National Geographic: Der große 3D-Globus mit Mondkarte

National Geographic / United Soft Media; ISBN 3-8032-1638-9; 2 CD-ROMs (ca. 1,16 GB); Euro 42,70


Weltkarten haben immer Saison, und es gibt sie mittlerweile in durchaus sehr unterschiedlichen Ausprägungen und auch Qualitäten. Wenn National Geographic sich daran macht, auch ein derartiges Produkt zu veröffentli­chen, darf man auf Qualität hoffen, die dem großen Namen entspricht. Es sei gleich vorweg gesagt, dass diese Er­wartung  leider nicht erfüllt wird.

Für die Installation gibt es drei Vari­anten mit jeweils 200MB, 670MB bzw. 955MB Platzbedarf, wobei die dritte eindeutig vor­zuziehen ist, wenn es sich auf der Festplatte irgendwie ausgeht. Nur dann bleibt es einem nämlich in Hinkunft erspart, bei je­dem Programmstart eine CD einzule­gen. Allerdings ist positiv anzumer­ken, dass man zumindest nicht zum „Disc-Jockey“ gemacht wird: Bei der ersten Variante muss immer CD2, bei der zweiten CD1 im Laufwerk liegen. Man hat die Daten also sinnvoll auf die beiden Scheiben verteilt.

Nach dem Start präsentiert sich das Programm mit einer Gesamtansicht der Erde aus Satellitenperspektive, aber zunächst nicht mit Satelliten­bildern. Der dreidimensionale Globus wird als normale Karte aufgebaut, wie man es auch aus dem Atlas gewohnt ist. Das hat theoretisch den Vorteil, dass ein Zoomen ohne Qualitätssorgen mög­lich ist, weil die Auflösung sich auto­matisch an­passen kann.

Diese Erwartung wird hier im Prinzip auch erfüllt, aber leider in der Soft­ware keineswegs optimal umgesetzt: Bei jeder auch noch so kleinen seit­lichen Bewegung der Karte und bei jedem Zoomschritt springt die An­zeige zunächst auf ei­ne unangenehm grobe Pixelkarte der Erdoberfläche, die erst bei still stehender Anzeige wieder schrittweise in der höchsten verfügbaren Auflösung aktualisiert wird. Das macht ein kontinuierliches Zoomen oder auch nur die Bewegung zu einem bestimmten Ort am Rand der aktuellen Kartendarstellung sehr problematisch, weil alle Details gera­de während der Bewegungsphase ver­schwinden und man daher leicht die Orientierung verliert.

Hinzu kommt, dass die Karte zwar bei gedrückter linker Maustaste ver­schoben werden kann, aber leider auf wenig intuitive Weise. Man kann einen Punkt nicht „angreifen“ und an eine andere Stelle schieben, sondern eine Bewegung der Maus z.B. nach links löst eine Drehung des Globus nach Osten aus. Dadurch verschiebt sich also der Kartenausschnitt nach rechts, und das auch noch mit einer von der Auslenkung der Maus abhän­gigen Geschwindigkeit. Vielleicht geht es noch schlechter, aber man müsste sich schon sehr anstrengen…

Apropos Auflösung: Laut Hersteller sind rund 400.000 Orte in der Daten­bank enthalten. Das mag auf den ers­ten Blick so klingen, als wäre jedes noch so kleine Nest verzeichnet, aber tatsächlich findet man zum Beispiel in der näheren Umgebung von Wien nur die Orte Klosterneuburg, Aspern, Schwechat, Himberg, Perchtoldsdorf, Brunn, Mödling und Pressbaum. Aber die höchster Zoomstufe entspricht auch „nur“ der Sicht aus einer Entfer­nung von 400 Kilometern über der Erdoberfläche, da sieht man eben nicht alles.

Die Basiskarte kann auf verschiedene Darstellungsvarianten umgeschaltet werden: Landkarte, Satellitenkarte, Politische Karte, Physische Karte, Bioklimatische Karte, oder eine Satel­litenkarte der Erde bei Nacht. Als zu­sätzliches „Gustostückerl“ ist eine Karte des Mondes enthalten, auf der man neben vielen Kratern auch die Landeplätze diverser Sonden und der bemannten Apollo-Missionen findet.

