1      Videoconferencing

Johann Günther, Donau-Universität Krems

 

Einleitung

Videoconferencing ist eine der neuesten Formen der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die im Unterricht eingesetzt wird. Bei Videoconferencing werden Monitore und Kameras durch eine Telephonleitung miteinander verbunden, die es zwei oder mehr Personen, die sich an verschiedenen Orten befinden, ermöglichen, miteinander in Ton und Bild zu kommunizieren. Es hat sich besonders beim Lernen von Fremdsprachen und Einbinden in den Unterricht von entfernter wohnenden Kindern bewährt (siehe z.B. Butler und Kelley 1999).

 

Zielsetzung

Dieses Kapitel setzt sich mit der Einführung und dem sinnvollen Einsatz von Videokonferencing auseinander und versucht einen Leitfaden zu geben. Es werden auch zwei Fallstudien aus dem schulischen Bereich vorgestellt.

 

1.1   Geschichte

1936 wurde zwischen Berlin und Leipzig ein ‘öffentlicher Bildfernsprechdienst’ eingeführt. In eigens dafür errichteten Videostudios (Bildtelephonzellen) konnte man mit dem Gesprächspartner mittels Bild und Ton kommunizieren. Dieser Dienst wurde dann noch bis München ausgebaut, wegen geringer Rentabilität und den zunehmenden Kriegswirren aber 1940 eingestellt.

1964 führte ‘AT&T’ auf der New Yorker Weltausstellung ein ‘Picturephone’ vor. Zwar stellte man diese Einrichtung als Antwort auf die steigenden Kosten der Geschäftsreisen vor, aber auf die Auftragsbücher schlug sich diese Marketinginnovation nicht nieder.

‘AT&T’ errichtete ein eigenes Videokonferenznetz in New York und London, das 13 Städte verband. 1985 wurde nicht wie ursprünglich angekündigt das Netz auf 42 Städte erweitert, sondern reduziert.

Ähnlich erging es der britischen Post, die Anfang der 70er Jahre mit viel Aufwand den Dienst ‘CONFRAVISION’ einführte und bald wieder aus dem Verkehr zog.

1983 starteten ‘Comsat’ und die ‘Intercontinantal Hotels’ einen Videokonferenzdienst ‘Intelmet’ zwischen London und New York, der aber 1985 wegen zu geringer Benützung wieder eingestellt wurde.

Der eigentliche Durchbruch kam erst mit der Standardisierung und der Digitalisierung des Telefonnetzes. Erst ISDN machte eine größere Verbreitung wirtschaftlich möglich.

 

1.2   Komponenten

Videokonferenzeinrichtungen gestatten die synchrone Übertragung von Bewegtbildern mit Ton.

Auf beiden Seiten sind Einrichtungen wie

·        Kamera,

·        Bildschirmmonitor,

·        Lautsprecher und

·        Mikrophon

notwendig.

Zusatzeinrichtungen wie

·        Dokumentenkamera,

·        Videowriter,

·        White Board,

·        Zusatzmonitore, um alle Kommunikationspartner darzustellen,

·        Videopräsentationssystem mit Kamera zur Präsentation von zwei- und dreidimensionalen Vorlagen,

·        Freisprecheinrichtung,

·        Headset (Kopfhörer/Mikrophone Kombination),

·        Scanner,

·        Fernsteuerung für Kamera,

·        Digitale Schreibtafel etc.

erhöhen die Qualität der Kommunikation.

 

1.3   Systeme

Die Entwicklung der Videokonferenz nahm einen ähnlichen Verlauf wie die Einführung anderer Bürotechnologien. Das Fax etwa wurde zuerst nur pro Unternehmen, dann pro Abteilung oder Gruppe installiert. Mit zunehmendem Preisverfall kam es in jedes Stockwerk und in jedes Büro und heute ist es eine Funktion in fast jedem PC (Personalcomputer) und ein Service in Corporate- und öffentlichen Netzwerken.

 

Die Funktion der Videokonferenz wurde zu Beginn in eigenen Studios vornehmlich von Telekom-Operatoren angeboten. Sie erwarteten sich neue Einnahmsquellen. Die Hemmschwelle dort hinzugehen war sehr hoch und der Dienst wurde nur selten in Anspruch genommen.

Internationale Unternehmen installierten selbst eigene Studios. Die Leitungen wurden zu Beginn noch individuell vom Netzbetreiber – waren bei internationalen Konferenzen mehrere involviert, so mussten diese abgestimmt eine Leitung schalten – bereitgestellt.

Die digitalen Netze erlaubten dann ein ‘dial up’, also ein Selbstwählverfahren.

Mit Webcams hat heute jeder Internetbenutzer Zugang zur Audio-Visuellen-Kommunikation.

Es existieren heute zwei Industriewelten nebeneinander. Da gibt es die ‘professionellen’ Videokonferenzhersteller, die aus dieser Technologie ein Spezialwissen, machen und die klassischen Computerperipheriehersteller, die Webcams wie Scanner und Printer anbieten – ohne viel Spezialwissen und alles auf den Konsumenten/die Konsumentin abschiebend. Wer wird gewinnen? Gleichen sich die beiden Welten an?

Wichtig ist, die Idee der Videokonferenz wird weiterentwickelt und es wird dann eben unterschiedliche Niveaus von dieser Applikation geben.

 

1.3.1  Gruppensystem

Bei einer Gruppenvideokonferenz kommen mehrere Personen zu einer Sitzung zusammen. Der Videomonitor steht auf einem eigenen Platz im Konferenzraum. Die Personen am Schirm werden Teil der Gruppe, so als wären sie tatsächlich im Konferenzraum.

Man schaut einander an; man spricht miteinander, hört einander zu, als ob die Personen im Raum wären. Man kann gemeinsame Unterlagen durchgehen, auf einer Tafel mitschreiben, Folien auflegen, Videobänder abspielen – das alles ermöglicht ein Videokonferenz System.

Gruppensysteme sind meist fix in einem Raum installiert, weil akustische und optische Adaptierungen des Raumes notwendig sind, beziehungsweise auf die Beleuchtung speziell eingegangen werden soll (siehe Abbildung 1).

Gruppensysteme brauchen mehrere Kameras oder/und Kameras mit Zoom und einem motorisch gesteuerten Schwenk- und Neigekopf, um einzelne Sprecher herauszustellen. Die einzelnen Kameraeinstellungen sollten auch vorprogrammierbar sein, um mit einem einfachen Knopfdruck das gewünschte und vorher getestete Bild senden zu können.

