Stefan Staiger
„Webquest“ als
handlungsorientierte Methode zum Interneteinsatz
Beim unterrichtlichen Einsatz des Internet fehlt es noch immer an praktikablen und erprobten didaktischen Konzepten. Am Pestalozzianum Zürich wurde die in den USA entwickelte Methode „Webquest“ für den Einsatz an Schweizer Schulen angepasst. Damit liegt nun eine Methode vor, die den sinnvollen Einsatz des Internet als Informationsquelle ermöglicht. Ein wichtiger Vorteil von Webquests liegt darin, dass neben dem Internet auch andere Informationsquellen verwendet werden. Damit wird für die Schüler deutlich, dass das Internet nur eine sinnvolle Informationsquelle neben „herkömmlichen“ Quellen wie Zeitschriftenartikeln, Büchern, Lexika und CD-ROMs darstellt.
Das Internet stellt in der Sichtweise zahlreicher Medien „das Weltgehirn“ und „die Datenbank des Weltwissens“ dar. Zwie Milliarden Seiten[1] steht zum sofortigen Abruf bereit. Damit scheinen auf den ersten Blick alle Probleme der Informationsbeschaffung gelöst, wenn nur ein Computer mit Internetanschluss vorhanden ist.
Bei der Suche im Internet zeigt sich jedoch, dass das Internet nie als Lernumgebung gedacht war: Es existiert keine didaktische Struktur oder Aufbereitung der Informationen. Die Informationssuche gestaltet sich auch beim Einsatz von Suchmaschinen und Katalogen besonders für Schüler oft recht schwierig. Auch zahlreiche Lehrer haben bei der Suche nach Informationen erhebliche Schwierigkeiten. Diese zeigen sich im hohen Zeitbedarf der Informationssuche und in der unzureichenden Qualität der gefundenen Informationen.
Betrachtet man die Informationssuche aus einer technischen Perspektive, so stehen im Internet zahlreiche Hilfsmittel zur Verfügung, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden soll:
· Kataloge (z.B. Yahoo: http://www.yahoo.de) für die Suche nach Begriffen in einer hierarchischen Katalogstruktur.
· Suchmaschinen (z.B. Altavista: http://www.altavista.de oder Google: http://www.google.com) für die Suche nach aktuellen oder speziellen Informationen, die in Katalogen kaum zu finden sind.
· Metasuchmaschinen (z.B. Metager: http://www.metager.de) für die Suche in mehreren Suchmaschinen. Metager eignet sich für den unterrichtlichen Einsatz für „Internet-Anfänger“ recht gut.
Zur Informationsrecherche im Internet im Rahmen des Unterrichts bieten sich aus
methodischer Perspektive mehrere Möglichkeiten an.
Bild 1: Methoden zur Informationsrecherche
Freie Suche: Nach Vorgabe eines Themas, z.B. „Planung von Webseiten“ suchen die Schüler ohne weitere Hinweise nach Informationen. Voraussetzung dafür sind Vorkenntnisse der Schüler in der Bedienung eines Browsers und in der Benutzung von Suchmaschinen und Katalogen. Bei der „freien Suche“ treten die genannten Probleme des hohen Zeitbedarfs und der unzureichenden Suchergebnisse besonders häufig auf.
Exakte Vorgabe der Zeit und der Suchaufgabe: Erfolgversprechender ist das Arbeiten mit exakten Vorgaben, z.B. „Sucht in 30 Minuten Informationen zum Gestalten von Texten bei der Erstellung einer Webseite.“ Doch auch hier werden noch viele Schüler Probleme haben, geeignete Seiten in der vorgegebenen Zeit zu finden.
Linklisten: Eine weitere Möglichkeit besteht in der Vorgabe von bereits durch den Lehrer ermittelten Links zu informativen Webseiten. Die Links können den Schülern z.B. in Form einer Word-Datei zur Verfügung gestellt werden, aus der die Schüler die ausgewählten Seiten direkt aufrufen können.
Walden’s Path: Bei dieser Methode sucht der Lehrer zunächst interessante Seiten zum betreffenden Thema im Internet und stellt diese dann mit Hilfe eines Programms zu einem „guided path“, also einem geführten Pfad durch diese Seiten am Computer zusammen. Die Schüler gelangen jeweils durch Anklicken eines Buttons zur nächsten Seite und können die Aufgaben, die ebenfalls am Bildschirm dargestellt werden, mit Hilfe der Webseiten bearbeiten. Beispiele dazu finden sich im Internet.[2] Walden’s Path stellt damit eine verbesserte Variante des Arbeitens mit Linklisten dar.
