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Montreal (Canada), Sheraton-Hotel
Montag, 27. Juni 2005 bis Samstag, 2. Juli 2005 |
Nach der Visite in „good old Europe“, als die ED-Media 2004 in Lugano in der Schweiz stattfand, ist die ED-Media heuer wieder auf den amerikanischen Kontinent zurückgekehrt: Die Olympiastadt Montreal, bewährter Partner für jegliche Art von Großereignissen, ist der heurige Gastgeber für die Teilnehmer an der ED-Media, was für Uneingeweihte ausgeschrieben „World Congress on Educational Multimedia, Hypermedia and Telecommunications“ bedeutet. Insgesamt versammeln sich heuer wieder über 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Herren Länder. Konkret sind wieder an die 70 Staaten hier in Kanada bei der ED-Media vertreten. Während die überwiegende Mehrheit der hier anwesenden Personen aus der universitären Lehre und der Forschung kommt, sind aber auch Vertreterinnen und Vertreter primärer und sekundärer Bildungseinrichtungen vertreten. Weiters sind aber auch Interessenten aus dem Bereich der behördlichen Bildungsaufsicht hier zu finden. Das heißt, die ED-Media stellt eine wohl jährlich einzigartige Chance dar, mit Gleichgesinnten aus der ganzen Welt unkompliziert in Kontakt zu treten.
Was die ED-Media für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu bieten hat, zeigen vielleicht folgende Zahlen:
Von den rund 1100 eingereichten Arbeiten wurden nur 462 (222 Full-Papers, 240 Brief-Papers) akzeptiert und zur Präsentation zugelassen. 140 Reviewer aus der ganzen Welt sind in den Prozess der Auswahl der einzelnen Präsentationen involviert und zeichnen mit für die Qualität des Kongresses verantwortlich (Quelle: „Proceedings Preface“, zu finden im Internet unter http://www.aace.org/conf/edmedia/Preface05.pdf). Diese Daten zeigen einerseits das große internationale Interesse potentieller Präsentatorinnen und Präsentatoren im Rahmen dieses Kongresses Beiträge präsentieren zu können, andererseits aber auch, wie hoch die Qualität anzusetzen ist, werden doch deutlich mehr als 50% der eingereichten Arbeiten abgelehnt.
Die ersten beiden Tage sind vorrangig für die im Vorprogramm des Kongress angebotenen Tutorials und Workshops reserviert. Schon hier wird dem Kongresspublikum die Auswahl nicht ganz leicht gemacht, ist das Angebot doch auch heuer wieder interessant und durchwegs anspruchsvoll. Der überwiegende Teil der Tutorials beschäftigt sich mit dem Thema Online-Learning. Elf der insgesamt 16 angebotenen Tutorials befassen sich direkt und nahezu ausschließlich mit diesem Thema (schenkt man jedenfalls dem jeweiligen Titel Glauben).
Am Dienstag am Abend, im Rahmen der Welcome-Reception wird erstmals so richtig spürbar, was es heißt, Teilnehmer an der ED-Media zu sein: Schon hier werden ohne jegliche Vorbehalte und Vorurteile erste Kontakte geknüpft und alte Bekannte, die man bei früheren Kongressen kennen gelernt hat, wieder getroffen. So werden Netzwerke aufgebaut und gepflegt, die die Grenzen der eigenen Heimat, ja des eigenen Kontinents sprengen und eine Basis für internationale Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch ermöglichen.
Die erste Keynote am Mittwoch, 29. Juni 2005 markiert den eigentlichen Kongressbeginn:
Jeremy R. Cooperstock von der McGill University (Montreal, Canada) referiert packend und mit der nötigen Portion Humor zum Thema “Engaging Technolog(ies) for effective Interaction”[1]. Er zeigt in seinem Referat im Wesentlichen Möglichkeiten und Grenzen des Videoconferencings auf Basis aktueller Entwicklungen (Hard- und Softwaretechnologien, Bandbreiten, ...) auf. Recht eindrucksvoll sind vor allem jene audiovisuellen Clips, die zeigen, wie - exemplarisch - im Bereich der Musik mit Videoconferencing gearbeitet wurde und wird: Zwei Violinisten, die über große Distanz im Duett spielen, eine Handvoll Jazzmusiker, die via Internet zum Ensemble zusammenwachsen oder auch ein Lehrer, der via Web mit seiner Schülerin musiziert und ihr Tipps erteilt, wie sie ihr Spiel verbessern kann.