 


 

1.4   Abbildung 1: Gruppensystem

 

 

Auch im Audiobereich werden bei Gruppen höhere Anforderungen gestellt. Mehrere Mikrophone oder sprachgesteuerte Mikrophone sind die Lösung, wobei die Technik keinen Moderator ersetzen kann.

Gruppensysteme können modular oder kompakt aufgebaut sein. In der kompakten Bauweise ist alles voll integriert, was höhere Mobilität ergibt. Das System, meist auf Rädern installiert, kann rasch in einen anderen Raum geschoben werden.

Modulare Systeme hingegen können zwar individuellen Anwendungen besser angepasst werden, sind nicht aber nicht so mobil um von einem ins andere Zimmer gebracht zu werden.

 

1.4.1  Desktop System

Desktop System werden meist direkt am Arbeitsplatz eingesetzt. Das Bild des Partners/der Partnerin erscheint am Monitor des eigenen Computers (siehe Abbildung 2). Die KommunikationspartnerInnen sitzen sich vis à vis und blicken sich in die Augen, was praktisch wegen der Installation der Kamera nur selten der Fall ist. Die Kamera steht am Monitor. Man ist gewöhnt, dem Partner/der Partnerin in die Augen zu schauen, was aber bedeutet, dass man nicht in die Kamera schaut und damit den Partner/die Partnerin nicht ansieht, sondern darunter schaut.


Abbildung 2: Desktop System

 

Videokonferenz ist eine indirekte Kommunikation, eine Kommunikation, bei der ein Medium dazwischengeschaltet wird und das muss man berücksichtigen.

Mir wurde das bei einem großen internationalen Kongress bewusst. Es war ein länglicher Raum. Die Bühne stand an der Längsseite. Es waren mehrere tausend Personen im Raum. Auf der Bühne waren vier Projektionswände installiert, auf denen der Vortragende über eine Videokamera abgebildet wurde. Ich war es gewohnt, bei einem Vortrag möglichst viele ZuhörerInnen auch direkt anzuschauen und anzusprechen. Ich gehe daher immer im Raum auf und ab und suche mit so viel Menschen als möglich Kontakt. Das war in diesem riesigen Raum nicht mehr möglich. Auch schauten die ZuhörerInnen nicht mich an, sondern mein Konterfei auf den Leinwänden. Rasch wurde mir klar, daß ich für die Kamera sprechen musste; ich musste in die Linse der Kamera schauen, dann schaute ich fast alle Menschen im Saal an. So ähnlich ist es bei der Videokonferenz.

 

Das Desktopsystem ist im Personal Computer (PC) integriert. Es kann also gleichzeitig mit Computerapplikationen benützt werden. Auch eignet es sich zur gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten und Arbeitsunterlagen.

Die Vorteile liegen in:

·        der geringen Investition;

·        dass der PC meist schon vorhanden ist; und

·        dass die Dokumentenbearbeitung mit dem Videokonferenzbild kombiniert werden kann.

Die Nachteile liegen im

·        kleinen Bildschirm;

·        der notwendigen PC-Kundigkeit des Anwenders; und

·        dem kleinen Bild, das eher wie ein Videofilm wirkt und nicht wie das eines ‘virtuellen Gesprächspartners’.

 

1.4.2  Webcam System

Die Reihen mit Webcam Angeboten in den Computersupermärkten werden jedes Jahr länger. Das ist ein Parameter dafür, dass der Markt zunimmt.

Ein anderes war die Verbreitung bei meinen StudentInnen. Hatten im Studienjahr 1998/99 nur etwa ein Viertel der Studierenden eine Webcam, so waren es im Folgejahr bereits drei Viertel. Ein Studienjahr später ist Videoconferencing obligatorisch und Standard im Studium. Die Studierenden werden teilweise via Webcam kontaktiert.

Meine Sprechstunden habe ich teilweise ins Virtuelle verlegt. Zu bestimmten Zeiten können mich meine PartnerInnen am Schreibtisch via Webcam sprechen.

Die Webcam ist die Konsumgüterversion der Desktop Systeme. Ein sehr populäres Programm, das kostenlos über das Internet heruntergeladen werden kann, ist ‘Netmeeting’ (http://www.microsoft.com/windows/netmeeting/). Andere Free- und Shareware-Programme sind über ‘Tucows’ (z.B. http://salzburg-online.tucows.com/wcam95.html)  zugänglich.

 

1.4.3  Videokonferenz über WAP Handy

WAP ist ein mobiles Telefon, das einen grösseren ildschirm verfügt und auch Computerapplikationen darstellen kann. Mit dem weiteren Ausbau der Bandbreiten in den mobilen Kommunikationsnetzen und der Einführung von GPRS (General Packet Radio Service wird zur Datenübertragung im GSM Netz verwendet) und UMTS (Universial Mobil Telecommunication System ist die 3. Mobiltelefon-Generation) werden auch vermehrt mobile Endgeräte sinnvoll eingesetzt werden können. Mit GSM-Technologie und deren Übertragungsbandbreiten macht dies noch wenig Sinn.

Die Endgeräte der dritten Mobilfunk-Generation werden im Dualmode- oder Multiple-Band-Betrieb sowie bei Bedarf mit Satellitenfunk arbeiten. Sie werden Daten bis zu einem Gigabit speichern können. Das Terminal ist ein multifunktionaler ‘Personal Communicator’, das auch die Videokonferenz beherrscht.

Das Terminal ist, wenn es eingeschaltet ist, ständig im UMTS-Netz ‘eingeloggt’ und kann laufend Telefonate, Videokonferenzen oder E-mails empfangen. Die UserInnen sind – so wie im Internet – weltweit unter einer IP-Adresse erreichbar.

Zu Hause oder im Büro kann es auch an einen großen Bildschirm angeschlossen werden.

Mit UMTS werden die Grenzen zwischen Mobilfunk, Telefon-Festnetz und Internet endgültig verschwimmen.

 

1.5   Technologische Entwicklungswellen

Generation- und Technologiewechsel sind keine ungewöhnlichen Veränderungen. Neue Baustile haben immer schon alte abgelöst. Neue Technologien ersetzen alte. Telekommunikation und Computertechnik haben uns in die Informationsgesellschaft gebracht. Über 50 Prozent der Beschäftigten arbeiten in den entwickelten Ländern ausschließlich mit Informationen. Das Videokonferenzsystem ist ein Werkzeug für die Informationsgesellschaft.

Informationstechnologien verändern viele Prozesse in unserer Berufswelt. Diese Veränderungen dürfen aber nicht nur technisch betrachtet werden. Die Hintergründe sind in sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktoren zu suchen. Die klassischen Berufe werden durch neue Medien völlig verändert, wenn nicht überhaupt verdrängt.

