Stefan Staiger

 

Internet im Unterricht

Ein Überblick und beispielhafte Unterrichtsprojekte

 

Zahlreiche Bildungspolitiker fordern auf dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels und der sich verändernden beruflichen Anforderungen den intensiven Einsatz von Internet, Lernprogrammen, Simulationen und weiteren computerbasierten Medien im Unterricht aller Schularten. Bei der Beschäftigung mit den bisher vorliegenden Konzepten und Unterrichtsentwürfen fällt jedoch auf, dass diese meist für eher lern- und leistungstarke Schüler gedacht sind. Andere Konzepte erfordern ein hohes Zeitbudget, das oft nicht zur Verfügung steht. Damit liegen für viele Anwendungsgebiete bislang kaum Hilfsmittel wie Handreichungen und erprobte Unterrichtskonzepte für einen Unterricht vor, der die neuen Medien sinnvoll integriert. Daher soll hier eine erprobte Unterrichtseinheit vorgestellt werden, die unter Einbeziehung des Internet die Vermittlung von Medienkompetenz auch unter den erwähnten Bedingungen ermöglicht.

 

1     Interneteinsatz und Medienkompetenz

 

Der Einsatz des Internet im Unterricht kann entweder im Rahmen eines Projektes oder integrativ im "normalen" Unterricht erfolgen. Als Projekte sind hier denkbar (siehe Bild 1, vgl. auch Jecht 1998):

·        E-Mail-Projekte: hier werden Informationen zu einem bestimmten Thema, z.B. mit anderen Schulen per E-Mail ausgetauscht. Derartige Projekte eignen sich v.a. für den Fremdsprachenunterricht beim Kontakt mit Schülern oder „Experten“ anderer Länder.

·        Informations-Rechercheprojekte: Einsatz des Internet zur Gewinnung von Informationen mit Hilfe von Suchmaschinen, Katalogen oder nach Vorgabe von Linklisten durch den Lehrer.

·        Informations-Veröffentlichungsprojekte: Erstellung von Webseiten für das World Wide Web. Besonders beliebt sind hier „Klassen-Homepages“ mit der Darstellung der einzelnen Schüler einer Klasse.

·        Computer Based Training (CBT) mit dem Internet: Integration von Simulationen und Lernprogrammen aus dem Internet in den Unterricht (auch als WBT = „Web Based Training“ bezeichnet). Hier liegen bisher nur wenige Programme online vor.

 

 

Bild 1: Einsatz des Internet im Unterricht

 

Weitere Einsatzmöglichkeiten des Internet finden sich bei Hedkte: "Vom Buch zum Internet und zurück" (1997) oder in der Sammlung "Innovative Schulprojekte" des Landesinstituts für Erziehung und Unterricht Baden-Württemberg (1999).

Statt ganzer Projekte über mehrere Unterrichtsstunden kann der Interneteinsatz auch integrativ als Teil einer Unterrichtsstunde erfolgen:

·        E-Mail-Anfragen an Firmen oder Experten zu bestimmten behandelten Themen

·        Informationsrecherche: Beantwortung einer Frage durch unmittelbare Suche im Internet.

Für die beiden zuletzt genannten Punkte benötigt man allerdings zumindest einen Computer mit Internetanschluss im Klassenzimmer. Diese Voraussetzungen sind in den allermeisten Schulen jedoch noch nicht erfüllt. Damit ist ein solcher integrativer Einsatz nur möglich, wenn der Unterricht ohnehin im Computerraum stattfindet.

Ein wichtiges Ziel beim Einsatz neuer Medien stellt immer der Erwerb von Medienkompetenz dar. Eine umfassende Definition gibt Dieter Baacke (1996), der auch als "Vater" des Begriffes gilt. Demnach umfasst Medienkompetenz:

·        Medien-Kunde: Wissen im klassischen Sinn (Begriffe wie Internet, Hyperlink etc.), instrumentell-qualifikatorische Fähigkeiten wie Gerätebedienung

·        Medien-Nutzung: rezeptive Nutzung (anwenden), interaktive Nutzung (antworten)

·        Medien-Gestaltung: innovativ und kreativ

·        Medien-Kritik: Problematiken erkennen und analysieren, auf das eigene Handeln anwenden und dieses Handeln ethisch verantworten.

Im folgenden wird am Beispiel eines Informations-Veröffentlichungsprojektes gezeigt, wie die genannten Dimensionen der Medienkompetenz in einer Unterrichtseinheit einbezogen werden können.