Was hier noch eher spielerisch anmutet, wird in einem recht lebensnahen Beispiel dem wahren Leben ein wesentliches Stück näher gerückt: Ein Patient, stumm, sich nur mit Zeichensprache verständlich machend, sieht sich mit seinem Physiotherapeuten konfrontiert. Via Webcam wird dieses Szenario einer Dolmetscherin für Gestensprache übertragen, die umgekehrt ebenfalls nicht nur einem Monitor, sondern auch einer Kamera gegenübersitzt. Durch geschickte Anordnung von Kameras und Monitoren ermöglicht das hier beschriebene System eine praktisch lückenlose Kommunikation zwischen taubem Patient und Therapeut, die die Barriere zwischen gesprochenem Wort und Gebärdensprache mit Hilfe des Webs überwunden hat.
In einem weiteren Anwendungsbeispiel wird die Übertragung herkömmlicher Videoconferencing-Daten (Audio und Video) wesentlich erweitert: Menschliche Interaktion ist zwar im Wesentlichen von Sprache getragen, wird aber erst durch darüber hinausgehende Elemente zu umfassender, vielschichtiger und auf mehreren Ebenen der Wahrnehmung basierenden Kommunikation, wenn auch nonverbale Anteile der Interaktion einen Anteil bekommen. Denkt man beispielsweise gerade an Musik, wird wohl jedermann klar, dass alleine der Klang nicht alles ist: Töne nimmt man nicht ausschließlich über den Gehörsinn wahr: Auch der Tastsinn, das taktile Empfinden über die Rezeptoren der Haut haben wesentlichen Anteil am Musikgenuss. Um auch diese taktilen Anteile menschlicher Kommunikation übertragen zu können, stellt Cooperstock in seinem Referat ein „Vibrationsboard“ vor, auf dem in seinem Beispiel der Musiker, dessen Musik via Web live übertragen wird, steht. So kann nicht nur der Ton, sondern der „volle Sound“ inkl. seiner „taktilen Anteile“ übertragen werden. In einem anderen Anwendungsbeispiel, greifbarer auch für jene, die sich nicht als Musikfreaks bezeichnen möchten, überträgt Cooperstock mit vergleichbarer Technik (Bewegungssensoren) zusätzlich zu Ultraschallbildern die Bewegungen eines ungeborenen Kindes. So wird das noch ungeborene Leben nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar – nicht nur in der Praxis des Gynäkologen, sondern auch über beliebige Distanzen hinweg. So wird mit einem zwinkernden Auge gezeigt, welche Interaktionsmöglichkeiten gerade auch für den Bereich der Bildung, auch über große Distanzen hinweg (Distance Learning), möglich sind und sein werden.
Die Keynote des zweiten Tages, am Donnerstag, 30. Juni 2005 dem Auditorium zu Beginn des Tages serviert, ist viel interessanter, als es der Titel vermuten ließe: „From a Different Perspective“[2] lautet das Thema des exzellent präsentierten Vortrags von Diana Oblinger (Educause, USA), der eine Stunde wie im Flug vergehen lässt. Es wird hier nicht nur sehr pointiert und klar die Situation heutiger und zukünftiger Lernender/Studierender umrissen, sondern es werden dem Publikum auch essentielle bildungsspezifische Ausgangsfakten über die „digitale, verbundene Jugend“ präsentiert. – Beispiele gefällig?
