An IPv6 führt kein Weg vorbei

Andreas Pfeiffer, Wind River Systems

 

 

Egal ob World Wide Web, E-Commerce, Voice over IP; Mobiltelefonie, intelligente Informationssysteme oder die Heimvernetzung -- die Basis der Netzwerke und Anwendungen ist immer das Internet Protocol (IP). Vor allem die Robustheit von IP und die konstante Weiterentwicklung und Anpassung an die Erfordernisse der modernen elektronischen Kommunikation führten zu der stetig wachsenden Bedeutung von IP. So wurde das Protokoll zu einem de-facto-Standard für die globale Zusammenschaltung der Netzwerke.

 

Heute generiert die Datenübertragung in den öffentlichen Telekommunikationsnetzen mehr Verkehr als die Sprachverbindungen. Die Flut der derzeit stattfindenden Zusammenschlüsse und Übernahmen führt zu globalen Medienunternehmen, die integrierte Sprach- und Datendienste auf Basis von IP anbieten. Die neuen Anwendungen beschränken sich nicht auf drahtgebundene Netze, sondern suchen zunehmend den Zugriff auf die Mobilfunkgeräte. Die Folge: Es ist einfacher als jemals zuvor auch unterwegs in Verbindung zu bleiben. Mit der Einführung der dritten Mobilfunkgeneration werden Anwendungen auf Basis des Internet Protocols mit einer theoretischen Datenrate von maximal 2 Mbit/s möglich: Die Verwaltung von Aktiendepots, der Zugriff auf E-Mails per Remote Access, Videokonferenzen mit Geschäftspartnern und die Kommunikation mit Freunden auch auf Reisen wird für uns bald selbstverständlicher Bestandteil des Alltags sein.

 

Anwendungsbeispiele

Ein Hersteller von Premiumwaagen für Handel und Industrie möchte seine Produktion effizienter gestalten ohne die Angebotsvielfalt zu reduzieren. Die Lösung: Alle Geräte basieren auf derselben Hardwareplattform. Die Differenzierung erfolgt über die Software. Das führt so weit, dass der Kunde selbst bestimmen kann, welche Funktionen die jeweilige Waage erfüllen soll. Versieht man die Geräte mit einer Schnittstelle, über die der Zugriff auf das Internet möglich ist, kann er sogar selbst die erforderliche Software herunterladen.

Auch die Automobilindustrie kann vom allgegenwärtigen Internet Protocol profitieren. Der Alptraum eines jeden Kfz-Lenkers ist eine Panne auf der Autobahn; mitten in der Fahrt setzt der Motor aus und lässt sich nicht wieder starten. Heute bleibt dem Fahrer nichts anderes übrig, als einen Servicetechniker zu benachrichtigen und auf sein Eintreffen zu warten. Einige Automobilhersteller arbeiten nun an Konzepten, um eine Ferndiagnose am Fahrzeug zu ermöglichen. Die Idee: Ein Mechaniker des Herstellers stellt per Mobilfunk eine Verbindung mit dem elektronischen System des Fahrzeugs her, um die Fehlerursache festzustellen. Hat er die Störquelle lokalisiert, spielt der Servicemann über das Simple Network Management Protocol (SNMP) und eine IP-Verbindung eine neue Software auf, um den Fehler zu beheben.

 

Mehr Adressen bei IPv6

Die Beispiele zeigen, dass Anwendungen, die auf IP aufsetzen, der Industrie sowohl in der Herstellung als auch im nachgeordneten Kundendienst ein großes Rationalisierungs- und Sparpotenzial bieten. Anders ausgedrückt: Der intelligente Einsatz des Internet Protocols hilft den Herstellern, die Entwicklung teurer, proprietärer Technologien zu vermeiden.

Ein wichtiger Faktor, der IP zur weitverbreiteten Akzeptanz verhalf, ist seine Fähigkeit zur Weiterentwicklung. Derzeit ist hauptsächlich die Version 4 des Internet Protocols (IPv4) im Einsatz. Sie wird aber künftig sukzessive von der Folgeversion 6 abgelöst werden. Marktführer wie beispielsweise Microsoft und Cisco unterstützen die Evolution und integrieren die fortentwickelte Technologie in ihre aktuellen Produkte.

Mit IPv6 wollen die Entwickler in erster Linie sicher stellen, dass das Protokoll den wachsenden Anforderungen gewachsen ist, die vor allem aus der ständig steigenden Verbreitung der drahtlosen IP-basierten Netzwerke resultiert. Die drängendste Herausforderung hierbei ist die Verknappung der zur Verfügung stehenden Adressen und die kaum mehr zu bewältigenden Anforderungen an die Router des Internets. Mit einem größeren Adressraum und einer hierarchischen Adressierungsarchitektur soll IPv6 die auftretenden Skalierungsprobleme des globalen Netzwerkes bewältigen.