 

1.6   Videokonferenz-Entwicklungswellen

Bei Videokonferenzsystemen können wir bis jetzt auf fünf Entwicklungswellen verweisen:

 

1.6.1  Erste Welle: ‘Dial up Rooms

Spezielle Videokonferenzräume werden angewählt. Videokonferenzen eignen sich für Meetings mit mehreren TeilnehmerInnen. Der Verbindungsaufbau zu KommunikationspartnerInnen erfolgt durch einen Wählvorgang über ein WAN (Wide Area Network z.B. mit ISDN – Integrated Services Digital Network).

 


1.6.2   

1.6.3  Zweite Welle ‘Dial up Destop

Über ein WAN Netz (Wide Area Network ist für “Außerhausverbindungen) werden bereits spezielle Arbeitsplätze erreicht. Die Videokonferenz wird so persönlicher, spontaner und privater. Sie entspricht mehr einem Telefonat mit einem Bewegtbild des Partners.

 

 


1.6.4  Dritte Welle: ‘Corporate LAN Multicast und Gateway zu WAN

Der Videokonferenzarbeitsplatz ist ein virtueller Arbeitsplatz, der über ein LAN (Local Area Network) In-House-Verbindungen zu anderen TeilnehmerInnen erlaubt. Verbindung über das Gebäude hinaus erfolgt über ein Gateway zum WAN.

 

 

1.6.5  Vierte Welle: ‘Multicast via Internet

Die größeren Bandbreiten im Internet erlauben zunehmend auch Videokonferenzen. Die starke Verbreitung von Internet kommt auch den VideokonferenznutzerInnen zugute. Videokonferenzen werden eine Massenanwendung.

 

1.6.6  Fünfte Welle: WAP im Mobilnetz

Mit zunehmender Bandbreite in den Mobilnetzen und neuen Technologien wie GPRS und UMTS wird die Videokonferenz – so wie auch andere Einsatzgebiete wie Sprachtelefonie und Internet – verstärkt in diesen Netzen transportiert werden.

Vorreiter gab es bereits im GSM Bereich. In Japan entstand im ‘i-mode’ eine Fangemeinde, die sich auch am Handy oder Organizer sehen will.

In Europa war es der britische Mobilfunkanbieter ‘Orange’, der im GSM Bereich ein Videophone um 1300 Pfund anbot. Diese Terminals kombinieren den ‘Personal Digital Assistant’ und das Mobiltelefon.


 

1.6.7  Zukunft

Mehr Realität als nur das Videobild und den Audioton? Wir wollen immer realistischere Kommunikation. So wie nach mehreren virtuellen Sitzungen ein realer Besuch zum Wunsch wird, so will man auch in der Videokonferenz selbst möglichst viele Informationen von GesprächspartnerInnen.

q       ‘Tele-Essen’ ist sehr eingeschränkt, weil der physische Transport der Speisen nicht funktioniert.

q       ‘Tele-Sex’ ist aber schon am Weg der Realisierung. Den Partner/Die Partnerin nicht nur sehen, sondern mittels Bodysuit auch spüren.

q       Den Pianisten/Die Pianistin kann man heute schon in sehr hoher Qualität auf CD hören.

q       Videofilme zeigen ihn und Videokonferenz-Übertragungen geben das Gefühl der Gleichzeitigkeit.

q       Ferngesteuerte Klaviere bringen noch mehr an Realität auf die Remoteseite. Viele Menschen haben schon Klaviere gesehen, die ihre Stücke von einem Datenträger weg spielen und die Mechanik des Klaviers in Bewegung setzen.

Dieses Interface zwischen Klaviercomputer und Klavier wird via Videokonferenz mit dem Interface des Pianistenklaviers verbunden und schon ist der Originalsound zugeschaltet.

Der Leiter der Informationsabteilung des MIT in Boston, Professor Dertouzos (1999: 255-6), beschreibt das so:

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen zu Hause am Klavier. Sie haben gerade auf elektronischem Wege für ein besonderes Vergnügen bezahlt, das nun beginnen soll. Sie tragen zwei Spezialhandschuhe.... Sie sind mit computergesteuerten Aktoten ausgestattet, durch die ihre Finger bewegt werden, und mit Sensoren, die jede kleinste Bewegung Ihrer Finger wieder an den Computer übertragen. Hinter dem Klavier befindet sich ein Bildschirm, und daneben in der Wand ein Paar hochwertige Lautsprecher. In seinem Haus in Kalifornien trägt der Pianist Alexander Borkin ein Paar passive Handschuhe, die nur seine Bewegungen erfassen und zum Computer übertragen. Borkin, unser interaktiver Pianist, wird nun ein experimentielles Konzert geben.

Borkin legt seine Hände auf die Tasten seines Steinway-Flügels. Ihre Handschuhe, die jetzt von seinen gedeckt werden, bringen ihre Finger also in die gleiche Position über den Tasten. Borkin beginnt, eine Polonaise zu spielen. Ihre Handschuhe reproduzieren exakt seine Handbewegungen, und Ihre Finger schlagen die gleichen Tasten an wie er. Sie hören die ersten Akkorde. Borlin schlägt jetzt stärker an, ebenso ihre Hände; danach spielt er wieder leise, und Sie auch. Sie wussten noch gar nicht, dass „Ihre“ Hände so schön Klavier spielen können.

Die Polonaise weicht dann einem modernen Stück. Mit einigen anderen Instrumenten überträgt Borkin ein seltsames Pfeifen, ein Summen und explodierende Klänge in Ihr Zimmer – einfach, indem er nicht nur die Hände, sondern auch Kopf und Körper bewegt und die Blickrichtung wechselt. Dadurch erscheinen seltsame Bilder und wirbeln auf Ihrem Bildschirm herum. Sie spüren das Schwingen der Musik und fühlen sich inmitten des audiovisuellen Erlebnisses. Man hat auf ähnliche Weise schon mit Tänzern experimentiert. Was könnte Borlin alles kreieren, und was könnten Sie in Ihrem Zimmer dadurch nachvollziehen und erleben?

Bisher haben wir Vorgänge betrachtet, bei denen die Aktionen des Künstlers auf Sie einwirken. Nun übernehmen Sie die Kontrolle über die Bilder auf dem Schirm und über die begleitenden Klangeffekte. Dafür gibt es keine festen Regeln. Sie strecken die Hände (mit den Handschuhen) nach oben und bewegen die Arme; jetzt schlagen Sie mit dem Zeigefinder den Takt; dann drücken Sie mit Ihren Handschuhen stärker nach unten, um weiter Klavier zu spielen. Muster, Farben und Klänge verändern sich je nach dem, was Sie tun. Zusammen mit dem Pianisten schaffen Sie eine faszinierende musikalische Variation und gleichzeitig neue Videoclips.