Bis zu ihrem 21. Geburtstag hat die „Generation Net“ genannte „heutige Jugend“ …
- … etwa 10.000 Stunden mit dem Spielen von Video-Games zugebracht,
- … hat rund 200.000 eMails geschrieben und gelesen
- … und es auf rund 20.000 Stunden TV-Konsum gebracht.
Betrachtet man darüber hinaus weitere Faktoren, wie etwa die Fähigkeit (bzw. deren Einschätzung), mit dem Internet bzw. den verfügbaren Zugangsgeräten umgehen zu können, zeigt sich, dass Studierende (Lernende) heute ganz andere Bedürfnisse haben und in Folge dessen wesentlich veränderte Erwartungen an die Wissensvermittlung stellen: Wesentlich sind digital vorliegende Angebote (Angebot im weitesten Sinn), man ist nahezu permanent „in Kontakt“ (Mobiltelefon, Mailing), zeigt sich experimentierfreudig, Spontaneität ist eine Selbstverständlichkeit und soziale Kontakte (Cooperation in direkter Weise ebenso wie beispielsweise in Blogs, Online-Communities etc.) sind für den Bildungserwerb unerlässlich.
Auf diesen und einigen anderen Grundlagen aufbauend, gibt Diana Oblinger dann sehr klare, allgemein verständliche Hinweise darauf, wie Lehrende mit dieser „Generation Net“ genannten Jugend hinsichtlich der Wissensvermittlung umgehen können, um erfolgreiche Wegbegleiter auf den Pfaden des Bildungserwerbs sein zu können. So präsentiert sie unter anderem folgende recht plakative Statements:
- „Be engaging! Challenge us!“ – („Seid verbindlich! Fordert uns heraus!”) oder
- “Use technology appropriately: don´t be Power Pointless!” (“Nutzt die Technologie angemessen/sachgerecht – seid nicht mit Power gegenstandlos/zwecklos/witzlos!“
aber auch
- „Not everything needs to be on the web!” (“Es muss nicht alles im Netz vorhanden sein!” bzw. „… im Netz stattfinden!“)
Aus diesen (aus einer Studie heraus entwickelten) „Kernaussagen“ wird deutlich, dass selbst die „Generation Net“ sich dessen sehr klar bewusst ist, dass Bildungserwerb nicht ausschließlich via Distance Learning und eLearning erfolgen kann bzw. soll. Viel wichtiger ist die Nutzung und Verknüpfung der diversen zur Verfügung stehenden Lernwege und Medien (im weitesten Sinne).
In weiterer Folge führt Diana Oblinger das eine oder andere Beispiel an, das den Ansprüchen der Studierenden bzw. deren Bildung und Bildungsbedürfnissen gerecht wird. Konkret herausgegriffen seien hier nur zwei, drei Beispiele:
Die gerade momentan eine Modewelle darstellenden „Blogs“[3] werden gleich zu Beginn genannt, stellen sie doch eine sehr kommunikative, oft sehr spontane und emotional geprägte Form der Kooperation mit Hilfe des Internet dar. Blogger sind nicht nur kreativ hinsichtlich der Erstellung eigener Inhalte (Texte, Bilder etc.), sondern auch stets der kritischen (positiv wie negativ) Reaktion anderer User (Kolleginnen und Kollegen, Lehrende) ausgesetzt und daher stetig gefordert, sich mit den jeweiligen Inhalten der Diskussion und Betrachtung vielschichtig auseinanderzusetzen.
Weiters führt Diana Oblinger „Digital Storytelling“ als eine sehr gute Möglichkeit der kreativen und vielfältigen Auseinandersetzung mit Bildungsinhalten an: Diese Methode gibt den Studierenden die Möglichkeit, unterschiedliche Medien (Text, Bild, Animation, Ton) in der Auseinandersetzung mit dem Thema zu nutzen. Bei der Arbeit auf dieser Basis ist Reflexion ebenso wesentlich, wie Integration und Synthese. Digital Storytelling ist sowohl für individuelle Auseinandersetzung als auch kollektive Arbeit an bzw. mit einem Thema sehr gut geeignet.
