Programming Microsoft .NET

Jeff Prosise; Microsoft Press; ISBN 0‑7356‑1376‑1; 773 Seiten + CD‑ROM (ca. 220 MB); ca. Euro 57,90


Zunächst sei gleich einmal deutlich vor diesem Buch gewarnt, denn es kann Ihre Gesundheit ernsthaft ge­fährden. Mit beachtlichen 1,75kg ist es nicht nur ein eindrucksvoller Wäl­zer, sondern disqualifiziert sich auch als Bettlektüre. Wer darunter ein­schläft und das Buch fallen lässt, ris­kiert ei­nen Nasenbeinbruch. Anderer­seits hat es sicher einen positiven Ein­fluss auf den Bizeps, dieses Werk mehrmals pro Tag aus dem Bücher­regal zu heben…

Aber nicht nur in diesem Sinn handelt es sich um schwere Lektüre. Weil der Umfang des Microsoft .NET Frame­work so groß ist, deckt auch das Buch eine ungewöhnlich große Anzahl teils durch­aus komplexer Themenbereiche ab. Man darf sich keinesfalls erwar­ten, es ohne Vorkenntnisse verstehen zu können. Erfahrung in objektori­en­tierter Pro­grammierung (idealer­weise in C#, C++ oder Java) wird ebenso vorausgesetzt wie Grundkenntnisse über Windows-Programmierung, den Einsatz von HTML, den Betrieb eines Web­servers, Datenbanken und mehr.

Das mag nun je nach individuellem Wissensstand etwas demotivierend klingen, aber so schlimm ist es auch wieder nicht. Der Autor versteht es nämlich, im netten Plauderton und mit gut ausgewählten Beispielen auch schwierige Zusammenhänge durch­aus verständlich darzustellen. Die Bei­spiele sind so kompakt wie möglich, aber auch so umfangreich wie nötig, um weder Langeweile noch Verwir­rung aufkommen zu lassen.

Der erste von drei großen Abschnitten besteht aus den Kapiteln 1-4 und be­schäftigt sich mit einer klassischen „Hello, World“-Anwendung unter .NET, grundlegenden Datentypen und dem Arbeiten mit Exceptions, ei­nem Überblick über die Klassen­bibliothek des .NET Framework, so­wie der Ent­wicklung von Program­men mit gra­fi­scher Benutzerober­flä­che für Micro­soft Windows (Windows Forms).

Das Microsoft .NET Framework um­fasst mehr als 7.000 (!!!) Klassen, Datenstrukturen, Interfaces, Auf­zäh­lungstypen und Delegates (das sind Wrapper-Klassen für Callback-Funk­ti­onen, durch die eine starke Typ­prüfung er­möglicht wird). Daher kön­nen viele Dinge nur im Überblick er­wähnt werden, und noch mehr fal­len einfach durch den Rost. Aber es geht ja auch nicht darum, jede einzel­ne Komponente des .NET Frame­work genau vorzustellen. Für einen ersten Eindruck von der Mächtigkeit dieser riesigen Bibliothek rei­chen die Bei­spiele allemal.

In den Kapiteln 5-11 folgt eine Ein­füh­rung in ASP.NET. Zunächst wer­den Web-Formulare, Web Controls, User Controls und Custom Controls erläutert und an­hand praktischer Bei­spiele demonstriert. Um hier prak­tisch mitar­beiten und ausprobieren zu können, empfiehlt sich nach Mög­lichkeit die In­stallation des In­ternet Information Servers IIS. Weiter geht es mit Web-Applikationen, Sicher­heitsaspekten von ASP.NET und so­wohl Imple­mentie­rung als auch Ver­wendung von XML Web Services.

Der dritte Abschnitt schließlich be­handelt noch einige Spezialthemen: die Datenbankanbindung mittels ADO.NET, das allgemeine Datenfor­mat XML und seine Verwendung mit den Hilfsmitteln des .NET Frame­work, parallele Prozesse und ihre Syn­chronisation (Multithreading), so­wie die Vertei­lung einer Anwendung auf mehrere Computer (Remoting).

Auf der beigepackten CD-ROM ist neben dem Microsoft .NET SDK und allen Beispieldateien erfreulicher­wei­se auch das kom­plette Buch selbst als eBook in Form einer Windows-Hilfe­datei mit ca. 5,4 MB ent­halten. Da­durch ist der In­halt nicht nur leicht zu durchsuchen, sondern z.B. auch in der Entwick­lungsumge­bung von Micro­soft Visual Studio im­mer direkt ver­fügbar.

Wer sich durch die englische Sprache nicht ab­schrecken lässt, dem sei das hier be­sprochene Original ans Herz gelegt. Aber es gibt auch eine deut­sche Über­setzung unter dem Titel „Microsoft .NET Entwicklerbuch“ und mit einem kleinen Vorteil: Auf der CD-ROM befindet sich nicht nur die deutsche, sondern auch die engli­sche Version des eBooks.

Im Textsatz haben sich an manchen Stellen unfreiwillige Knobelaufgaben in Form fehlender Leerzeichen einge­schlichen (siehe Textausschnitt), aber das kann ja auch ganz lustig sein. Ab­gesehen davon ist dieses Werk für ei­nen ersten groben Einblick in das .NET Framework je­denfalls sehr zu empfehlen.

(Martin Schönhacker)