Über das Länderlexikon können aus­führliche Informationen zu den Län­dern der Erde abgerufen werden. Lei­der hat man sich zu einer relativ star­ken Aufsplitterung der Daten ent­schlossen, sodass es nicht ganz leicht ist, sich einen Überblick zu verschaf­fen.

Der Überblick scheint manchmal auch der Redaktion gefehlt zu haben: Fordert man eine Kartendarstellung von Äquatorialguinea an, so ist die Haupt­stadt Malabo auf dem gebote­nen Ausschnitt bei bestem Willen nicht zu entdecken. Dieser zeigt näm­lich nur den am afrikanischen Fest­land liegen­den Teil des Staates, aber die Haupt­stadt befindet sich dummer­weise auf der Insel Bioko vor der Küste des be­nachbarten Kamerun.

An dieser Insel sieht man auch, dass das Kartenmaterial nicht immer auf dem letzten Stand ist. Bioko trug die­se Bezeichnung nämlich bis zur „Un­ab­hängigkeit“ des Landes im Jahr 1968, als es dann nach seinem Dik­ta­tor in „Macías Nguema“ um­benannt wurde. Dieser Name ist auch im vor­liegenden Atlas vermerkt, ob­wohl die Insel bereits seit dem Sturz des Dik­tators im Jahr 1979 (!!!) wie­der ihren alten Namen trägt.

Außerdem fehlen oft genaue An­gaben zur zeitlichen Einordnung oder den Quellen der Einzeldaten. So fin­det sich zum Beispiel über die Ressour­cen von Äquatorialguinea die Aussa­ge „Bei der gegenwärtigen Förder­quote reichen die Erdöl- und Erdgas-Reserven schätzungsweise noch zehn Jahre“ — und damit kann man eigent­lich gar nichts anfangen, weil unklar ist, wann der Text ver­fasst wurde. Sollte diese Information so alt sein wie die Beschriftung von Bioko, sind die Reserven womöglich schon lange erschöpft.

Eine separate Statistikfunktion bie­tet nach Dutzenden unterschiedlichster Kriterien sortierte Listen an. Auch hier hat man es gut gemeint, aber lei­der durchaus interessante Details ver­gessen. Zum Beispiel ist nicht ersicht­lich, ob alle Zahlen jeweils in den gleichen Jahren erhoben wurden, wenn man nicht gerade bei jedem Land einzeln nachsehen will — so es dort vermerkt ist, was wie oben er­wähnt auch nicht immer zutrifft. Und außerdem hat man nicht daran ge­dacht, die Listen auch mit laufenden Nummern zu versehen, sodass man mühsam selbst abzählen muss, an welcher Stel­le ein Land liegt.

Eine nette Idee ist hingegen die aus­führliche separate Be­handlung einiger „Themen“: Bioklimatische Zonen, Umwelteinflüsse, Landschafts­entste­hung, Naturkatastrophen, Globales Klima und Erdgeschichte werden je­weils auf einigen Seiten mit hübschen Illustrationen präsentiert. Aber auch hier kräuseln sich einem manchmal die Nackenhaare, wenn etwa von „Inseln und Archipeln“ die Rede ist („Archipelen“ sollte das heißen!).

Der Gesamteindruck des Produktes bleibt zu gemischt, um wirklich für eine Empfehlung zu rei­chen. Die technische Realisierung hat leider zu viele Mängel, und redaktio­nell müsste man auch noch viel Ar­beit in die Details stecken, um das Produkt für ernsthafte Recherche brauchbar zu machen. Dazu kommen unnötige Flüchtigkeitsfehler wie etwa die fehlerhafte Codierung des Na­mens „Slobodan Miloševi&263;“ (ja, die Darstellung enthält wirklich Zif­fern!), die einfach nicht nötig gewe­sen wäre. Schade, dass man hier durch offen­kundige Nach­lässig­keit dem an sich guten Namen „National Geographic“ nicht wirklich einen Ge­fal­len getan hat.

(Martin Schönhacker)