Weiters werden beispielsweise „social bookmarking“ oder „virtual laboratory“ oder „colleborative projects“ als Beispiele zukunftsorientierter, das Internet produktiv einsetzende, Lehrmöglichkeiten angeführt. Die Zustimmung des Publikums wird nicht nur in lange anhaltendem Applaus deutlich, sondern auch dadurch, dass besonders viele Zuhörer im Anschluss an das Referat das persönliche Gespräch mit der Vortragenden suchen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass in der anschließenden Diskussion mit der Vortragenden der heutigen Keynote besonders viele Teilnehmer sitzen.
Die Keynote, die dem Auditorium am Freitag, dem 1. Juli präsentiert wird, ist wohl jene, die dem Auditorium die (inter)aktivste Session dieser Konferenz beschert: Prof. Hillel Weintraub (Future University, Japan) referiert unter dem Titel „Playing Live: Designing Interactive, Engaging, and Jazzy Learning Spaces, aided by Mobile Technology“. Im Wesentlichen geht es in dieser interaktiven, „multipersonalen“ Präsentation darum, wie es gelingen kann, Lernende so anzusprechen, dass diese mit anhaltendem Engagement und entsprechender Kreativität an Lernprozesse herangehen.
Hillel Weintraub spinnt sein Garn aus der Idee, dass Jazz (als Musikstil) und Lernen viele Gemeinsamkeiten haben: Um nur einen Gedankensplitter dieser durchaus interessanten Idee aufzugreifen: Beides – Jazz und Lernen – muss mit Freude gemacht werden, um zum Erfolg zu führen: Nur wer mit Freude musiziert, wird sein Publikum ansprechen und Erfolg haben, nur wer mit Freude lernt, wird seine Lernziele erreichen und Lernerfolg verbuchen.
„Multipersonal“ wird die Keynote spätestens dann, als der erste Kollege aus Weintraubs Team das Wort ergreift und ein von ihm entwickeltes Programm vorstellt: „mudpieRing5.8“
Dieses Softwareprodukt macht es sich zur Aufgabe, Interaktivität durch Nutzung von GSM-Telefonen zu forcieren. Benutzer von Mobiltelefonen können an eine Web-Plattform nicht nur Textnachrichten an eine „virtuelle Tafel“ senden und diese Nachricht so allen anderen Teilnehmern an einer Lehrveranstaltung, Diskussion etc. zugänglich machen, sondern auch Bilder senden und life präsentieren (mit Hilde der Kameras in nahezu allen aktuellen Mobiles/Handies). Grundlegende Idee für dieses Programm war die Überlegung, dass praktisch alle Studierenden heute über GSM-Telefone verfügen und im Umgang damit keine Probleme haben. Gerade der Versand von Kurznachrichten (SMS) gehört wohl sicher zum „Repertoire“ jeder bzw. jedes Studierenden.
Die jüngeren Entwicklungen am Sektor der Mobiltelefone aufgreifend, macht sich das Programm auch die in heute schon beinahe allen Mobiltelefonen eingebaute, (relativ) hochwertige Kamera zu Nutze: User können über reine Textnachrichten hinaus auch Bilder schicken und so einem breiten Auditorium „zur Verfügung“ stellen.
„Being Mobile = Capture direct experiences, Right at the moment and location!“ – Dieser Satz drückt die Intention dieses Programms wohl recht klar und deutlich aus: Mobil sein heißt, direkte, authentische Eindrücke zu gewinnen!
Ebenfalls die Möglichkeiten der Mobiltelefonie nutzt das zweite in dieser morgendlichen Session vorgestellte Programm „iTree“, das auf Java basierend auf einer Vielzahl heute aktueller Mobiltelefone lauffähig ist. Der Autor der gegenständlichen Software hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Engagement von Studierenden an Online-Diskussionen („collaborative online discussions“) zu fördern. Ausgehend von Vorstudien, in denen festgestellt wurde, dass konsequente (!) Teilnahme an Online-Diskussionen nur relativ schwierig zu erreichen und zu gewährleisten ist, wurde hier ein Weg gesucht, wie Studierende besser zur Teilnahme motiviert werden können. So wurde festgestellt, dass beispielsweise die oft zu lange Reaktionszeit auf Posts (Beiträge), die zu geringe Besuchsfrequenz der Boards etc. eine relativ geringe Performance in der Arbeit mit den durchaus sinnvollen und erfolgversprechenden Boards mit sich bringen.
