Ist Ihnen das auch schon einmal passiert? Sie suchen in einem Webshop nach einem bestimmten Produkt, können es aber nicht finden, obwohl Sie sicher sind, dass es dort angeboten wird? Oder Sie wollen sich über ein Serviceangebot Ihres Mobilfunkbetreibers erkundigen, wissen aber nicht, unter welchem der vielen Kunstwörter sie danach suchen sollen (finden sie es unter „Infomizer“, „Pocket Plus“ oder unter „BusinessClass Lounge“)?
Wenn ja, dann sind Sie auf ein so genanntes Usability-Problem gestoßen. Unter dem Begriff Usability werden Aspekte wie Benutzerführung, Effektivität, Effizienz und Benutzbarkeit zusammengefasst. Usability-Probleme treten auf Websites sehr häufig auf. Schuld daran sind u.A. wenig durchdachte Konzepte bei der Planung der Site, aufwändige graphische Designs, welche nicht die Benutzbarkeit durch den Internetuser in den Vordergrund stellen, oder falsches Wording, durch das die Benutzer bei der Suche nach einer Information in die Irre geführt werden. Usability-Probleme werden in den meisten Fällen erst von den Benutzern bemerkt, da die Designer der jeweiligen Website nach mehrmonatigem Entwicklungsprozess betriebsblind sind und sich nicht mehr in den Benutzer hineinversetzen können.
Um derartige Probleme zu beheben, bedienen sich immer mehr professionelle Websitebetreiber einer Usability Agentur. Solche Agenturen verfügen meist über interdisziplinäre Teams, mit deren Hilfe sie den Problemen auf der Website mit verschiedenen Techniken zu Leibe rücken.
Mit einer benutzerfreundlichen Website besitzen die Betreiber einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Denn anders als bei herkömmlicher Software, wo der Kunde bereits bezahlt hat, wenn er bemerkt, dass die Software sich nicht so verwenden lässt, wie er es eigentlich benötigen würde, muss der Webuser die Site zuerst benutzen können bevor er z.B. ein Buch bestellen kann (Manhartsberger & Musil, 2001).
Die Verbesserungen, die sich durch Usability erzielen lassen, können natürlich auch in Zahlen ausgedrückt werden. In der Studie „Usability Is Good Business“ (Donahue, Weinschenk, Nowicki,1999) wurde ein ROI von 1:60 ermittelt: auf einen Dollar Investition in Usability-Maßnahmen kamen 60 Dollar zusätzliche Unternehmenseinnahmen. Und je mehr Besucher eine Website aufweist, desto stärker wirkt sich die verbesserte Usability aus (Nielsen, 2003).
Als ein Gradmesser für die Usability eines Webshops kann die sog. conversion rate dienen (Nielsen, 2003). Darunter wird das Verhältnis von Besuchern zu Käufern verstanden. Gibt es auf einer Website beispielsweise eine hohe Anzahl an Besuchern, aber wenige Kaufabschlüsse, so kann u.A. ein Usability-Problem daran schuld sein: Die potenziellen Kunden finden die gesuchten Waren auf der Site einfach nicht. Oder der Bestellvorgang erscheint ihnen als zu komplex und sie bestellen die Ware auf einer Konkurrenzsite, die leichter zu bedienen ist.
Aber nicht nur auf Shopping-Sites ist Usability ein wesentlicher Faktor: Auch Websites aus dem Tourismus-Bereich müssen sich um gute Usability bemühen, damit der Kunde überhaupt erst zum Angebot finden kann. Außerdem korreliert Usability stark mit dem Konzept des Vertrauens (Manhartsberger & Musil, 2001): Gut bedienbare und intuitive Sites lassen den dahinter stehenden Websitebetreiber auch als seriöser erscheinen - ein nicht zu vernachlässigender Faktor, gerade wenn Geld im Spiel ist. Besonders Firmen, die nur im Internet auftreten, wie etwa Banken, die für ihre Kunden nur per Netbanking zu erreichen sind oder Versandhandelsfirmen wie Amazon oder Ebay, legen großen Wert darauf, dass ihre Website von den Kunden als vertrauenswürdig erlebt wird.