Bild 2: Bildschirm bei Walden's Path[3]
Alle genannten Methoden zeigen beim Einsatz im Unterricht jedoch noch die erheblichen aufgeführten Nachteile (hoher Zeitbedarf, unzureichende Suchergebnisse). Insbesondere sind alle Methoden sehr eng an die Nutzung des Internet als Informationsquelle gebunden. Eine Einbeziehung der nach wie vor wichtigen „herkömmlichen“ Informationsquellen wie Fachbücher, Kataloge, CD-ROMs, Tabellenbücher, Zeitschriften und vielen mehr erfolgt nicht.
An der San Diego State University wurde 1995 eine Methode namens „Webquest“ entwickelt (vgl. Dodge 1995). Dabei sollten die Schüler nach einer Einführung in ein Problem eine lösbare Aufgabenstellung erhalten, die sie dann mit vorgegebenen Informationsquellen in Gruppen bearbeiten. Die Lernenden werden dabei durch Anleitungen (z.B. lenkende Fragen) unterstützt. Ein Abschluss dient dazu, die Schüler an das Gelernte zu erinnern und sie zu ermutigen, ihre Erfahrungen auf andere Bereiche zu übertragen. (vgl. Abplanalp 1997)
Ende der neunziger Jahre wurde die Methode am Pestalozzianum Zürich aufgegriffen und für den Einsatz an Schweizer Volksschulen verändert. Dabei wurde ein Schwerpunkt auf den Einsatz von Quellen außerhalb des Internet gelegt. Als Ergebnis liegt heute eine Strukturierung der Methode in sechs Teilschritte vor (vgl. Moser 2000).
Zunächst wird den Schülern das Thema des Webquest möglichst motivierend vorgestellt (Schritt 1). Besonders geeignet sind hier konkrete Problemstellungen, die anhand von Videos, Realien, Skizzen, Zeichnungen oder auf andere Art anschaulich dargestellt werden.
Anschließend erhalten die Schüler konkrete Aufgabenstellungen z.B. in Form von
Fragen (Schritt 2). Diese Aufgaben werden mit den Schülern diskutiert und
sollen von ihnen auch ergänzt oder verändert werden können. Ziel dabei ist, das
Webquest "zur Sache der Schüler" zu machen.
Bild 3: Ablauf eines Webquests
Für die Lösung der Aufgaben stehen verschiedene Ressourcen zur Verfügung (Schritt 3). Dies sind zum einen konkrete Hyperlinks auf Seiten im Internet. Zum anderen sollten auch weitere Materialien wie Tabellen- und Fachbücher, (kopierte) Zeitschriftenartikel, Lexika, Kataloge, Prospekte und CD-ROMs einbezogen werden.
Die Schüler arbeiten dann vorzugsweise in Gruppen an den verschiedenen Aufgabenstellungen mit Hilfe der angegebenen Ressourcen (Schritt 4).[4] Dabei übernimmt der Lehrer die Rolle eines "Coaches" und berät und unterstützt die Schüler.
Die Ergebnisse der einzelnen Gruppen werden dann präsentiert (Schritt 5). Im Idealfall erfolgt die Präsentation im Internet in Form von Webseiten. In Klassen, die über entsprechende Kenntnisse nicht verfügen, kann die Präsentation in Form von Folien vor der Klasse oder in Form von Plakaten zum Aushang im Klassenzimmer oder an anderen geeigneten Stellen in der Schule erfolgen.
Ziel der abschließenden Evaluation ist es, den Schülern eine Reflexion ihres Lernverhaltens zu ermöglichen und dem Lehrer Hinweise zur Verbesserung der Vorbereitung und Durchführung von Webquests zu geben (Schritt 6). Diese Evaluation kann beispielsweise in Form eines Fragebogens, durch ein Gespräch oder durch die Anfertigung von Protokollen der Schüler während der Arbeit an den Aufgaben erfolgen. Insgesamt umfasst ein Webquest je nach Komplexität der Problemstellung 2-8 Unterrichtsstunden.
Webquests bieten damit eine interessante Antwort auf die Frage, wie das Internet zur Informationsbeschaffung genutzt werden kann. Diese Antwort besteht in einer didaktischen Reduktion der gigantischen Informationsmenge und einer Kombination mit anderen Informationsquellen. Gleichzeitig fördern Webquests durch ihre Gesamtstruktur den handlungsorientierten Unterricht.
Am Technischen Gymnasium und in der Gewerblichen Berufsschule in Emmendingen (Deutschland) wurden einige Webquests im Unterricht getestet.
Hier wird ein Unterrichtsbeispiel ausführlich dargestellt.