„iTree“ macht es sich daher zur Aufgabe, den an den jeweiligen Diskussionen und Boards beteiligten Studierenden auf deren Handy (Display-Background) den „Interaktivitätsstatus“ des jeweiligen Boards zu visualisieren. iTree reagiert dazu auf vier Faktoren:
- Anzahl der Posts des Studierenden
- Häufigkeit, wie oft die einzelnen Post des Studierenden gelesen werden
- Anzahl der Antworten auf die Posts des Studierenden
- Anzahl der Gesamtanzahl der Posts mit Antworten
So entsteht auf dem Display des Studierenden ein stetig wachsender Baum, der Motivation zur konsequenten Mitarbeit im jeweiligen Board sein soll.
Multipersonal im wahrsten Sinne des Wortes wird die Keynote durch den nunmehr dritten Kollegen, der Gelegenheit bekommt, seine Ideen zu präsentieren: Im Vergleich zu den Vorrednern ist dies die wohl die unkonventionellste Präsentation, die nun auch das Publikum ganz konkret mit einbezieht. „The Cube“ ist der vorerst nahezu nichts sagende Titel dieses Beitrags. „The Cube“ versucht, die Augen des Publikums auf ganz andere „Medien“ zu lenken, die hier, auf einem Kongress, der sich praktisch ausschließlich mit ICT befasst, vollkommen im Schatten stehen. – Ein Papierwürfel als Lernmedium!? – Fragen, Antworten, Kommentare finden auf den einzelnen Flächen Platz. „Interaktion“ findet auch hier statt: Ein Würfel, der gedreht und gewendet, mit zusätzlichen Kommentaren ergänzt durch die Hände mehrerer Kursteilnehmerinnen und –teilnehmer weiter gereicht wird, wird so zu einem echten Lernmedium, das mehrere Sinne anspricht, Kreativität fordert und fördert, … - Nach einem kurzen Versuch mit Pfeifenputzern werden rasch gefaltete Papierflieger zu Lernmedien: Der rasch gefaltete Papierflieger wird mit einem Kommentar versehen und zu einem anderen Teilnehmer fliegen gelassen. Dieser hat nun die Möglichkeit, eine Antwort, eine Gegenfrage, einen Kommentar, … zu ergänzen und den Flieger weiter zu schicken … - Keine Frage, das ist Interaktivität und im Sinne Weintraubs: „Jazzy Learning!“
Neben diesen sicher für die Allgemeinheit der ED-Media-Teilnehmerinnen und –teilnehmer ansprechenden Keynotes ist es aber gerade auch die überwältigende, beinahe erschlagende Vielzahl weiterer Präsentationen vor allem der Full- und der Briefpapers, die in den so genannten „Concurrent Sessions“ oft die Wahl sehr schwer machen, für welche Präsentation man sich als Besucher entscheiden soll. Etwas ärgerlich ist es allerdings, wenn gerade jene Präsentationen ohne Ankündigung ausfallen, die man aus dem Programm ausgewählt hat, hat dies doch zur Folge, dass man andere, vielleicht ähnlich interessante Präsentationen ebenfalls versäumt.
Exemplarisch sei hier nur eine der kurzen Präsentationen herausgegriffen, stellt das vorgestellte Projekt doch einen kreativen Ansatz dar, wie man Web-Services, wenn auch etwas zweckentfremdet, für Unterricht und Bildung nutzbar machen kann: „Wiki as a Tool for Web-Based Collaborative Story Telling in Primary School: A Case Study“. Unter diesem Titel präsentiert Sébastien Paquet (National Research Council of Canada, Institute for Information Technology) einen Modellversuch, der sich damit befasste, inwieweit ein sogenanntes „Wiki-Web“ für Sprachunterricht (Verfassen von Texten) im Bereich der Primarstufe geeignet ist.