 

Videokonferenz wird zunehmend ein Teil der multimedialen Welt und zu einem selbstverständlichen Werkzeug.

 

1.7   Entscheidungskriterien

Ein Videokonferenzsystem ist ein Werkzeug wie jedes andere. Soll dieses technische Hilfsmittel eingesetzt werden, muss erst der Nachweis erbracht werden, dass das ‚Werkzeug’ Videokonferenz eine Verbesserung bringt.

Erst nach diesem Evaluierungsschritt kann man zur Bewertung des ‘Instruments’ selbst kommen und die einzelnen Systeme miteinander vergleichen und auf den eigenen Einsatz hin prüfen.

 

1.7.1  Generelle Sinnhaftigkeit

Mit einem Videokonferenzsystem kann man neue Zielgruppen erschließen oder alte besser erreichen. Dies bedarf einer individuellen Bewertung.

Vorab kann man die einzelnen Einsatzgebiete in vier Gruppen einteilen und den eigentlichen Bedarf daraus ablesen:

q       Videokonferenz bringt eine unterstützende Funktion: Die Abhängigkeit von der neuen Technologie ist niedrig. Auch ist kein Bedarf sich mit der letzten Technik zu präsentieren. Der Lehr- und Lerneffekt ist ein traditioneller, der vom neuen Medium nicht beeinflusst werden kann. Selbst bei Nichteinsatz von Videokonferenz kann die Lehre ohne nennenswerte Einbußen durchgeführt werden. Oft genügt ein Audiosystem, wobei hier eine Obergrenze von vier Stimmen gegeben ist; mehr kann das menschliche Ohr in einer Gemeinschaftsschaltung nicht mehr ausreichend unterscheiden.

q       Videokonferenz bringt eine hohe Leistungssteigerung: Die Leistungssteigerung mit Videokonferenz ist hoch, jedoch muss die Lehre nicht unbedingt am letzten Stand der Technik sein, da sie keinen direkten Einfluss auf den Lernerfolg hat.

q       Videokonferenz stellt einen transitorischen Faktor dar: Die Abhängigkeit vom Videokonferenzsystem ist niedrig, jedoch bringt das Aufzeigen mit neuesten Techniken eine Steigerung in der Lehre und wirkt sich auf den Lernerfolg aus. Es handelt sich hier um den Lehreinsatz, der in einem Übergang (Transit) ist. Bis dato war es nicht notwendig für diese Contentvermittlung Informationstechnologien einzusetzen. Zukünftig wird aber der Einsatz neue Lernerfolge bringen.

q       Videokonferenz stellt eine strategische Abhängigkeit dar: Sowohl die Abhängigkeit von bestehenden Systemen als auch die von neuen Technologien ist hoch. Ein ‘Nicht Dabei Sein’ bei Innovationen kann schon einen Nachteil in der Ausbildung bedeuten. Typisch für diese Klasse sind etwa berufsbildende Schulungsinstitute, die bei Ausfall ihrer Informationstechnologie den praktischen Lernerfolg vermissen.

Diese Analyse ist vorab sehr wichtig. Man muss die eigene Schule und den zu unterrichtenden Gegenstand beziehungsweise Content einstufen, wo man steht, und wie wichtig das Videokonferenzsystem für den Unterrichtszweck ist. Gehört man zur Gruppe mit geringer Abhängigkeit, so kann eine organisatorische Fehlentscheidung keine extremen Auswirkungen haben. Liegt man aber im Bereich ‘Strategie’, so sind zukünftige Entwicklungen unbedingt zu berücksichtigen. Dies müsste sich aber auch in der Stellung der dafür verantwortlichen LehrerInnen widerspiegeln. Er müsste, da es eine zukunftsentscheidende Funktion handelt, eine Sonderstellung im Lehrbetrieb bekommen.

 

1.7.2  Kostenvorteil

Ein generelles Entscheidungskriterium für die Anschaffung eines Videokonferenzsystems ist eine Kostenentscheidung. Die Produktivitätssteigerung wird vielfach unterschätzt.

Sie ergibt sich aus

q       entfallenden Reisen mit den dazugehörigen direkten Kosten, den Reisevorbereitungskosten und dem Zeitverlust,

q       den wegfallenden Redundanzen – mehrere Klassen können vom selben Spezialisten mit demselben Inhalt versorgt werden und

q       besserer Kommunikationsfluss zwischen Lehrenden und Lernenden.

Immer mehr Schulen sind in internationalen Projekten involviert. Auch dazu kann das Videokonferenzsystem herangezogen werden, um Projektreisen zu ersetzen oder diese durch vorgeschaltene Videokonferenzen besser vorzubereiten und dadurch effizienter zu gestalten.

Aber auch in der Industrie kommt es zu einem Kostensharing. Konkurrenten arbeiten zusammen, wenn es ihnen einen Vorteil bringt. So hat das MIT in Boston ein Weiterbildungsprogramm gestartet, in dem verschiedenste Unternehmen der Autoindustrie über Videokonferenznetzwerke bedient werden. Die Angestellten müssen zur Schulung ihr Büro nicht verlassen. Der Vortragende sitzt an der Universität und schaltet sich virtuell ein. Er unterrichtet mehrere Klassenzimmer gleichzeitig in verschiedenen Fabriken.

 

1.7.3  Qualität

Nicht jeder Lehrer/jede Lehrerin kann in allen Gebieten gleich gut sein. In einem nationalen und internationalen Austausch von Lehrenden via Videokonferenz können bessere Spezialisten zu bestimmten Themen herangezogen werden. Dies bringt eine Qualitätssteigerung.

Monopole in der Lehre fallen, wenn sich die Studierenden in einem freien Bildungsmarkt ihre Vortragenden aussuchen können.

 

1.7.4  Einfache Bedienung

Entscheidend ist, ob man als Lehrender beim Unterrichten mit einem Videokonferenzsystem einen eigenen Techniker/eine eigene Technikerin beigestellt braucht oder ob man die Apparatur selbst bedienen kann ohne vom eigentlichen Vortrag abgelenkt zu werden.

Bei der Anschaffung von Videokonferenzsystemen für die Pädagogischen Akademien Österreichs hat die Donau-Universität Krems mit einem Team von LehrerInnen die Evaluierung durchgeführt. Neben den konventionellen Datentabellen, wo wir die einzelnen technischen Einrichtungen miteinander verglichen haben, ließ man die einzelnen AnbieterInnen mit ihren Systemen nebeneinander auftreten. Vor dem Team der LehrerInnen musste jedes Feature, jeder Handgriff zur Bedienung von jedem Gerät vorgeführt werden. Die Geräte standen nebeneinander und so konnte man wirklich einen Vergleich erstellen.

