Telekommunikation, Teil 2

Vom Drucktelegraphen zum Telex-Netz

Oskar A. Wagner

 

In der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift wurde die Entstehungsgeschichte der elektrischen Telegraphie bis zum internationalen  Telegraphenalphabet, dem ersten Standard für Informationsaustausch dargestellt, dem Urknall des Internet gewissermaßen.

 

Bedarfsweckung und Bedarfsdeckung in der Telegraphie

 

Die geringe Übertragungsgeschwindigkeit und der daraus folgende geringe Datendurchsatz von durchschnittlich 80...100 Buchstaben pro Minute bei der Tastentelegraphie waren für das Kommunikationsbedürfnis der damaligen Zeit völlig ausreichend. Der Umstand, dass  ausschließlich mit der Handhabung vertraute Personen untereinander Informationsaustausch pflegen konnten, war der wesentlichste Schwachpunkt der Tastentelegraphie.

 

Der Wunsch, sowohl leichte Bedienbarkeit als auch leichte Lesbarkeit zu erreichen, führte zu einer Fülle weiterer Erfindungen, wie dem Drucktelegraphen von Royal E. House, einem bereits in den USA geborenen Bürger aus Vermont im Jahre 1846. Die Eingabe erfolgte über eine Klaviatur mit 28 Tasten. Jede dieser Tasten gestattete einen Buchstaben oder eine Ziffer bzw. Zeichen zu senden. Beim Empfänger erfolgte der Abdruck mittels eines Typenrades auf einem Papierstreifen. Mit diesem Apparat wurde im Vergleich zur Tastentelegraphie etwa die doppelte Übertragungsgeschwindigkeit erreicht, wofür ihm auch ein Patent erteilt wurde, das sich später als fraglich erwies. Um langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, konstruierte er seine Maschine um, und ersetzte verschiedene magnetische Lösungen durch pneumatische. Das daraufhin 1848 erteilte Patent war über jeden Zweifel erhaben.

 

 

House’s - Drucktelegraph

 

Die erste Übertragungsstrecke mit diesem Drucktelegraphen wurde im März 1849 zwischen Washington D.C. und Philadelphia in Betrieb genommen. Noch im Herbst folgte eine weitere Strecke zwischen New York und Boston. 1853 wurde in Kuba mit der Errichtung eines insgesamt 1200 Meilen langen Netzes mit 51 Stationen nach diesem System begonnen. Dennoch hatten die Apparate House’s einen entscheidenden Nachteil. Zur Handhabung einer Station waren zwei Personen notwendig. Eine die, man beachte die Handkurbel auf dem Bild, die zur Funktion nötige mechanische Energie zuführte, und einen Telegraphisten.

 

Der Typenraddrucker erobert die Welt...

 

Dem Drucktelegraphen zu weltweitem Ansehen hat  die Entwicklung von David Edward Hughes (1831 – 1900), einem Amerikaner britischer Abstammung, verholfen. Seine Familie emigrierte in die USA als er sieben Jahre alt war. Er unterrichtete Musik am St. Joseph's College, Bardstown, Kentucky. Eigentlich wollte der damals 24-jährige Musiklehrer eine Maschine entwickeln, mit der er Musik speichern und übertragen konnte. Dabei mussten die solchermaßen miteinander verbunden Geräte aufeinander abgestimmt – synchronisiert – werden. Durch Zufall erfuhren ein Gruppe New Yorker Geschäftsleute, die gerade die American Telegraph Company gegründet hatten von diesen Arbeiten und erkannten sofort deren Nutzen. Gemeinsam mit George Phelps, einem zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Erzeuger diverser telegraphischer Geräte wurden letztlich alle Schwierigkeiten gemeistert, und eine, trotz äußerlicher Ähnlichkeit mit House’s Telegraph, völlig neue Form des Typenraddruckers entwickelt. Die Patenterteilung erfolgte 1855.

 

...von Wien aus

 

Im Jahre 1867 erwarb die österreichische Regierung von Hughes die Rechte an seinen Patent, und Otto Ritter von Schäffler sorgte für die Einführung in Österreich-Ungarn. In seiner Wiener Firma "Telegraphen- und Telephonbauanstalt O.S." brachte er eine Produktion in Gang, die den ausländischen Erzeugnissen überlegen war. Beim Internationalen Telegraphenkongress1868 in Wien wurde der Hughes-Drucktelegraph weltweit eingeführt. Zur Jahrhundertwende waren in Europa mehr als 2.300 derartige Telegraphen in Betrieb. Apparate diesen Typs wurden bis etwa 1930 bei vielen Post- und Telegraphenverwaltungen verwendet und erst durch den Springschreiber verdrängt. David E. Hughes verdanken wir darüber hinaus auch noch das Kohlemikrophon (1878).

 

 

 

Huhges – Typendrucktelegraph

 

Mit den immer schnelleren Telegraphen kam aus den Kreisen des Handels und der Wirtschaft  der deutliche Wunsch nach einem unmittelbaren Telegraphieverkehr zwischen Aufgeber und Empfänger, analog dem mittlerweile entwickelten Sprechtelegraphen. Daraus ergab sich zwingend, dass – vom apparattechnischen Standpunkt aus betrachtet - nur ein Gerät diesen Anforderungen genügen würde, das in Bedienung und Wartung der damals wichtigsten Büromaschine, der Schreibmaschine, möglichst nahe kam.

Geburtsstunde der asynchron-seriellen Datenübertragung

Dieser Wunsch führte in den 20- Jahren des 20. Jahrhunderts zur Entwicklung des „Springschreibers nach dem Start-Stop-Prinzip“. Maßgebend für die Entwicklung dieser Geräte waren in Europa die britische Firma Creed & Company, sowie die deutschen Firmen Siemens und Lorenz.