Ein weiteres Phänomen, welches aus der Psychologie bekannt
ist, wird auch immer wieder im Zusammenhang mit Usability genannt: das sog. Flow-Erlebnis
(Wenzel, 2001). Gemeint ist das uns allen bekannte Gefühl während einer uns
angenehmen Tätigkeit den Sinn für die Welt um uns herum zu verlieren: wir
finden, oft durch Zufall, eine Website, auf der wir mehr Zeit verbringen als
eigentlich geplant war und bestellen auch oft noch etwas ohne dies vorher vorgehabt
zu haben (Gelegenheitskäufe).
Websites die diesem Gefühl zumindest nicht im Wege stehen sind gut bedienbar
und vermitteln dem Benutzer immer wieder kleine Erfolgserlebnisse – kurz
gesagt, sie sind useable. Die Anforderungen, die eine Website an den
Internetuser stellt dürfen, um das Flow-Erlebnis zu ermöglichen, weder zu hoch
noch zu niedrig sein. Anderenfalls fühlt sich der Benutzer unterfordert bzw.
durch die zu hohen Anforderungen frustriert.
Aber woher kommt der Begriff Usability und dessen wissenschaftlicher Background eigentlich? Die Human-Computer-Interaction, eine multidisziplinäre Forschungsrichtung, die sich mit allen Aspekten der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Computer beschäftigt, besteht schon seit vielen Jahren in den USA. Man beschäftigte sich mit Automaten, Dingen des täglichen Gebrauchs wie etwa Videorekordern (siehe dazu etwa Don Normans „The Design of Everyday Things“, 1988) bis hin zu den Steuerungselementen von Atomkraftwerken und Flugzeugen.
Mit dem Boom des Internets Ende der 90er Jahre begannen sich Informatiker, Psychologen, Soziologen und Sprachwissenschafter stärker für die ergonomischen Aspekte von Websites zu interessieren. Vorreiter der so neu entstandenen Richtung Web Usability waren Jakob Nielsen (der Autor von „Designing Web Usability“, 2000), Jared Spool (Website Usability, 1998) oder Steve Krug (Don’t Make Me Think, 2000). Websites stellten ein völlig neues Anwendungsgebiet der bereits gefundenen Erkenntnisse aus der Human Computer Interaction-Forschung dar. Außerdem erlebte der gesamte Usability-Bereich in dieser Zeit einen großen Boom, ausgelöst durch das Internet.
Der Bedarf an Usability-Knowhow stieg dadurch enorm an, denn die neu entstandenen Websites strotzten nur so von ergonomischen Fauxpas: Websites können einerseits von praktisch jedem etwas begabteren Computerbenutzer erstellt werden. Andererseits müssen sie aber für viele Websurfer benutzbar sein, und diese verfügen oft über kein so großes technisches Wissen wie die Entwickler der Site. Infolge dieser Entwicklung entstanden und entstehen oft Websites, die zwar den Webdesignern als logisch aufgebaut und einfach bedienbar erschienen, für die Benutzer aber alles andere als leicht bedienbar sind.
Viele Webdesigner kommen eigentlich aus anderen Berufssparten (wie etwa dem Print-Bereich) kommen und wenden ihr von dort stammendes Wissen nun auf Websites an. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass es sich beim Internet um ein interaktives Medium handelt, ganz im Gegensatz zu Printmedien, welche ja nur eine rein passive Nutzung erlauben.
Welche Fehler werden am häufigsten bei der Gestaltung von
Websites begangen?
Als „Klassiker“ in dieser Hinsicht darf wohl das berühmte Flash-Intro
bezeichnet werden: Besucher (und potenziellen Kunden) einer Website werden auf
einer der eigentlichen Startseite vorgeschalteten Seite mit einer für sie meist
nutzlosen Animation begrüßt. Dabei legen viele Sitebetreiber ihr Hauptaugenmerk
auf solche Animationen und sind auch bereit, dafür tief in die Brieftasche zu
greifen. Besonders unbeliebt sind bei Usern solche Intros, die kein
Überspringen erlauben („skip intro“).