Bild 2: Dimensionen der Medienkompetenz nach Baacke

 

 

2     Probleme beim Einsatz neuer Medien

 

Ein Hindernis für den Einsatz neuer Medien sind oft die dicht gefüllten Lehrpläne. Erfahrungsgemäß benötigt man zunächst einige Unterrichtsstunden, um die Schüler mit dem jeweiligen Programm vertraut zu machen und sie in die Lage zu versetzen, selbstständig daran zu arbeiten. Diese Zeit steht jedoch aufgrund der vorgegebenen Stofffülle oft nicht zur Verfügung. Weitere Probleme treten durch die Computerräume auf, die häufig belegt sind oder nicht über die notwendige technische Ausstattung (z.B. Internetzugang an allen Schülerrechnern) verfügen. Hinzu kommen Schwierigkeiten auf Seiten des Lehrers, dem kaum Hinweise für den sinnvollen Einsatz der neuen Medien zur Verfügung stehen, und der auch nicht auf eigene Erfahrungen bauen kann. Notwendig wären hier praxisgerechte Handreichungen, entsprechende Fortbildungen und ein intensiver Austausch über Erfahrungen im Unterricht, z.B. über die Bildungsserver im Internet oder über Veröffentlichungen in Form von Büchern oder Zeitschriftenartikeln. Die bislang im Vordergrund stehende Bereitstellung der technischen Ausrüstung mit Computern und Zubehör ist lediglich ein erster Schritt zur Integration der neuen Medien in den Unterrichtsalltag.

 

 

3     Beispiel für eine Unterrichtseinheit

 

Im Bereich der neuen Medien spielt das Internet eine zentrale Rolle. Um den Schülern hier umfassend Medienkompetenz im erläuterten Sinn zu vermitteln, sollte das Internet nicht nur passiv, sondern auch aktiv-produktiv genutzt werden, z.B. durch Erstellung einer einfachen Klassenhomepage.

Wichtige Ziele der Unterrichtseinheit waren daher, dass die Schüler

·        erste Erfahrungen mit dem Medium Internet sammeln

·        Informationen im Internet suchen und finden

·        wichtige Begriffe (z.B. Internet, Browser, Homepage, Hyperlink) erklären können

·        eine einfache Homepage selbst kreativ erstellen.

Auf diese Weise gelingt es, alle Dimensionen der Medienkompetenz nach Baacke zumindest teilweise mit einzubeziehen:

·        Medien-Kunde durch Kennenlernen von wichtigen Begriffen und der Bedienung eines Browsers (Software zum Anzeigen von Seiten im World Wide Web)

·        Medien-Nutzung durch Suchen im Internet

·        Medien-Gestaltung durch aktiv-produktive Erstellung einer eigenen Webseite

·        Medien-Kritik durch während des Unterrichts thematisierte Aspekte wie Viren und deren Auswirkungen, hohe Kosten des Internet-Zugangs, rechtsradikale und pornographische Seiten im Netz.

In der vorliegenden Unterrichtseinheit wurde versucht, die oben genannten Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Dazu beschränkt sich der Aufwand auf ca. acht Unterrichtsstunden. Desweiteren findet der Unterricht mit geteilten Klassen im Computerraum statt. Damit sind die zeitlichen und räumlichen Voraussetzungen gegeben.

Um in acht Unterrichtsstunden die genannten Ziele zu erreichen, ist eine Einführung in HTML (Hyper Text Markup Language: Seitenbeschreibungssprache des Internet) oder in ein spezielles Programm zur Webseitenerstellung (z.B. Microsoft Frontpage) nicht möglich. Hier bietet sich jedoch die Möglichkeit, das vielen Schülern bereits bekannte bzw. im Unterricht ohnehin eingesetzte Programm Microsoft WORD 97 bzw. WORD 2000 zu verwenden.  WORD ermöglicht die Erstellung einer Homepage mit sehr einfachen Mitteln und erspart vielen Lehrern die Einarbeitung in eine neue Software.

In den ersten zwei Stunden werden Grundkenntnisse zum Internet in Form einer arbeitsteiligen Gruppenarbeit thematisiert und von den einzelnen Gruppen der Klasse präsentiert. Eine Gruppe beschäftigte sich dabei mit dem Aufbau und der Funtkion der Internet, die zweite Gruppe mit Adressangaben im Internet und die dritte Gruppe mit der Bedienung eines Browsers (Microsoft Internet Explorer).

Zwei weitere Stunden dienen der Einübung des Suchens im Internet in Einzelarbeit. Dazu wurden Suchmaschinen und Kataloge in ihrer Funktionalität vorgestellt und das Suchen anhand ein Liste von Fragestellungen („Internet-Such-Rallye“) von den Schülern in Einzelarbeit als Wettbewerb geübt.