Der Springschreiber arbeitet nach dem vereinfachten Gleichlaufverfahren. Für den Abdruck eines Zeichens werden Sender und Empfänger mit einem ständig laufenden Motor für die Dauer einer Umdrehung gekuppelt. Nach jeder Umdrehung erfolgt bis zum neuerlichen Eintreffen eines Zeichens eine Sperre beider Einheiten. Dabei wird den fünf informationsbestimmenden Schritten eines Zeichens ein Startschritt voran und ein Stopschritt nachgesetzt. Das Wesentliche dieses Verfahrens ist das sprungweise Arbeiten des Gerätes.

 

 

Im Springschreiber vereinigten sich Getriebetechnik, Werkstoffbehandlung und Herstellung zu einem feinmechanischen Kunstwerk. Das Bild zeigt eine offene Fernschreibmaschine Type Siemens 37i

 

Damit hatte die Telegraphie den zwischenzeitlichen Vorsprung des Fernsprechers nicht nur aufgeholt, sondern sogar noch überflügelt, da auch bei Abwesenheit eines verlangten Teilnehmers Fernschreiben übermittelt werden konnten. Auch die zwischenstaatliche Teilnehmer-Telegraphie begann sich rasant zu entwickeln, nicht zuletzt deshalb, weil im wesentlichen von Beginn an nach einheitlichen Grundsätzen gearbeitet wurde. Die letzten Bausteine dazu sind durch die Beschlüsse des Comité Consultatif International Télégraphique et Téléphonique (CCITT) auf der Tagung in Prag 1934 gelegt worden, wonach als Übertragungsstandard das Telegraphenalphabet Nr. 2 festgesetzt wurde.

 

CCITT - Ein ständiges, beratendes Organ der Internationalen Fernmeldeunion, das u.a. für internationale Empfehlungen und Standardisierungen im Fernmeldewesen zuständig ist. In diesem international beratenden Ausschuss für Telegrafen-, Fernsprechdienste und Telekommunikationsdienste erarbeiteten die Fernmeldeverwaltungen und Hersteller die sogenannten CCITT-Empfehlungen. Sie dienen als Richtlinien für die Beschaffung von Ausrüstungen, für die Fernmeldedienste und für die Zulassung von Endgeräten, die diese Dienste nutzen möchten.

 

Das Telegraphenalphabet Nr.2 erlaubt die Übertragung aller lateinischen Buchstaben und Ziffern, sowie eine begrenzte Auswahl an Zeichen. Unabhängig von dieser Norm gibt es analog zum ersten Telegraphenalphabet auch spezielle Maschinen zur ausschließlichen Verwendung in einer durch andere Schriftzeichen geprägten Sprachgruppe, sowie Maschinen die zusätzlich zu den lateinischen die nationalen Schriftzeichen verarbeiten, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:

 

 

 

Mit diesen Geräten beträgt der Datendurchsatz bei einer Telegraphiegeschwindigkeit von 50 Baud in Europa 400 Zeichen pro Minute, in den USA bei 45,45 Baud 368 Zeichen pro Minute. Parallel zu den Endgeräten wurde die Teilnehmer-Wähltelegraphie entwickelt. Dabei stellt jeder einzelne Teilnehmer die Verbindung mittels Wählscheibe her.

 

In der Telekommunikation stellte die Entwicklung des Springschreibers und die Einführung des TELEX-Netzes (TELetype-EXchage) einen Quantensprung dar.

 

In Österreich begann die Teilnehmerwähltelegraphie im Jahre 1936 mit der Errichtung eines TW-Amtes in Wien, das an Nürnberg angeschlossen war. In der Folge wurden auch die Ämter Linz und Graz an Nürnberg angeschlossen. 1945 wurden die Ämter Linz und Graz mit dem Hauptamt Wien verbunden, und in der Folgezeit die Ämter Innsbruck Ende 1947, Salzburg, Klagenfurt und Bregenz im Jahre 1948 in Betrieb gehen.

 

 

In Österreich werden überwiegend Fernschreibmaschinen der Fabrikate Siemens, Lorenz (ITT), und Olivetti verwendet. Die Abbildungen zeigen typische Fernschreibmaschinen aus der Zeit der „TELEX-Hochkonjunktur

 

T100, die von Siemens am meisten gebaute Fernschreibmaschine

T 100, die am meisten gebaute Siemens Fernschreibmaschine, wurde in zahlreichen Versionen von 1958 - 1980 produziert.

 

Fernschreibmaschine Lo 133 mit Lochstreifengeräten 

 

Lorenz 133 Apparat mit integriertem TW-Anschaltegerät und guter Schalldämmung.

Olivetti Blattschreiber T2-CN

T2-CN der Austro-Olivetti Büromaschinen A.G.

Olivetti-Fernschreibmaschinen waren mit einem polarisierten Relais und einem Umschalter versehen, wodurch sie unmittelbar an jeder Art von Leitungskreisen (Einfach- oder Doppelstrom) verwendet werden konnten, ohne dass Zwischeneinrichtungen verwendet werden mussten.

Bis in die späten 80- Jahre des 20. Jahrhunderts ist der Fernschreibdienst insbesondere wegen seiner hohen Zuverlässigkeit für die schriftliche Kommunikation der Wirtschaft unverzichtbar. Seit der Einführung des Telefaxgerätes ist die Zahl der Fernschreibanschlüsse weltweit stark rückläufig. Die Daten für Österreich: 1993 - 10.003, 1995 - 5390, 1998 - 1203, mit 1. Jänner 2001 nur mehr 502 Teilnehmer.