Ein weiteres häufig auftretendes Ärgernis sind Pop-Up-Werbungen. Im Usability-Labor kann beobachtet werden, dass kaum ein Benutzer den Inhalt dieser Fenster überhaupt registriert – fast schon automatisch werden sie sofort geschlossen. Nachdem dieses Verhalten offenbar auch den Werbefirmen aufgefallen war, begannen sie damit, die Werbung so in die Seiten zu integrieren, dass ein „Ausschalten“ nicht mehr so leicht möglich war. Dadurch steigt allerdings die Neigung zur Reaktanz, einer Trotzreaktion, bei den Internetusern stark an. Versucht eine Firma zwanghaft ihre Produkte durch solche Werbeformen bekannt zu machen, so kaufen die Benutzer diese Produkte erst recht nicht.
Wenn der Websurfer endlich auf der Homepage angelangt ist, so muss er sich oft mit einer kaum bedienbaren Navigation abplagen, die ihn bei seinem eigentlichen Ziel, nämlich ein Produkt zu bestellen oder eine Information zu finden, nicht unterstützt. Idealerweise entspricht der Aufbau der Website (gemeint ist damit die Informationsarchitektur, also welcher Inhalt unter welchen Oberbegriffen zu finden ist) dem sog. mentalen Modell des Benutzers. Usability Engineers kennen diverse Methoden, um solche Strukturen zu entwerfen (dazu zählen etwa das Cardsorting in diversen Ausprägungen, Focus Groups, qualitative Interviews u.Ä.).
Bei fast jeder Website werden Metaphern eingesetzt, um den Benutzern die Bedienung interaktiver Elemente zu erleichtern. Das Beispiel schlechthin ist der Einkaufswagen, wie er in Webshops zur Anwendung kommt. Oft aber werden auch Metaphern eingesetzt, die für eine Verwendung im Web nicht geeignet sind: so eignet sich z.B. das Bild des Firmengebäudes nicht dazu, um durch Anklicken in die verschiedenen Abteilungen der Firma zu gelangen.
Neben solchen auffälligen Fehlern liegen die Probleme der meisten Sites allerdings im Detail. Je mehr Interaktivität eine Site aufweist desto stärker muss auch auf eine korrekte Benutzerführung geachtet werden. Bedienungselemente wie Buttons oder Eingabefelder müssen gut als solche erkennbar sein und korrekt verwendet werden. So dürfen Radiobuttons z.B. wirklich nur die Auswahl eines Elementes erlauben (und nicht, wie schon öfter gesehen, Mehrfachauswahlen ermöglichen).
Die Übertragungszeit (also diejenige Zeit, die vergeht, bis eine Website vollständig im Browser des Benutzers angezeigt wird) war lange Zeit eines der wichtigsten Kriterien im Bereich Webusability. Durch die steigende Anzahl von Kabel- und ADSL-Zugängen hat sich diese Zeit zwar stark verringert, es sollte aber immer noch darauf geachtet werden, dass die Website in maximal 10 Sekunden vollständig übertragen werden kann (Nielsen, 2000). Abhängig ist diese Zeit natürlich von vielen Faktoren, wie z.B. der Anbindungsgeschwindigkeit der Zielgruppe oder der Komplexität der Seite.
Auch das Wording kann die Benutzerfreundlichkeit einer Website beeinflussen. Unter „Wording“ wird die Auswahl der Begriffe, die auf der Website verwendet werden, verstanden, sei es für Interaktionselemente, für die Navigation oder auch für den Fließtext. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Benutzer wissen, was ein Plugin oder ein Account ist. Auch Unternehmensslang hat auf einer Website nichts verloren.
Begriffe wie „Service“, „Info“ oder „Tools“ sind, wenn sie auf Websites vorkommen, zu allgemein und lassen in den meisten Fällen keine Schlüsse darauf zu, was sich dahinter verbergen könnte.