Stehen bei IPv4 nur 232Adressen zur Verfügung, erhöht sich diese Zahl bei IPv6 auf 2128 -- das entspricht mehr als 6*1023 Adressen pro Quadratmeter Erdoberfläche. Das reicht bestimmt aus, um jedes Consumergerät der Erde mit einer eigenen IP-Adresse auszustatten. Man soll jedoch nicht vergessen, dass es in letzter Zeit Bestrebungen gibt im Internet auch andere Planeten und Monde unseres Sonnensystems zu addressieren (z.B. neptun.sol fuer den Planeten Neptun).

Ein weiterer Vorteil von IPv6 für IP-basierte Netzwerke ist seine „Plug and Play“-Fähigkeit. Insbesonders integrierte Geräte wie beispielsweise Kundeninformationssysteme profitieren von dieser Eigenschaft, die den Konfigurationsaufwand minimiert und die Mobilität der Geräte vereinfacht. Auch das trägt zur hohen Akzeptanz von IP bei.

Noch bremsen Sicherheitsbedenken und vor allem die Angst vor betrügerischen Manipulationen den Internethandel aus. Ohne Vertrauen in den wirksamen Schutz vor Missbrauch hat E-Commerce als moderne Variante des Geschäftsverkehrs keine Aussicht auf dauerhafte Breitenakzeptanz. Genau hier setzt IPv6 mit seinen überzeugenden Sicherheitsfunktionen an.

Hohe Bedeutung erlangen auch die Dienstgüte-Eigenschaften (Quality of Service, QoS) von IPv6. Anwendungen wie beispielsweise Audio- und Videoübertragungen sind sehr empfindlich gegenüber Verzögerungen und Jitter. Die Folge: In den heutigen IPv4-Netzwerken sind sie nur schwer zu realisieren. Bei IPv6 sorgen Felder zur Priorisierung und Flusssteuerung (flow labelling) im Header für einen hohen QoS. Mit der Nutzung eines Router Control Protocols, wie beispielsweise dem Resource reServation Protocol (RSVP), können derartige Priorisierungs- und Flussinformationen die Geschwindigkeit der Pakete auf ihrem Weg vom Absender bis zum Empfänger entlang eines gerouteten Pfades vergrößern und eine hohe Sprach- und Videoqualität garantieren.

 

Eine spannende Zukunft

IPv6 ebnet den Weg für neue IP-Anwendungen. Das Protokoll bietet eine Vielzahl an Geschäftsmöglichkeiten. Die Analysten von IDC sagen voraus, dass die Zahl der netzwerkfähigen Geräte in den nächsten Jahren von 1,8 Milliarden auf 43 Milliarden wachsen wird. Die meisten davon werden auf Basis des Internet Protocol kommunizieren.

 

Über den Autor

DI. Andreas Pfeiffer ist Corporate Communications Manager Europe bei Wind River www.windriver.com . Das Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 400 Mio USD ist Marktführer bei Echtzeitbetriebssystemen (VxWorks, pSOS), Entwicklungswerkzeugen (SNiFF+, Diab Compiler, SingleStep Debugger, visionClick Debugger) und Softwarekomponenten (Netzwerk Stacks, Bluetooth, Dateisysteme, Grafische Benutzerinterfaces) in der Embedded Systems Industrie. Das Unternehmen wurde 1983 gegründet und unterhält Niederlassungen in 16 Ländern der Erde.

Pfeiffer ist Absolvent der HTBLA Braunau/Inn (NT/Elektronik). Nach seinem Elektrotechnik Studium an der TU Wien arbeitete er als Entwicklungsleiter in der Luft- und Raumfahrtindustrie, Marketing Engineer bei Mentor Graphics und Vice President Marketing bei TakeFive Software. Nach der Übernahme von TakeFive Software durch Wind River ist er von Wind River’s European Headquarters in Salzburg für die Unternehmenskommunikation in Europe, Middle East und Afrika verantwortlich.

Ski- und Radtouren in der wunderbaren Natur rund um Salzburg zählen zu seinen Hobbies, sofern die vier Kinder dafür Zeit genehmigen.

 

 

Im KASTEN:

IPv6 im Detail

Trotz der zusätzlichen Funktionen ähneln sich die Architekturen von IPv4 und IPv6 in ihrer Struktur (siehe Abbildung 1). Das Internet Control Message Protocol (ICMP) wurde erweitert, damit es auch mit den 128 bit-Adressen von IPv6 umgehen kann. Außerdem ersetzt das Neighbour Discovery Protocol (ND) in IPv6 das Adress Resolution Protocol (ARP) sowie das Internet Control Message Protocol (ICMP) der Version 4. ND und DAD (Duplicate Address Detection), eine weitere neue Funktion in IPv6, vereinfachen die Art und Weise, wie ein Netzwerkknoten einen anderen Knoten „findet”:

·                    Die Knoten (sowohl Endgeräte als auch Router) nutzen ND, um die Adressen des Data Link Layers (oder MAC) benachbarter Knoten zu bestimmen.

