Langzeitarchivierung

Borghoff, Rödig, Scheffczyk, Schmitz; dpunkt.verlag; ISBN 3-89864-245-3; ca. 300 Seiten; Euro 46,30


Besitzen Sie Daten in digitaler Form? Sind Ihnen diese Daten wichtig? Wollen Sie digitale bzw. digitalisierte Schriftstücke, Fotos oder Videos auch noch in einigen Jahren abrufen, be­trachten und eventuell sogar bearbei­ten können? Ist für Sie die Vorstel­lung katastrophal, diese Daten ganz oder auch nur teilweise zu verlieren? — Wenn Sie eine oder mehrere dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, sollten Sie das vorliegende Buch vielleicht nicht lesen, denn es könnte Ihnen nachhaltig den Schlaf rauben.

Die Autoren beschäftigen sich mit dem leider allzu oft vergessenen oder leichtfertig ignorierten Thema der Archivierung digitaler Daten über lange Zeiträume. Und gleich zu An­fang legen sie dar, dass ein „langer“ Zeitraum durchaus nicht das errei­chen muss, was man gemeinhin als historische Dimension betrachten würde. Im Gegenteil: Während es historische Dokumente auf Pergament gibt, die zum Teil bereits mehr als tausend Jahre überstanden haben, ging es mit wachsender Technisie­rung stetig bergab. Normales Papier hält dem Zerfall mit etwas Glück noch ein paar hundert Jahre stand.

Manche elektronische Dokumente von historischem Wert sind aber be­reits heute für immer verloren gegan­gen und haben damit nicht einmal ein halbes Jahrhundert überlebt. Im Buch werden hier etwa Satellitenaufnah­men der NASA aus den 1970er Jah­ren genannt, die heute wertvolle In­formationen über die Entwicklung des Regenwalds geben könnten. Es trifft also keineswegs nur Kleinan­wender, sondern auch und gerade so große Organisationen wie die NASA unterschätzen die Gefahr durch den Datenverlust.

Anhand zahlreicher praktischer Bei­spiele wird dargelegt, dass man die­sen Gefahren keineswegs nur mit konventionellen Sicherheitskopien begegnen kann. In der raschen Ent­wicklung der Hard- und Software liegt auch das Risiko, dass Daten nach relativ kurzer Zeit zwar viel­leicht noch vorhanden, aber wegen veralteter Dateiformate unbrauchbar sein können. Auch Datenträger, für die keine Lesegeräte mehr existieren, sind mit einem Schlag wertlos. Und selbst wenn man weiß, wie ein ent­sprechendes Laufwerk aussehen müsste, wird es möglicherweise gar nicht mehr hergestellt.

Glücklicherweise bieten die Autoren nicht nur derart deprimierende Aus­sichten, sondern beschreiben auch ganz konkrete Lösungsansätze. Von Migration und Emulation bis zu Stan­dards zur Dokumentenbeschreibung (z.B. TIFF, PDF, HTML, XML) reicht das Spektrum der theoretischen Darstellung, bevor im zweiten großen Teil des Buches einige wichtige praktische Projekte vorgestellt wer­den.

Als Zielgruppe für das spannende Buch werden am Rückentext vor al­lem Bibliothekare, Archivare, Doku­mentare und Informatiker genannt. Es handelt sich aber um eine gut ver­ständliche Einführung in dieses kom­plexe Thema, die für Verantwor­tungsträger/innen in Politik, Wirt­schaft und Wissenschaft nur emp­fohlen werden kann.

Wo man digitale Daten verwaltet, droht immer das Ri­siko, dass ein Stück moderner Ge­schichte unwie­derbringlich verloren geht. Das vor­liegende Werk sorgt nicht nur für das vielerorts längst überfällige Problem­bewusstsein, son­dern weckt zugleich die Hoffnung, dass die vorgestellten Lösungsansätze zur Rettung wertvol­ler Datenbestände im öffentlichen, aber durchaus auch im privaten Be­reich beitragen können.

(Martin Schönhacker)