United Soft Media; ISBN 3‑8032‑9650‑1; DVD‑ROM (ca. 1,86 GB); öS 772,— / ca. Euro 56,10
Mit neuen Speichermedien kommen auch Anwendungen, die bisher durch Platzmangel einfach nicht oder nicht adäquat realisierbar waren. Der Kosmos Weltatlas 2000 DVD ist eines dieser Produkte: er verspricht nicht mehr und nicht weniger als die Möglichkeit, einen virtuellen Flug mit einem Zeppelin über die gesamte Erde zu machen. Die dafür notwendigen insgesamt ca. 1,86 Gigabytes würden drei CD-ROMs füllen, aber natürlich wäre es untragbar, bei einem Flug um die Welt mindestens zweimal eine andere CD einlegen zu müssen. Durch die DVD entsteht hier ein echter Qualitätssprung, bedingt durch den Quantitätssprung in Sachen Speicherplatz.
Vor das lustige Fliegen mit dem Zeppelin hat man aber leider ein Installationsprogramm gepackt, das nicht wirklich glücklich macht. Ohne Angabe des benötigten Speicherplatzes fragt es nur nach einem Verzeichnis, und dann geht es erst so richtig kurios weiter: auch wenn man für die Installation im Startmenü eine neue Gruppe auswählt, landen die Verknüpfungen doch auf alle Fälle in „United Soft Media“, der voreingestellten Gruppe.
Noch ärgerlicher wird es bei der Systemerweiterung DirectX. Eine Version ab 6.1 ist erforderlich und auch auf der DVD enthalten. Wenn man aber diese oder eine höhere Version schon installiert hat und daher versucht, durch Deaktivieren der entsprechenden Option auf die Installation dieser Treiber zu verzichten, zeitigt das gar keine Wirkung. Die DirectX-Installation läuft unbeirrt trotzdem und ohne weitere Interaktionsmöglichkeit. Zum Glück scheint das Programm allerdings intelligent genug zu sein, um keine Dateien zu überschreiben, die bereits in aktuelleren Versionen installiert sind.
Letztlich stellt sich heraus, dass das Programmverzeichnis auf der Festplatte mit ungefähr 38 MB zu Buche schlägt. Nicht in diesem Wert enthalten sind an anderer Stelle installierte Treiber, insbesondere DirectX. Dieses wird übrigens für die 3D-Darstellung gebraucht, welche eine moderne Grafikkarte mit Hardwarebeschleunigung und zumindest 8 MB voraussetzt.
Ebenfalls vorausgesetzt wird ein MPEG-2-Decoder in Hard‑ oder Software, damit die enthaltenen Filme abgespielt werden können. Hier gab es mit einem der beiden Testsysteme massive Probleme: ein Hardware-Decoder (LuxSonor LS242) wurde offenbar nicht richtig erkannt und/oder angesprochen. Das Programm startete mit einem schwarzen Bildschirm, versuchte zur Begrüßung einen Film abzuspielen und scheiterte kläglich. Es blieb beim schwarzen Schirm, und trotz erfüllter Systemvoraussetzungen war das Programm nicht verwendbar. Abhilfe schuf schließlich die völlige Deaktivierung des Decoders im Gerätemanager. Danach beklagte sich das Programm zwar, weil es keine Filme abspielen konnte, aber immerhin war der Rest funktionsfähig.
Eine seltsame Eigenheit blieb allerdings bestehen und war auch nicht zu eliminieren: das Programm schaltet beim Start in den Grafikmodus mit 800 mal 600 Punkten und besteht auch darauf, in diesem Modus zu bleiben. Auf einem der Testsysteme, einem Notebook-PC, war das besonders unangenehm, weil die Darstellung mit unschönen Stufen auf die höhere Auflösung des Displays skaliert wurde. Beim Wechsel zu einer anderen Anwendung klappt es zwar auch in einem Fenster, aber sobald man zum Atlas zurückwechselt, wird auch der Bildschirmmodus wieder geändert. Außerdem besteht das Fenster darauf, immer über allen anderen zu bleiben. Wenn man es nicht verkleinert, lässt sich dadurch ohnehin nicht viel anderes anfangen.