Diese Evaluierung war die wichtigste im ganzen Prozess. Was hilft es, wenn man am Papier in einem Tabellenprogramm ein System zum technischen Sieger kürt, aber in der Praxis, in der Anwendung das Handling so kompliziert ist, dass es nicht gerne und damit nicht oft genug verwendet wird.

 

1.7.5  Leitungskosten

Der Telekommunikationsmarkt ist liberalisiert und die angebotenen Preise für Übertragungskosten sehr unterschiedlich. Das hat zwar keinen direkten Einfluss auf die Anschaffung eines Systems, wegen der anfallenden Leitungskosten ist es sehr wichtig zu überlegen, in welche Hardware man investiert. Welche Übertragungsqualität kann mit welcher Übertragungsgeschwindigkeit erzielt werden? Braucht man für eine gute Bildqualität 2 oder 6 ISDN Kanäle? Braucht man 30 Bilder pro Sekunde oder Fernsehqualität?

 

Praktische Erfahrungen an der Donau-Universität Krems haben gezeigt, dass die Qualität des Tons sehr gut sein muss, hingegen bei der Bildübertragung im traditionellen Fernlehren Abstriche gemacht werden können. Nach wenigen Minuten ergibt es für den Rezipienten/die Rezipientin keinen Unterschied mehr, ob zwei, vier oder sechs ISDN Kanäle verwendet wurden. Zwei ISDN Kanäle sind in der Regel ausreichend. Nicht aus der Sicht des Technikers/der Technikerin, sondern nach Ergebnissen von Akzeptanzuntersuchungen an Betroffenen.

 

1.7.6  Service

Der technische Kundendienst ist ein wesentliches Kriterium: Wo befindet sich der nächste Servicestützpunkt? Wie viel kostet eine reguläre Wartung? Wo kann Unterstützung und Support angefordert werden und was kostet das? Die Folgekosten sind entscheidend für den Einsatz eines Videokonferenzsystems. Was hilft es, wenn man den besten technischen Sieger kürt, aber in der Region keine Unterstützung und kein Service bekommen kann.

 

1.7.7  Kompatibilität

Rein theoretisch sind alle Systeme mit Standards und Normen ausgestattet und miteinander kompatibel. Wie schon im Kapitel ‘Normen’ ausgeführt, ist zwischen Theorie und Praxis noch ein Unterschied. Bei der Entscheidung ist es also wichtig:

q       Mit wem hat man oft Kontakt?

q       Welche Systeme verwenden meine Partner?

q       Ist das anzuschaffende System mit meinen Partnern kompatibel (eventuell vorher testen!)?

 

1.8   Verhalten vor der Kamera

Das in diesem Kapitel behandelte Thema sollte besser eine Übung sein. Auf Buchseiten kann man nur die Theorie und gewisse Regeln festhalten. Die praktische Anwendung muss geübt werden.

 

1.8.1  Das Bild

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Wir haben heute mehr Bilder in den Zeitungen als noch vor einigen Jahrzehnten. Videokonferenz liefert Bilder. Tragen Bilder zu einer besseren Kommunikation bei? Nur ein geringer Prozentsatz der Kommunikation ist Bildkommunikation. Trotzdem steigern die Bilder das Vorstellungsvermögen.

 

Mir selbst

                                   bekannt                       unbekannt

 

 

            be-                  Maske                         Blinde Fenster

            kannt                                                   (Verdeckte

                                                                       Persönlichkeit)

 

Anderen

 

           

unbe-               Persönliches;                Tiefenpsyche

            kannt               Innenwelten                

           

 

 

 

Tabelle 2. Bildschirmposition

Jeder/Jede, der/die sich das erste Mal gefilmt sieht, ist selbst überrascht über seine eigene Person. Mit technisch vermittelter Kommunikation muss kompensiert werden. Die Kamera ist wie ein Fenster. Bei einem Fenster kann man rein und raus schauen. Voraussetzung ist, dass das Fenster geputzt ist und es keine Vorhänge gibt. Vieles kennt man selbst an sich, vieles ist unbekannt.

 

1.8.2  Bildschirmpositionen

Den Bildschirm kann man in 36 Felder einteilen. Jedes liefert eine informelle Information. Es ist nicht egal, ob man als SprecherIn aus dem linken oder rechten Eck des Bildschirms schaut; ob man von unten oder oben gefilmt wird.

Der Betrachter/Die Betrachterin eines Bildes ‘ankert’ sein/ihr Auge an einer bestimmten Position und beginnt von dort weg mit der Betrachtung des gesamten Bildes. Der ‘Ankerpunkt’ ist im rechten, oberen Viertel. Die Betrachtung des Bildes beginnt von links oben nach rechts unten. Deswegen wird in einem Brief das Postskript früher gelesen als der Briefinhalt selbst. Untertitel im Fernsehbild sind also sehr kommunikationsintensiv. Ähnlich ist das Postskriptum (PS) bei einem Brief: es wird stärker registriert als andere Textteile.

 

Innovative Seite

Blickt man vom linken Drittel des Bildschirms in die Mitte des Bildes so befindet man sich in der ‘innovativen Seite’. Die Augen müssen im ‘Goldenen Schnitt’ liegen. Informell wird ‘Neues’ und ‘Aggressives’ transportiert.

 

 

Abbildung 3. Innovative Seite

 

 

Kompetenzseite

Die Sprecherin schaut aus dem rechten Drittel des Bildschirms nach innen. Die Augen ankern im rechten, oberen Viertel.

Der Betrachter/Die Betrachterin beginnt mit seinem Blick links oben im Bild und wandert nach rechts unten, wobei er den ‘Anker’ – das sind in diesem Fallbeispiel die Augen der Sprecherin – immer im Auge hat.

 

 

Abbildung 4. Kompetenzseite

 

 

 

Unsympathischer Gesamteindruck

Die Kamera filmt von oben herab. Diese Kamerastellung sollte vermieden werden, da die Sprecherin damit unsympathisch wirkt.

 

 

Abbildung 5. Unsympathischer Gesamteindruck

 

 

Die Kamera sollte immer genau in Augenhöhe stehen oder sogar etwas darunter, da die Pupillen dann größer wirken, was einen noch freundlicheren und sympathischeren Eindruck hinterlässt.

 

Überhöhter Eindruck

Die Person wird von unten aufgenommen. Damit streicht man die Größe und Bedeutung der Person hervor. Der Betrachter/Die Betracherin kann das auch als Überheblichkeit interpretieren.