Als Einführung zum Unterrichtsbeispiel „Planung einer Webseitenerstellung“ wurde den Schülern im Computerraum mit 15 Rechnern eine schlecht strukturierte und gelayoutete Seite im Internet am Beamer präsentiert. Zur Vermeidung derartiger Fehler ist eine sinnvolle Planung der Webseitenerstellung notwendig (Schritt 1). Für diese Planung wurden fünf Gruppen gebildet, die sich mit einzelnen Bereichen beschäftigen sollten (Schritt 2):
· Erstellung einer Liste mit häufigen Fehlern
· Beschreibung der einzelnen Schritte bei der Planung
· Hinweise zur Erstellung von Texten und Planung der Navigation
· Wichtige allgemeine Regeln zur Webseitenerstellung
· Bekanntmachen der erstellten Webseite
Als Ressourcen waren eine CD-ROM, Adressen im Internet, das Tabellenbuch der Schüler und kopierte Zeitschriftenartikel vorgesehen (Schritt 3).
Die Ergebnisse der Gruppen sollten als Word-Datei zusammengefasst werden, um die Ergebnisse später einfach ins Internet übertragen zu können.
Die Schüler arbeiteten sehr zügig und mit großem Engagement (Schritt 4). Die Aufgabe des Lehrers bestand in dieser Phase nur in der Beantwortung einiger auftretender Fragen. Da nach 90 Minuten Nachmittagsunterricht erst eine Gruppe ganz fertig war, arbeiteten alle anderen Schüler noch freiwillig weiter. Die letzte Gruppe musste 20 Minuten nach Ende der Stunde zum Abschluss ihrer Arbeiten aufgefordert werden. Dies zeigte, dass die Schüler hier sehr motiviert waren.
In der folgenden Unterrichtsstunde erhielten alle Schüler Kopien der erstellten Seiten (Schritt 5) und im Rahmen eines Gesprächs wurden die Ergebnisse betrachtet und die gesamte Methode als „interessant“ und „spannend“ bewertet (Schritt 6). Die Schüler hoben auch besonders die Möglichkeit zum selbstständigen Arbeiten hervor.
Der Einsatz von Webquests bietet folgende Vorteile:
· Durch den gleichzeitigen Einsatz weiterer Informationsquellen und Medien kann den Schülern die Einsicht vermittelt werden, dass das Internet nicht die einzige und nicht immer die geeignete Informationsquelle ist.
· Neben diesem Lernziel aus dem Bereich der Medienkompetenz ermöglicht die handlungsorientierte Struktur des Webquests die Förderung weiterer Kompetenzen wie der Methoden- und Sozialkompetenz.
· Die Motivation der Schüler wird durch den Einsatz des Internet gesteigert.
· Durch arbeitsteiliges Vorgehen innerhalb der Gruppen ist zusätzliches Suchen in Netzkatalogen und Suchmaschinen möglich.
· Die Anzahl der benötigten Computer mit Internetanschluss ist geringer als bei anderen Methoden. Da ein Computer pro Gruppe ausreicht, können auch „Lerninseln“ mit mehreren Computern für diese Methode genutzt werden. Ebenso ist die Nutzung eines Computerraumes durch zwei Klassen parallel möglich, da nur ein Teil der Computer benötigt wird. Die anderen Gruppenmitglieder können in benachbarten Klassenzimmern arbeiten. Diese Vorgehensweise hat sich bei den beschriebenen Unterrichtsbeispielen bewährt.
Der zuletzt beschriebene Vorteil stellt sich aus anderer Sichtweise als Nachteil dar:
· Wenn der Unterricht gewöhnlich in einem Klassenzimmer stattfindet, ist es oft sehr schwer, einen freien Computerraum zu finden. Vielleicht ist es sogar möglich, ein Webquest mit sechs Gruppen und nur 3 Computern im Klassenzimmer durchzuführen.
· Neben der fehlenden Hardware stellt der große Vorbereitungsaufwand sicher ein wichtiges Hindernis für die Anwendung von Webquests dar. Für die Vorbereitung der vorgestellten Unterrichtsbeispiele waren jeweils ca. 6 Stunden (v.a. für die Suche nach geeigneten Webseiten) erforderlich.
· Da Links durch Veränderungen an vielen Webseiten schnell ins Leere führen, ist eine Überprüfung und Aktualisierung auch bereits erprobter Webquests einige Tage vor Durchführung des Unterrichts ratsam.
Eine Kurzfassung zum Einsatz von Webquests zeigt Bild 4.
Bild 4: Einsatz von Webquests
Die exemplarische Erprobung der Methode zeigt, dass ein Einsatz von Webquests in verschiedenen Schularten auch unter ungünstigen Randbedingungen (in nur drei Unterrichtsstunden, mit großen Klassen, mit wenigen zur Verfügung stehenden Computern) möglich ist. Damit stellen Webquests einen sinnvollen didaktischen Ansatz zur Nutzung des Internet als Informationsquelle dar.