Auch ganz einfache wahrnehmungspsychologische Aspekte werden bei der Gestaltung von Websites oft übersehen: Serifenlose Schrift (z.B. Arial) ist am Bildschirm beispielsweise besser lesbar als Serifschrift (wie z.B. Times New Roman). Werden Komplementärfarben als Schrift- und Hintergrundfarbe verwendet (wie z.B. die Kombination Rot-Grün) so lässt dies den Text vor den Augen des Betrachters unangenehm flimmern.
Was kann ein Websitebetreiber tun, wenn er feststellt, dass seine Site Benutzer eher abschreckt als anlockt? Usability Agenturen können auch zu Rate gezogen werden, wenn Websites bereits online gegangen sind. Mit Hilfe diverser Methoden werden Probleme aufgedeckt und Lösungen erarbeitet. Diese können dann beim nächsten Redesign berücksichtigt werden, oder, falls es sich um ein schwerwiegendes Problem handelt, sofort umgesetzt werden. Die Techniken, derer sich die Usability Profis dabei bedienen, können, je nach vorgegebenem Budget und Zeitrahmen, unterschiedlich ausfallen. Meist ist ein Usabilitytest die Methode der Wahl: mehrere Testpersonen aus der Zielgruppe (meist zwischen 5-10 Benutzer) werden in einem Usabilitylabor mit der Website konfrontiert. Die Testpersonen erhalten Aufgaben, die sie auf der Website lösen sollen. In einer interviewähnlichen Situation werden dann die Probleme die bei der Benutzung der Website auftreten erhoben.
In bestimmten Fällen kann auch ein Eyetracking zusätzlich zum Usabilitytest sinnvoll sein. Bei dieser Methode werden mittels spezieller Hardware die Blickbewegungen des Benutzers am Bildschirm aufgezeichnet. Dieses Verfahren kann beispielsweise Aufschluss darüber geben ob ein Benutzer einen wichtigen Link überhaupt gesehen hat und wo für die Benutzer die sog. „areas of interest“, also die Bereiche der Website, die für sie besonders interessant sind, liegen.
Der Usabilitytest gibt Aufschluss über Optimierungsmöglichkeiten wie z.B. verständlichere Begriffe, einfachere Abläufe, Layoutkorrekturen oder Strukturverbesserungen.
Usability wird am Web immer wichtiger werden. Aus den
genannten Gründen wird deutlich, dass Usability immer mehr zu einem „Muss“
statt zu einem „Kann“ wird. Viele Sitebetreiber erkennen, dass Websites keine
Reklametafeln sind, die möglichst bunt zu blinken haben, um aufzufallen. Besonders
stark ist dieser Trend im Bereich des E-Business und dort, wo Kunden für
Inhalte zahlen müssen.
Vergangenen Herbst begann der größte Internetprovider der Welt, AOL,
Popup-Werbung von seiner Site zu verbannen (Krane, 2003). Trotz drohender
Verluste (kolportiert wurden 30 Mio. Dollar) zog AOL es vor, seine Kunden nicht
zu verärgern. Es dürfte nicht lange dauern bis andere Firmen nachziehen.
Donahue, G.M., Weinschenk, S., Nowicki, J. (1999). Usability Is Good Business. Verfügbar unter http://www.yucentrik.ca/usability.pdf [24.4.2003].
Krane, J. (2003). AOL To Let Users Block Pop-Up Ads. Verfügbar unter http://www.informationweek.com/story/IWK20030312S0004 [24.4.2003].
Krug, S. (2000). Don’t Make Me Think! A Common Sense Approach to Web Usability. Indianapolis: circle.com Library.
Manhartsberger M., Musil S. (2001). Web Usability. Das Prinzip des Vertrauens. Bonn: Galileo Press.
Nielsen, J. (2000). Designing Web Usability. Indianapolis: New Riders Publishing.
Nielsen, J. (2003). Return on Investment for Usability. Verfügbar unter http://www.useit.com/alertbox/20030107.html [24.4.2003].
Norman, D.A. (1988). The Psychology of Everyday Things. New York: Basic Books.
Spool, J.M., Scanlon, T., Schroeder, W. (1998). Website Usability. Morgan Kaufmann Publishers.
Wenzel, O. (2001). Webdesign, Informationssuche und Flow. Köln: Josef Eul Verlag.