·                    Die Knoten nutzen das Protokoll, um aktiv herauszufinden welcher der Nachbarn erreichbar ist und finden ebenso Data Link Layer Adressen heraus, die sich geändert haben.

·                    Endknoten nutzen ND, um benachbarte Router zu finden, die die Pakete weiterleiten können.

Das Neighbour Discovery Protokoll stellt sicher, das innerhalb von IPv6-Netzwerken die Mobilität einzelner Knoten möglich ist. Das IPv6-Netzwerk ist „selbstkonfigurierend“. Das garantiert, dass man Knoten anschließen kann, ohne mit den Problemen eines Ipv4-Netzwerkes konfrontiert zu sein. In der alten Version kann man einen Knoten einem Netzwerk nämlich nur dann hinzufügen, wenn er die richtige IP-Subnetz-Adresse hat. Diese neue Eigenschaft ist vor allem für drahtlose und andere mobile Anwendungen wichtig.

Die bekannteste Eigenschaft von IPv6 ist die erweiterte Adressarchitektur. Eine IPv6-Adresse ist mit 128 bit vier mal so lang wie eine IPv4-Adresse (siehe Grafik 2).

Die IPv6-Adressarchitektur ermöglicht eine Adressierung mit begrenzter Gültigkeit. Das bedeutet, dass eine Adresse beispielsweise nur innerhalb eines isolierten Netzwerkes oder eines Sets zusammengeschlossener Netzwerke gültig ist. Man unterscheidet drei Gruppen:

·                    Link-local: gültig nur innerhalb eines isolierten Netzwerkes

·                    Site-local: gültig nur in einem Set von zusammengeschalteten Netzwerken

·                    Global: gültig für die Kommunikation über das Internet

Kombiniert man die reichweitenorientierte Adressierung mit dem Neighbour Discovery Protokoll, erhält man eine IPv6-Infrastruktur, deren Endknoten kommunizieren können, ohne sich um die Details der IP-Adressierung kümmern zu müssen.

Ein anderer Bereich, der von der Adressierung profitiert, ist das Internet-Routing. Momentan müssen Router im Internet-Backbone mit der Version 4 des Internet Protocols die IP-Adressierung und alle Routen der nächsten Schicht der Router kennen, die nicht Bestandteil des Kernnetzwerkes des Internets sind.

Mit IPv6 können Router von den Adressaggregationsfeldern profitieren und beim Routing ähnlich vorgehen wie ein Telefonnetz mit seinen hierarchisch aufgebauten Telefonnummern. Hier muss ein Knoten beim Aufbau einer Verbindung nur auf den jeweils relevanten Teil der Telefonnummer achten: Beim Routen eines internationalen Gesprächs von einem Land in ein anderes, wird nur die Landesvorwahl analysiert. Erst wenn der Ruf ins Land des Empfängers geroutet ist, werden die anderen Felder der Telefonnummer analysiert. Analog hierzu: Mit der IPv6-Adressierung muss ein Internet-Router nur den TLA (Top Layer Aggregation) Identifier in Betracht ziehen und nicht die vollständige Adresse des Pakets. Das reduziert die Verarbeitung signifikant und senkt die Anforderungen an den Speicher des Routers.

 

Zusammenfassung:

Zusammengefasst, löst IPv6 eine Vielzahl von Problemen, denen sich die Netzwerke auf Basis der Version 4 des Internet Protocol konfrontiert sehen:

 

 

 


((grafik1.jpg))

 

((BU zu grafik1))

Vergleich der Protokollstacks von IPv4 (links) und IPv6

 

Erklärungen:

Application layer: Anwendungsschicht

UDP: User Datagram Protocol

TCP: Transmission Control Protocol

ICMP: Internet Control Message Protocol

IGMP: Internet Group Membership Protocol

ARP: Address Resolution Protocol

Physical Layer: Bitübertragungsschicht

ND: Neighbour Discovery

 


((Grafik2.jpg))

 

((Als BU zu Grafik 2))

Das Adressformat von IPv6:

·         Format Prefix (FP) umfasst 3 bit: es legt fest, ob es sich um ein Paket einer Punkt-zu-Punkt (directed) - oder einer Punkt-zu-Mehrpunkt-Kommunikation (broadcast) handelt.

·         Der Top Level Aggregator (TLA) umfasst 13 bit: Er identifiziert einen zentralen Knotenpunkt im Backbone

·         Der Next Level Aggregator (NLA) umfasst 32 bit: dieser identifiziert das Netzwerk einer organisatorischen Einheit

·         Der Site Level Aggregator (SLA) umfasst 16 bit: er dient der Subnetz-Erkennung

·         Der Interface Identifier umfasst 64 bit: er identifiziert das Endgerät; normalerweise den Data Link Layer oder die (MAC-) Adresse