Trotz dieser Anlaufschwierigkeiten stellte sich die Arbeit mit der DVD als zumindest teilweise erfreulich heraus. Die dreidimensionalen Landschaften sind mit einigermaßen gut aufgelösten Texturen überzogen und bieten einen brauchbaren Eindruck der Gegebenheiten, auch wenn es besonders in den Bergen schon einmal vorkommt, dass ein See sich als verblüffend schiefe Ebene darstellt. Die Steuerung des virtuellen „Zeppelins“ erfolgt intuitiv, und durch eine mitlaufende Koordinaten‑ und Ortsanzeige sowie Kompass und Übersichtsglobus behält man auch in weniger geläufigen Landschaften problemlos die Orientierung.
Einige Probleme mit der Orientierung hatten allerdings die Hersteller, wie es scheint. Das Kartenmaterial ist an manchen Stellen zweifelhaft, an anderen schlicht fehlerhaft. So werden zum Beispiel unsere nördlichen Nachbarn ihrer Hauptstadt beraubt, um sie an ungewohnter Stelle wiederzufinden: Prag hat man gemeinsam mit Plzen kurzerhand in den Golf von Aden verpflanzt. Abgesehen von der Peinlichkeit, dass dort nun angeblich zwei Städte im Meer liegen, kann man bei einer Verpflanzung in den Südosten der Arabischen Halbinsel schon nicht mehr nur von einem kleinen Fehler sprechen.
Ein anderes kurioses Beispiel ist der Flug über Österreich. Wenn man den Osten erreicht, wird unter den Gewässern zwar die Feistritz beschriftet, aber Donau und Neusiedler See bleiben unerwähnt. Noch seltsamer wird es bei den Städten, wo zwar Linz, Brno, Bratislava und Budapest zu sehen sind, aber das auch nicht gerade kleine Wien unerwähnt bleibt. Dafür ist Wien im Index der ebenfalls vorhandenen zweidimensionalen Karte mit drei Einträgen vertreten: „Wien“, „Becs (Wien)“ und „Dunaj (Wien)“. Während der erste Eintrag offensichtlich und der zweite ungarisch (warum?) ist, bezeichnet der dritte leider nicht Wien, sondern die Donau. Auch andere Kleinigkeiten gibt es zu beanstanden, wie z.B. den Eintrag „Gmund“ statt „Gmünd“ im Nordwesten Niederösterreichs.
Ausgesprochen angenehm fallen dagegen die zweidimensionalen Karten auf. Die Darstellung ist gut aufgelöst und klar, und in der Regel kann man auch eine Ebene weiter in die Karte zoomen. Für alle Länder der Erde gibt es nicht nur Landkarten, sondern auch diverse Datensammlungen von Klima bis Population, von bezogener Entwicklungshilfe bis zur Religion. Auch im weltweiten Vergleich können diese Daten betrachtet werden.
Enttäuschend wirkt allerdings die Mediengalerie. Gerade auf eine DVD in der Regel nur ein einziges Foto pro Land zu packen (insgesamt ca. 200), scheint absurd. Hier wurde ebenso am falschen Platz gespart wie bei den nur 26 sehr kurzen Filmen. Der geräumigen DVD wird durch diese „Medienknappheit“ nur schlecht Rechnung getragen. Es sollte doch kein Problem sein, für jedes Land zumindest mehrere Fotos aufzutreiben. Sogar die gesamten USA mit einem einzigen Foto (von New York City) abzuhandeln, erscheint schlichtweg absurd.
Insgesamt hinterlässt die DVD-ROM leider einen recht zwiespältigen Eindruck. Einerseits ist die Idee gut, und auch die Umsetzung ist streckenweise durchaus gelungen. Andererseits sind die K(r)ämpfe mit diversen technischen, aber auch fachlichen Details auf die Dauer wirklich unangenehm. Daher kann die DVD leider nicht ohne Einschränkung empfohlen werden, auch wenn das Konzept stimmt. Der relativ hohe Preis tut ein Übriges, denn er wäre wohl nur für ein gut funktionierendes Produkt angemessen. Schade um das verschenkte Potenzial dieses interessanten Konzepts!
(Martin Schönhacker)