IMAX: Hail Columbia! — Eine neue Ära der Raumfahrt beginnt

Warner Home Video; DVD (ca. 36 min.); Euro 17,99


Am 12. April 1981 begann eine neue Ära der Raumfahrt: Das neu entwi­ckelte Space Shuttle „Columbia“ be­gann seinen Jungfernflug. Die Astro­nauten John Young und Robert Crip­pen kehrten nach zwei Tagen, sechs Stunden, 20 Minuten und 52 Sekun­den sicher zur Erde zurück.

Fast 22 Jahre später, am 1. Februar 2003, verglühte die „Columbia“ mit ihrer nunmehr siebenköpfigen Crew während des Landeanflugs über Te­xas. Nach dem Verlust des Shuttles „Challen­ger“ und seiner ebenfalls sie­ben­köp­fi­gen Crew am 28. Jänner 1986, nur 73 Sekunden nach dem Start, handelte es sich bereits um den zweiten katastrophalen Totalver­lust in der Ge­schichte des Shuttle-Pro­gramms, wenn auch aus völlig an­de­ren Gründen.

Die aktuellen Ereignisse verleihen dem vorliegenden Film, der über den allerersten Flug der „Columbia“ be­richtet, eine dramatische Aktualität. Es erscheint im Rückblick fast wie ei­ne Ironie des Schicksals, dass bis auf die Verzögerung des Starts durch ein Synchronisationsproblem zwischen zwei Computern eigentlich nur ein einziges technisches Problem in den Vordergrund gerückt und diskutiert wird: der Verlust des Hitzeschilds.

Die beiden Testpiloten werden in ei­nem auf der DVD enthaltenen Inter­view befragt, ob sie even­tu­ell beschä­digte Kacheln in der schüt­zenden Isolierung tatsächlich im Or­bit nicht austauschen könnten, und versichern, dass das zwar unmöglich ist, man schon ein paar von diesen Kacheln verlieren darf, oh­ne gleich verbrennen zu müssen. Zum Redakti­onsschluss dieses Arti­kels steht die Ursache für den Absturz der „Colum­bia“ zwar noch nicht mit letzter Si­cherheit fest, aber es scheint klar zu sein, dass der Hitze­schutz auf die eine oder andere Weise versagt hat.

Unfreiwillig wird die DVD durch den aktuellen Unfall zu einem Zeitdoku­ment, das so gar nicht gedacht war. Es ist zweifellos spannend, die Vor­bereitun­gen, den Start, den relativ kurzen Flug und die erste Landung des Or­bi­ters zu verfolgen, auch wenn manche Szenen mehr als zwanzig Jah­re später ziemlich archaisch anmu­ten. Es wird einem jedenfalls wieder einmal deutlich gemacht, dass es sich beim Space Shuttle keines­wegs um brandaktuelle Hochtechno­logie han­delt, sondern dass der Kern des Gan­zen sich seit Anfang der 1980er (oder eigentlich sogar Ende der 1970er) Jahre nicht geändert hat, was aber natürlich keine schlechte Sa­che sein muss.

Technisch gesehen lässt die DVD in mancherlei Hinsicht zu wünschen üb­rig. Es handelt sich zum größten Teil um keine Aufnahmen im IMAX-For­mat, denn beim Testflug war aus ver­ständlichen Gründen keine Kamera in dieser doch recht unhandlichen Di­mension an Bord. Vom Boden gibt es einige Panorama-Aufnahmen, aber auch hier wurden oft mehrere norma­le Filme bzw. TV-Aufnahmen in das große IMAX-Format zusammenko­piert, um den Platz auf der riesigen Leinwand einigermaßen zu füllen.

Der Ton wurde digital nachbearbeitet und auf 5.1 Kanäle in Dolby Digital umgesetzt. Wer ein Surround-Sound-System besitzt, kann sich besonders mit der Startsequenz gegen Mitte des Films sicher Feinde unten den Nach­barn schaffen, wenn der Subwoofer entsprechend kräftig eingestellt ist. Die Surround-Effekte wirken aller­dings zum Teil gekünstelt und wie Alibihandlungen, wenn etwa bei einer Pressekonferenz die Fragen der Jour­nalisten aus den hinteren Kanälen ge­stellt werden, obwohl das Bild in ei­nem ziemlich winzigen Auschnitt der Gesamtfläche läuft.

Das Bild ist zwar mit akzeptabler Bandbreite codiert, aber aufgrund des teilweise schlechten Basismaterials stellenweise sehr grobkörnig. Der Ton liegt ausschließlich in englischer Sprache vor. Dafür gibt es allerdings Untertitel in immerhin zwölf Spra­chen, darunter natürlich Deutsch. Das Zusatzmaterial beschränkt sich auf ei­nen allgemeinen IMAX-Trailer, der nicht besonders sehenswert ist. Lei­der wurde darauf verzichtet, weitere In­for­mationen zum Jungfernflug der „Columbia“ mitzuliefern, und sei es nur eine schriftliche Version des ge­sprochenen Kommentars.

Fazit: Wer den Film vielleicht vor Jah­ren im IMAX-Kino gesehen hat oder sich einfach jetzt ein historisches Dokument über die „Columbia“ an­schaffen will, wird hier zweifellos gut bedient. Man sollte sich aber keinen technisch herausragenden Film er­war­ten, denn dafür ist das Material zu alt. Wer nach aktuellen Aufnahmen aus der Erdumlaufbahn sucht, sollte sich lieber für andere Filme aus der glei­chen Reihe interessieren.

(Martin Schönhacker)