 

 

Abbildung 6. Überhöhter Eindruck

 

 

Kinder- oder ‘CNN’-Stellung

Die Sprecherin ist in der Mitte des Bildes positioniert. Sie wirkt neutral. Diese Position wird bei Kommunikation mit Kindern verwendet.

 

 

Abbildung 7. Kinder- oder ‘CNN’-Stellung

 

 

Amerikanische Fernsehstationen verwenden häufig diese Positionierung – daher ‘CNN’-Stellung.

 

 

Point of Loser Stellung

Die Sprecherin wird von oben herab gefilmt und erscheint klein am unteren Bildrand. Sie wirkt als Verliererin, welch siegreiche Meldung sie verbal immer auch absetzt.

 

 

Abbildung 8. Point of Loser Stellung

 

 

‘Selbstmörderposition’

Die Körperhaltung soll prinzipiell ins Bild gehen. Körperstellungen, die den Sprecher aus dem Bild hinaus schauen lassen, nennt man ‘Selbstmörderpositionen’.

 

Kreativ-dynamische Stellung

Die Kamera ist schräg rechts über der Sprecherin positioniert.

 

Abbildung 9. Kreativ-dynamische Stellung

 

Eine künstlerische Kameraeinstellung, die sich für Videokonferenzen aber weniger eignet.

 

 

1.8.3  Verhaltensregeln

 

Blickkontakt mit der Kamera

Für untrainierte VideokonferenzuserInnen ist der Blickkkontakt mit der Kamera schwierig. Sie blicken meist auf den Monitor und schauen dem virtuellen GesprächspartnerInnen in die Augen.

Richtig ist es aber, genau in das Objektiv der Kamera zu schauen, egal, wo sie steht. Gleichzeitig will man aber auch den Gesprächspartner/die GesprächspartnerIn sehen. Ist daher der Monitor woanders installiert als die Kamera, kommt es zwangsläufig zu dem Fehler, dass man am Gesprächspartner/an der Gesprächspartnerin vorbeischaut; also nicht in die Kamera.

VideokonferenzsprecherInnen haben es schwerer als FernsehsprecherInnen. FernsehsprecherInnen haben keinen visuellen Kontakt mit ihren KommunikationspartnerInnen. Sie müssen nur sich selbst und ihre eigene Position betrachten. VideokonferenzteilnehmerInnen sollen aber die eigene Position und den GesprächspartnerInnen unter Kontrolle haben. Die ideale Stellung für eine Kamera wäre daher genau in der Mitte des Monitors. Dies ist technisch nicht immer möglich. Ein Kompromiss ist es, wenn man die Kamera am Monitor installiert.

 

Entfernung zur Kamera

Je nach dem, ob der Gesichtsausdruck oder der Gesamteindruck wichtig ist, wird der Bildausschnitt und damit die Entfernung zur Kamera gewählt. Mit entscheidend ist, wie mobil der Sprecher/die Sprecherin ist. Ob er/sie sich stark bewegt und dadurch bei zu naher Aufnahme das Bild verlassen würde.

 

Kamerabewegungen

Sollten so reduziert wie möglich angewendet werden. Gerade in der Videokonferenz hat man oft nicht ausreichende Bandbreiten zur Verfügung und die Bildfrequenz ist niedriger als im professionellen Fernsehen. Zu viel Bewegung in der Kameraführung führt zu schlechter Bildqualität beim Empfänger/bei der Empfängerin.

 

Zoomen und Schwenken sollen auf ein Minimum reduziert werden.

Ideal ist es, die einzelnen Kamerapositionen vorab zu testen und im System zu speichern. Auch bringt der automatische Abruf von bereits vorgespeicherten Kamerapositionen weniger Stress während der Übertragung und der Empfänger/die Empfängerin erhält höhere Qualität.

 

Folgebilder

Das Bild einer vorangegangenen Sequenz beeinflusst die ihr folgende. Ein negativer Bericht überschattet auch den Folgebericht, der vielleicht schon positiv ist. Einem negativen Sprecher/eine negative Sprecherin zu folgen, ist schwierig. Man muss sich erst eine neutrale Position beim Zuschauer/bei der Zuschauerin erarbeiten, da man mit einem ‘negativen Konto’ beginnt.

 

Kleidung

Zu bunte Kleidung sollte man vermeiden. Auch stark gemusterte oder karierte Stoffe führen zu schlechter Bildqualität beim Empfänger/bei der Empfängerin.

Wird Blue-Box-Technik angewendet, so sind blaue Kleidungsstücke geradezu verboten!

 

Sitzposition

Der Sprecher/Die Sprecherin sollte hinter einem Tisch sitzen, weil dies die gewohnte Konferenzposition ist und wenig Bewegungsspielraum bietet.

 

Kopfhaltung

Bei Portraitaufnahmen erscheint bei breiten Schultern der Kopf zu klein und bei engen Schultern zu groß.

Der Sprecher/Die Sprecherin sollte sich dazu überwinden, nicht die Begleitpersonen oder Mitglieder der eigenen Gruppe anzusprechen, sondern die Kamera.

 

Hemdkragen und Krawatte

Spitze Hemdkrägen verlängern ein Gesicht, was man vor allem bei rundem Gesicht machen sollte.

Ein ausgestellter Kragen verkürzt das Gesicht. Diese sollte man bei schmalem und länglichem Gesicht verwenden.

Krawatten sollten keine dunklen Farben, keine Blauwerte und keine gestreiften Muster haben. Seidenkrawatten haben die Eigenschaft, dass sie glänzen.

Eine Krawatte sollte helle, warme Farben, einen modischen Schnitt haben und passend zum Hemdkragen sein.

 

Dekolleté und Haarlänge

Bei rundem Gesicht sind lange Haare und lange Ohrringe oder Gehänge von Vorteil. Bei länglichem und ovalem Gesicht ist eine Kurzhaarfrisur und anliegende Ohrringe wie Clips besser.

 

Frauen mit einem kurzen Hals tragen vorteilhaft einen V-Ausschnitt und eine lange Halskette.

Damen mit längeren Hälsen dagegen hochgeschlossene Kleider und Blusen oder noch besser einen Rollkragen. Anliegende Halsketten und Tücher verkürzen den Hals.

 

Schminken

Mit einem farblosen Puder können auch Männer ihre glänzenden Haaransätze, eventuelle Glatzen und Oberlippen (dort schwitzt man am stärksten) vor der Kamera besser aussehen lassen.

 

1.9   Die Sprache

Da beim Videoconferencing das Gesichtsfeld durch die Brennweite der Kamera einengt wird und oft auch die Qualität reduziert ist, entfallen nonverbale Kommunikationsformen oder sind diese stark reduziert. Der Kommunikationspartner/Die Kommunikationspartnerin ist demnach stark auf die verbale Kommunikation angewiesen.

