Der LATEX-Begleiter

Michel Goossens, Frank Mittelbach, Alexander Samarin; Pearson Studium; ISBN 3‑8273‑7044‑2; 554 Seiten; Euro 41,45


Donald E. Knuth begann im Mai 1977 mit der Entwicklung eines Text­satzsystems, das nur wenig später als TEX (sprich: „Tech“; das „X“ ist ein griechisches „Chi“) be­kannt wurde. Weil das Origi­nal zwar sehr leis­tungsfähig aber (TEX-Puristen mö­gen verzeihen!) et­was kompliziert zu be­dienen war, ent­warf Leslie Lamport Anfang der 1980er Jahre auf der Ba­sis von TEX ein deut­lich er­wei­tertes System, das er LATEX nannte. Damit kann man sich als An­wender/in auf die Struktur eines Do­kuments kon­zen­trieren, statt auf die De­tails der Formatierung eingehen zu müssen.

Lamport wollte übrigens ei­gentlich ein Buch zu einem ganz an­deren The­ma verfassen und dabei TEX mit sei­nen Erweiterungen ver­wen­den, aber letzten Endes schrieb er stattdessen das wirklich außerordentlich erfolg­reiches Buch „LATEX: A Document Preparation System“ und wurde mit seinem Programmpaket und diesem Buch weltweit bekannt.

Damit wä­ren wir auch schon bei den Voraus­setzungen: Das vorliegende Werk ist keinesfalls eine Einführung in TEX oder LATEX. Im Gegenteil kon­zentrieren sich die Autoren gerade auf jene Themen, die in den gängigen Ein­führungswerken nicht behandelt werden (können). Man sollte also zu­mindest eine Einführung, etwa jene von Helmut Kopka, gelesen und eini­ge Praxis mit LATEX erworben haben, bevor man sich an den fort­ge­schrit­te­nen „LATEX-Begleiter“ macht.

Die Autoren decken Fragen ab, die sich erst bei Fortgeschrittenen über­haupt stellen. Vermutlich brauchen die meisten Anwender viele der ange­botenen Verfahren überhaupt nie, aber andererseits gibt es zum Beispiel beim Satz kompletter Bücher ganz spezielle Aufgabenstellungen, für die man sonst in der Literatur wenig oder gar keine Unterstützung findet.

Von generischem und visuellem Markup und der Beeinflussung des globalen Layouts durch Seitenstile geht es weiter zu Tabellen, Arrays und gleitend angeordneten Objekten. Das Hinzufügen neuer Schriftarten wird ebenso beschrieben wie das Pa­ket amstex, mit dessen Hilfe auch äußerst komplexer mathematischer Formelsatz kein Problem mehr ist. Weiter geht es mit dem Einsatz von LATEX in mehrsprachigen bzw. nicht englischsprachigen Umgebungen. In diesem Bereich geht die deutsche Ver­sion des Buches auch über das englische Original hinaus, denn für die deutsche Sprache gibt es spezielle Zusätze in LATEX.

Auch der Erstellung von ausgabe­un­abhängigen Graphiken mit LATEX-Zu­satzpaketen ist ein eigenes Kapitel ge­widmet, gefolgt von einer Abhand­lung über den Einsatz von PostScript-Fonts. Unerlässlich für größere Pro­jek­te sind die vielen wertvollen Hin­weise auf die Schwierigkeiten, die es beim Erstellen von Indizes geben kann, und entsprechende Lösungen. Den Abschluss bilden Kapitel über das Zusatzprogramm BIBTEX zur Ver­waltung von Literaturdatenbanken sowie das Paket doc, mit dessen Hil­fe LATEX-Dateien dokumentiert wer­den können.

Zwei ausführliche Anhänge bieten ei­ne Fülle von Zusatzinformationen und insbesondere auch Hinweise auf die Adressen im Internet, wo diverse Zusatzpakete erhältlich sind. Das Li­te­raturverzeichnis ist mit 117 Eintra­gungen erfreulich detailliert und der Text nimmt auch sehr häufig darauf Bezug, was es im Kontext erst wirk­lich wertvoll macht.

Alles in allem ist „Der LATEX-Be­glei­ter“ ein zwar sehr „TEXnisches“, aber abwechslungsreich geschriebenes und äußerst informatives Buch. Trotz sei­nes Umfangs sind die enthaltenen In­formationen sehr kompakt und präzi­se. Mit anderen Worten: Das Buch ist randvoll mit wertvollen Tipps und Tricks. Es wird sogar über die Pro­duktion des Buches selbst mit LATEX berichtet; ei­ne Übung, die von den zweifellos auf diesem Gebiet ausge­zeichnet infor­mier­ten Autoren als das vermutlich komplexeste LATEX-Pro­jekt aller Zei­ten bezeichnet wird.

Fazit: Für fortgeschrittene LATEX-An­wen­der führt an diesem Buch auf Dauer vermutlich kein Weg vorbei, wenn sie sich nicht das nötige Spezi­al­wissen über seltener gebrauchte Pa­kete und Funktionen selbst erarbeiten wollen. Aber auch wenn es keinen ak­tuellen Anlass gibt, ist es ein Werk, das man durchaus einfach aus Inter­es­se lesen kann, um die eigenen Kennt­nisse von LATEX zu erweitern.

(Martin Schönhacker)