Es folgen in der 5./6. Stunde eine Übung zur Seitenerstellung mit WORD, das Anfertigen der Schülerfotos und das Erstellen der Schülerseiten. Die Seitenerstellung wird durch die Funktionsprüfung und Verlinkung der Seiten in der 7./8. Stunde abgeschlossen.

 

 

 


Bild 3: Aufbau der Unterrichtseinheit

 

 

4     Zur Webseitenerstellung mit WORD

 

Die Erstellung einer Webseite mit WORD ist sehr einfach möglich:

·        In WORD 2000 wählt man „Datei“  „Speichern unter“ und dann als Dateityp „Webseite“.

·        In Word 97 lautet der entsprechende Befehl  „Datei“  „Als HTML speichern“.

Unter „Datei“  „Web-Seitenvorschau“ kann man das Ergebnis jeweils im Browser betrachten. Dabei wird deutlich, das die erzeugte Webseite professionellen Ansprüchen natürlich nicht vollständig genügen kann. Die unbestreitbaren Vorteile liegen jedoch in der einfachen, schnellen und für jeden Schüler leicht machbaren Erzeugung dieser Seiten.

 

 

5     Erfahrungen im Unterricht

 

Die vorgestellte Unterrichtseinheit wurde in zwei Berufsschulklassen im Berufsfeld Metall (Grundstufe) an den Gewerblichen Schulen Emmendingen (Deutschland) in acht Unterrichtsstunden im Fach Technologie-Labor erprobt. Hier stehen z.B. im Bereich der gewerblichen Berufsschule eine Reihe von Stunden für die Erstellung linearer Programme und die Arbeit mit Anwendersoftware zur Verfügung. Da nur 8 Unterichtsstunden benötigt werden, läßt sich die beschriebene Unterrichtseinheit auch leicht in anderen Fächern anwenden. Die Schüler zeigten großes Interesse an Grundkenntnissen zum Internet und an der Erstellung einer eigenen Seite und waren ungewohnt motiviert und konzentriert. Die selbstständige Erstellung einer Seite gelang den Schülern ohne größere Probleme. Die Seiten wurden vom Lehrer geprüft, mit der Klassenübersichtsseite verlinkt und ins Netz gestellt. Während des Unterrichts ergaben sich zahlreiche Fragen zum Internet, insbesondere zu Themen wie Datenschutz, Rechtsradikalismus, Viren, Kosten des Internet etc., die unmittelbar diskutiert werden konnten.

Die Webseiten der Schüler sind nicht immer herausragend originell, kreativ oder gut gestaltet. Wichtig ist jedoch für die Schüler die Erfahrung, dass sie mit einfachen Mitteln und Kenntnissen auch einen Beitrag ins Internet stellen können. Dies leistet zum Verständnis und zur zukünftigen (kritischen) Nutzung des Zukunftsmediums Internet einen wichtigen Beitrag.

 

 

 

Literatur

 

·        Baacke, Dieter: Medienkompetenz als Netzwerk.  In: medien praktisch 2/96 S.4-10.

·        Ballin, Dieter; Brater, Michael: Handlungsorientiert lernen mit Multimedia. Nürnberg: BW Bildung und Wissen 1996.

·        Bruck, Peter A.: Schulen auf dem Weg in die Informationsgesellschaft. Innsbruck, Wien, München: Studien-Verlag 2000.

·        Degenhart, Bert; Lange, Uta: Medienerziehung: Ein neues Konzept für die Beruflichen Schulen in Baden-Württemberg. in: Die berufsbildende Schule 51 (1999) 9   S. 294-300

·        Dick, Egon: Multimediale Lernprogramme und telematische Lernarrangements: Einführung in die didaktische Gestaltung. Nürnberg: BW Bildung und Wissen 2000

·        Hedtke, Reinhold (Hrsg.): Vom Buch zum Internet und zurück. Medien- und Informationskompetenz im Unterricht. Darmstadt: Winklers 1997.

·        Jecht, Hans; Sausel, Stephan: Unterrichtsprojekte mit dem Internet. Darmstadt: Winklers 1998.

·        Klimsa, Paul (Hrsg.); Issing, Ludwig (Hrsg.): Information und Lernen mit Multimedia. Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union 1997.

·        Kultusministerium Baden-Württemberg: Medien machen Schule. Die "Medienoffensive Schule" Baden-Württemberg.  Mai 2000.

·        Kultusministerium Baden-Württemberg: Online-Forum Medienpädagogik. http://lbs.bw.schule.de/online-forum

·        Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Baden-Württemberg: Innovative Schulprojekte. LEU 1999.

·        Lernen mit neuen Medien: Themenschwerpunkt in medien praktisch 4/99, S. 4-40 (Download im Internet unter http://www.gep.de/medienpraktisch/ )