Im Johannesevangelium steht: ‘Am Anfang war das Wort’. Das Wort steht mit ‘Realität’ und ‘Information’ auf einem Niveau.

 

Klare Formulierungen

Klare und präzise Formulierungen sind notwendig. Das bedeutet: Aussagen sollen nicht länger als 20 Sekunden sein. Sie sollten nach der 5 Satz Theorie abgefasst sein:

q                   Ein Satz, der das Ziel definiert.

q                   Drei Sätze, die die Argumentation beschreiben.

q                   Ein Satz, der ein Aufruf ist.

q                   Keine weiteren Argumente mehr!!

 

1.9.1  Die Stimme

Die Stimme ist nach der nonverbalen Kommunikation der stärkste Träger für die Information:

q       Inhalt 7%

q       Stimme 33%

q       Non verbale Signale wie Körpersprache oder Stimmung 60%

Daneben kommt noch die Ebene der Sympathie und der Stereotypen.

Hat jemand mit einem bestimmten Typ eine bestimmte Erfahrung gemacht, dann ist er/sie bei Auftreten einer ähnlichen Person ebenso vorgestimmt, obwohl diese Person in ihrem Verhalten völlig anders sein kann.

Auch können verwendete Kleidungsstücke eine Abwehrhaltung beim Kommunikationspartner/bei der Kommunikationspartnerin  hervorrufen.

 

1.9.2  Gesten

Gesten sollten gezielt eingesetzt werden. Bleistifte oder Füllhalter sind Verstärker von Gesten und sollten daher NICHT verwendet werden.

 

1.9.3  Gesprächsführung

Bei mehreren TeilnehmerInnen ist ein Moderator/eine Moderatorin zu bestimmen.

Daneben muss auch einer die Moderation für beide Kommunikationsseiten übernehmen, um die Gespräche zuzuteilen.

Der Moderator/Die Moderatorin sollte dazu beitragen, dass lange Gesprächspausen überbrückt werden und der Redefluss gesteuert wird.

Bei mehr als drei TeilnehmerInnen sollte die Gesprächsübergabe auch sehr direkt erfolgen. Der Folgeredner/Die Folgerednerin wird vom Vorredner/von der Vorrednerin direkt angesprochen. Reine Gesten oder Blickkontakte wie bei konventionellen Konferenzen sind nicht ausreichend und werden auf der Remoteseite oft nicht als solche erkannt.

 

1.10  Raumaustattung

Bei der Anschaffung von Videokonferenzsystemen wird meist für die Adaptierung des Raumes nichts mehr vorgesehen. Der Raum, seine Ausstattung, seine Beleuchtung und seine Akustik sind aber genauso wichtig wie die Hardware selbst.

 

1.10.1              Hintergrund

Farbvielfalt und unruhige Musterung führen beim Empfänger/bei der Empfängerin zu schlechter Bildqualität. Ein weißer Hintergrund ist unverfänglich. Dunkle Hintergrundfarben schlucken das Licht.

Beweglicher Hintergrund sollte vermieden werden, da er ablenkt.

Man sollte darauf achten, dass keine Kanten und Linien durch den Kopf gehen.

 

 

Abbildung 10. Hintergrund 1

 

 

Unruhiger Hintergrund wie Garderoben sollten vermieden werden, da er ablenkt.

 

 

Abbildung 10. Hintergrund 2

 

Personen, die im Hintergrund durch das Bild gehen verunsichern KommunikationspartnerInnen. Er/Sie will wissen, was da noch alles im Raum los ist und kann es nicht sehen.

 

1.10.2              Einrichtung

Karierte Polsterungen von Möbeln und Vorhängen sollten vermieden werden. Chromteile in der Einrichtung wirken sich ebenfalls negativ aus, weil sie glänzen.

Pastelltöne eignen sich sehr gut.

Keine vom Sprecher/von der Sprecherin ablenkende Einrichtungsgegenstände.

 

Tisch

Der Tisch soll die Bewegungsfreiheit des Sprechers/der Sprecherin eingrenzen, damit sitzt er/sie ruhiger und bringt bessere Bildqualität in der Übertragung (geringere Übertragunsgleistung).

Glatte und glänzende Tischoberflächen sind ungeeignet. Sie führen zu starken Reflexionen.

Die ideale Tischgröße für einen Sprecher/eine Sprecherin ist 60 mal 70 Zentimeter.

 

Sessel

Der Sessel des Sprechers/der Sprecherin sollte keine Rollen besitzen. Er soll fix installiert sein, um bei steigender Nervosität ein Hin- und Herrollen zu vermeiden.

Der Sessel sollte in der Höhe verstellbar sein, um unterschiedliche Personengrößen ausgleichen zu können.

 

1.10.3              Bildprojektion

Bei kleinen Gruppen ist die Verwendung von einem oder mehreren Monitoren ausreichend. Bei einer größeren Teilnehmergruppe muss das Bild des Kommunikationspartners/der Kommunikationspartnerin für alle TeilnehmerInnen sichtbar an die Wand projiziert werden.

Darin liegt ein Beleuchtungsproblem.

Verwendet man keine leuchtstarken Beamer, so muss man den Raum abdunkeln, um eine gute Projektionsqualität zu erreichen. Dunkelt man den Raum ab, dann ist das Licht für die Kamera zu wenig und der Kommunikationspartner erhält schlechte Bildqualität.

 

Es sind also unbedingt Tageslichtprojektoren zu verwenden, die ein Abdunkeln oder eine reduzierte Beleuchtung erübrigen.

Bei multimedialen Anwendungen sind mehrere Projektionswände notwendig.

 

1.10.4              Beleuchtung

Gegenlichtaufnahmen vermeiden, da der Sprecher/die Sprecherin kleine Augen bekommt (kneift) und dadurch seinen PartnerInnen nicht mehr offen gegenübertritt.

 

 

Abbildung 11. Beleuchtung 1

 

 

Gegenlicht, das von der Seite kommt, produziert einen Hintergrundschatten, der wie ein Scherenschnitt des Sprechers/der Sprecherin wirkt. Sein Körper wird vergrößert und verzerrt.

Bei direkter Ausleuchtung von vorne sind die Gesichtskonturen nicht mehr erkennbar.

Das klassische Raumlicht mit Lampen, die an der Decke montiert sind, ist ungeeignet. Die zu filmenden Personen haben lange Schatten im Gesicht. Die kleinsten Falten bekommen Schatten und die Personen wirken älter.

