Gespräch überreden ließen, diverse Teile des Projektes zu sponsern.
So bekamen wir nach einer kurzen Projektbeschreibung mit der Firma Siemens/Landis-Staefa vier der derzeit besten Hub- und Stellmotoren. Wie in der Beschreibung des Systems bereits erwähnt, dienen diese dazu, die Klappen der vier Fächer des Fütterungsturmes zu öffnen und zu schließen, damit sich das darin enthaltene Schüttgut in das Gehege entleeren kann.
Ein gebrauchtes Förderband, welches in seinen Abmessungen und seiner mechanischen Ausführung nahezu ideal zur Anlage passt, erhielten wir von der Firma Rollo/Ing. Teufel.
Weiters wurde uns von einer Infineon-Partnerfirma dankenswerterweise ein C-167 Microcontroller-Kit zur Verfügung gestellt.
Das Display des Ein-/Ausgabe-Teils kommt von der Firma Sharp, die zu Testzwecken sogar mehrere Displays zur Verfügung gestellt hat und uns immer mit Rat und Tat zur Seite stand.
Diverse Bauteile, welche auf unseren Platinen wiedergefunden werden können, wurden von RS Components zur Verfügung gestellt.
Die übrigen Materialkosten wurden vom TGM übernommen und wie man mit geschultem Auge an der Anlage erkennen kann, wurde dabei nicht gespart. Der Fütterungsturm besteht komplett aus Nirosta, einem nichtrostenden, schwer zu bearbeitenden Material, welches den hohen hygienischen Bedingungen entspricht.
Der Nirosta-Stahl konnte nicht in der Werkstätte des TGM zugeschnitten werden, so erklärte sich kurzerhand die Firma KBA-Mödling AG bereit, das für uns zu übernehmen.
Da unser Team also an einem nicht alltäglichen Ingenieursprojekt arbeitete, konnten auch einige Professoren involviert und dafür begeistert werden. So standen uns die meisten Türen im TGM offen und wir konnten mit Hilfe vieler Professoren und Fachlehrer an unserem Projekt arbeiten.
Die direkten Materialkosten, welche von den Sponsoren übernommen wurden, belaufen sich auf etwa ATS60000,-- (~ €4400,-- ). Die nach industriellen Kriterien kalkulierten Kosten für die Entwicklung und Herstellung des Prototyps der Elefantenfütterungsanlage wären sogar mehr als 1 Million Schilling (~ €80000,--).
Die Übergabe und Inbetriebnahme der Anlage erfolgt im Frühsommer 2001, gerade rechtzeitig zum „International Elephant and Rhino Research Symposium“.
Bild 5 – Gruppenbild im Tiergarten
Lukas SCHMID, Dipl.-Ing. Norbert BARTOS, Dr. Harald SCHWAMMER