Durch die Erarbeitung von Webquests für verschiedene Themenbereiche und der Bereitstellung entsprechender Unterrichtsentwürfe im Internet könnte der Vorbereitungsaufwand minimiert werden. Dann sind Webquests sicher eine interessante und effektiv anwendbare Methode zum sinnvollen Einsatz des Internet in verschiedenen Schularten.
Aufgaben
und Informationsquellen zum Unterrichtsbeispiel
"Planung der Webseitenerstellung"
(Technisches Gymnasium, 11. Klasse)
Bevor
man mit der Erstellung einer Webseite beginnt, sollte man über Planung, Aufbau
und Struktur der Seite nachdenken.
Bearbeiten
Sie dazu folgende Aufgaben mit Hilfe der angegebenen Informationsquellen ! Wenn
Sie noch Zeit haben, können Sie noch in Suchmaschinen oder in einem Katalog
(z.B. yahoo) nach Informationen suchen. Dazu können Sie auch arbeitsteilig vorgehen !
Die
Ergebnisse Ihrer Arbeit in der Gruppe stellen Sie bitte in einer WORD-Datei auf einer
Seite zusammen (Texte und
Bilder/Grafik, wenn möglich, Angabe aller Namen der Gruppenmitglieder), die
dann später in eine Webseite umgewandelt werden kann.
Bewertung: Die Seiten werden
ausgedruckt und gemeinsam bewertet. Bewertungskriterien sind verständlicher
Inhalt, kurze und übersichtliche Darstellung, die Schwierigkeit der
Aufgabenstellung sowie der Gesamteindruck.
Aufgabe A:
Erstellen
Sie eine Liste mit häufigen Fehlern, die bei der Erstellung einer Webseite
passieren. Sortieren Sie die Fehler so, dass die „schlimmsten“ Fehler oben auf
der Liste stehen.
Aufgabe B:
Beschreiben
Sie die einzelnen Schritte bei der Erstellung von Webseiten !
Aufgabe C:
Worauf
sollte man bei der Erstellung von Texten und bei der Planung der Navigation auf
einer Webseite achten ?
Aufgabe D:
Stellen
Sie wichtige Regeln zur Webseitenerstellung und grundlegende Tipps, die man
beachten sollte, zusammen.
Informationsquellen:
Aufgabe E:
Wie
kann man eine bereits erstellte Webseite bekannt machen, so dass die Webseite
viele Besucher erreicht ?
(Alle Zeitschriftenartikel
aus: PC-Praxis Intern 1/2001: Internet Intern;
CD Multimedi@Schule: Lehrerfortbildungsmaterialien vom Landesinstitut für
Erziehung und Unterricht Baden-Württemberg
2000)
·
Abplanalp, Christoph: Möglichkeiten, Chancen und
Grenzen des Lernens mit dem Internet. Diplomarbeit. St. Gallen 1997. http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/
PAEDPSYCH/NETSCHULE/NETSCHULELITERATUR/Abplanalp97.html (15.2.01)
·
Dodge,
Bernie: Some Thoughts About WebQuests. San Diego 1995. http://edweb.sdsu.edu/courses/edtec596/about_webquests.html (15.2.01)
· Döring, Nicola: Lernen und Lehren im Internet. in: Batinic, Bernad (Hrsg.): Internet für Psychologen. Göttingen: Hogrefe 1997, S.443-477
· Hedtke, Reinhold (Hrsg.): Vom Buch zum Internet und zurück. Medien- und Informationskompetenz im Unterricht. Darmstadt: Winklers 1997.
· Jecht, Hans; Sausel, Stephan: Unterrichtsprojekte mit dem Internet. Darmstadt: Winklers 1998.
· Klimsa, Paul (Hrsg.); Issing, Ludwig (Hrsg.): Information und Lernen mit Multimedia und Internet. Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union 2002.
· Moser, Heinz: Abenteuer Internet. Lernen mit WebQuest. Zürich: Verlag Pestalozzianum 2000.
Server im Internet:
· Deutschsprachiger Webquest-Server: http://www.web-quest.ch
· Amerikanischer Webquest-Server: http://edweb.sdsu.edu/webquest/webquest.html
[1] In der Literatur und im Internet gibt es zahlreiche, sehr unterschiedliche Angaben zur Anzahl der Webseiten.
[2] http://www.csdl.tamu.edu/cgi-bin/walden/FinalPserver/permanent/wolf-new.path/
[3]
Originalbildschirm aus (Waldens`s Path
zur UN):
http://www.csdl.tamu.edu/cgi-bin/walden/Pserver/permanent/frm=172,*,509,*:un.path/2/_/_/
[4] Einzelarbeit der Schüler ist prinzipiell ebenfalls möglich.