Reflexionen des Monitorlichts können zu unangenehmer Beleuchtung des Gesichts führen.

 

 

Abbildung 12. Beleuchtung 2

 

 

Natürliches Licht wie Sonnenstrahlen und deren Schatten können die Bildqualität – hell dunkel – beeinträchtigen.

 

 

Abbildung 13. Beleuchtung 3

 

 

Eine blendfreie, gleichmäßige Ausleuchtung, die keine Schatten produziert, ist notwendig. Auch die Rückwand soll schattenfrei ausgeleuchtet werden. Ideal sind etwa 700 Lux Leuchtstärke.

Gebläsegekühlte Scheinwerfer sind störend.

Unklimatisierte kleine Räume können durch die Scheinwerfer hohe Raumtemperaturen bekommen. Klimaanlagen im Raum sind ungeeignet, weil sie für die Tonaufnahmen störend sind.

Über Zusatzkameras zu übertragende Gegenstände oder Vorlagen brauchen die zweifache Raumhelligkeit!

 

1.10.5              Akustik

Bei Besprechungen – und im speziellen bei Videokonferenzen – ist die Sprache einer der wichtigsten Kommunikationsfaktoren. Daher ist auf diese Form besonders zu achten. Schlechte Raumakustik kann den Erfolg einer Videokonferenz stark beeinträchtigen.

Ein Tontechniker antwortete auf die Frage nach dem besten Mikrophon so: “Das beste Mikrophon ist zu teuer, wenn nicht akustische Vorkehrungen im Raum getroffen werden.“

Schalldämmung ist in normalen Klassenzimmern oft nicht gegeben.

Auch werden bei Anschaffungsbudgets meist nur die reinen Hardwarekosten der Videokonferenz berücksichtigt und keine Investitionen für den Raum.

Oft genügen einfache Vorkehrungen wie etwa Vorhänge oder auf die Wand geklebte schalldämmende Tapeten.

 

1.11  Videokonferenzformen

Videoconferencing kann eine multimediale Kommunikation

q       zwischen zwei PartnerInnen,

q       zwischen einem mit mehreren PartnerInnen oder

q       zwischen zwei oder mehreren Gruppen sein.

Kollegin Flicker (2001: 11) kommt in einer Studie zu einer ähnlichen Einteilung, wobei sie noch auf die heute noch nicht wahrgenommene Form ‘Many to One’ verweist:

Dies ist auch vom jeweiligen Einsatzgebiet oder der betreffenden Branche abhängig.

 

 

 

 

Personen

 


                        * Präsentationen                                                         * Teleteaching

                        * Business TV                                                            * Videokonferenz

viele                 * Teleteaching                                                 zwischen

                        * Pressekonferenz                                                       Vorlesungssälen

                        * Vorträge

 

 


                        * Gruppen-                             * Gruppen-

                        Videokonferenz                       Videokonferenz

wenige             * dezentrale                             * dezentrale

                        Experten                                  Teams

                        beiziehen                                 verbinden

 

 


                                                                       * Gruppen-                  * Präsentationen

                        * PC-                                      Videokonferenz           * Business TV

eine                  Videokonferenz                       * dezentrale                 * Teleteaching

                                                                       Experten                      * Pressekonferenz

                                                                       beiziehen                      * Vorträge

 

 

                                   eine                             wenige                                     viele     Personen

                                                                      

 

Im Bereich der Lehre können alle Spielarten vorkommen.

 

1.11.1              One to one

Das ist die einfachste Form einer Videokonferenz. Eine Person bespricht sich mit einer anderen. Man kann sich leichter auf einen PartnerIn einstellen und ein individuelles Gespräch führen.

 

1.11.2              One to Many

Eine(r) spricht zu einer Gruppe. Das ist die klassische Remotevorlesung. Der Lehrer/Die Lehrerin kann in seinem/ihrem Büro oder einem Studio sitzen und die SchülerInnen müssen nicht nachreisen.

Untersuchungen eines Kollegen in Heidelberg haben ergeben, dass Studierende einen Remote-Vortragenden physisch anwesenden LehrerInnen vorziehen.

 

1.11.3              Many to Many

Zwei Gruppen diskutieren miteinander. Das ist schon in der realen Welt schwierig. Bei einer Videokonferenz kann das ohne lokale und übergeordnete Moderation nicht gemanagt werden. Eine(r) muss die Diskussion in Fluss halten und Wortmeldungen reihen beziehungsweise das Wort die einzelnen Redner zuteilen.

Eine spezielle Form, zwei Gruppen via Videokonferenz zusammenzuführen, ist ‘Teledinning’:

Eine nordamerikanische Restaurantkette ermöglicht es mit Videokonferenz Entfernungen zu überbrücken und trotzdem gemeinsam zu essen. Die Tische im Restaurant bestehen aus runden Tischen, die in der Mitte abgeschnitten sind. Die zweite Hälfte jeden Tisches ist in einem anderen Restaurant und jeder Tisch schließt an dieser – abgeschnittenen Seite – mit einer Leinwand ab, auf die die Partner des Remote-Restaurants eingeblendet werden. Die zweite Tischhälfte wird über Videokonferenz zugespielt. Die Partner können gemeinsam essen. Sie können sich unterhalten, als säßen sie am selben Tisch, nur kosten können sie voneinander nicht.

 

1.11.4              Many to Many to Many

Eine Kommunikationsform, bei der mehrere Standorte mit jeweils mehreren TeilnehmerInnen miteinander verbunden werden.

Um diese Verbindung physisch aufbauen zu können, muss eine Stelle als ‘Master’ dienen. Diese muss mit einer MCU – Multipoint Control Unit – ausgestattet sein, die die Steuerung und Schaltung zu den einzelnen Videokonferenzstandorten vornimmt. Ein automatischer Selbstwählverkehr der einzelnen TeilnehmerInnen ist nicht mehr möglich.

Zur Sprachsteuerung und RednerInzuteilung wird eine Sprachsteuerung eingesetzt. Derjenige/Diejenige, der/die am lautesten ‘schreit’, kommt ins Bild. Der Partner/Die Partnerin, der/die am Wort ist, wird auch allen Remotestellen am Bildschirm zugespielt. Jede(r) TeilnehmerIn kann so das Wort ergreifen. Das bedarf aber auch einer strengen Sprachdisziplin. Darüber hinaus ist ein Moderator/eine Moderatorin sicherlich sinnvoll. Er kann im Notfall ‘VielrednerInnen’ auch den Mikrophonzugang das Wort und damit entziehen.

 

Auszug aus dem Buch

„Videokonferenz in der Lehre“

Johann GÜNTHER

Braumüller Verlag

Wien 2001