Grundlegende Idee dieses Projekts ist es, das Internet, das derzeit in erster Linie als „Read Only–Medium“ (die meisten User können im Web lesen, nur wenige können Inhalte beitragen bzw. präsentieren) zu bezeichnen ist, dahingehend weiter zu entwickeln bzw. intensiver zu nutzen, dass interessierte User auf einfache Weise auch selbst schreibend Inhalte beitragen können, ohne spezielle Kenntnisse haben zu müssen oder Editoren etc. nutzen zu müssen. Moderne Tools sind dazu geeignet, dies zu verändern: Zu nennen wären hier in erster Linie Blogs, Communities und – wie im gegenständlichen Projekt beschrieben – Wikis, die es den Usern auf einfache Weise ermöglichen – online – Beiträge zu verfassen, zu ergänzen oder zu korrigieren.
In gegenständlichem Projekt geht es darum, ein solches „Wiki“, dessen Grundidee eigentlich in erster Linie die Schaffung eines möglichst umfassenden, von der „Webgemeinde“ (= Summe aller interessierter Web-User) in Kooperation verfasstes Lexikon zu erstellen, das kostenfrei allen Usern zur Verfügung steht, dafür zu nutzen, eine Geschichte in Form eines Hyper-Textes zu verfassen: Der Leser soll später die Möglichkeit haben, selbst zu wählen, für welche Fortsetzung der Geschichte er sich an entsprechenden Textstellen jeweils entscheiden möchte.
In dem hier vorgestellten Projekt hat man mit Kindern im Alter von etwa 10 – 12 Jahren gearbeitet und hat für dieses Projekt ein Wiki-Web angelegt, das in der Anfangsphase des Projektes nicht allgemein, sondern nur der Projektgruppe (Projektleitung, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler) zur Bearbeitung zugänglich war.
Diese erste Phase (rund 1,5 Stunden) wird unter dem Arbeitstitel „The Storydesign“ dazu genutzt, Arbeitsgruppen einzuteilen und in kreativer Gruppenarbeit ein „Storyboard“ zu entwerfen und dieses auf einem Plakat möglichst übersichtlich darzustellen: „Held“ der Geschichte, Schauplätze der Handlung, mögliche Verläufe (inkl. „Verzweigungen“ im Text).
Dieses Storyboard ist die Grundlage für die weitere Arbeit an der Geschichte (Phase 2 – Story writing). Das Plakat ist während der folgenden Arbeitsphasen immer greifbar bzw. möglichst gut sichtbar für die Teammitglieder aufgehängt. Während der Arbeit stellt sich heraus, dass dieses Plakat quasi das „Zentrum der Zusammenarbeit“ darstellt. Insgesamt stehen für diese zweite Phase der Arbeit an der Geschichte 7,5 Stunden zur Verfügung. Davon werden 30 Minuten für eine Einführung in die Benutzung der Wiki-Software (Plattform) investiert, im Anschluss daran 3 Stunden für die reine Arbeit am Text, die letzten vier Stunden stehen für die Arbeit an Text und Illustrationen zur Verfügung.
Im Rahmen dieses hier natürlich nur sehr kurz und oberflächlich beschriebenen Projektes befasste man sich in erster Linie mit folgenden Fragen:
- Sind Wikis für jüngere Schülerinnen und Schüler (Primarstufe) geeignet?
- Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der Kinder bei der Nutzung von Wiki?
- Fördert die Nutzung dieses Mediums das Engagement und Interesse der Kinder?
- Falls ja, sind geschlechterspezifische Unterschiede feststellbar?
Für interessierte Zuhörer (bzw. hier Leser) werden vom Referenten folgende Webquellen angegeben:
- Geschichten der Kinder:
http://lizzy.iit.nrc.ca/CyberClub/public/wiki.cgi?Jeux_d_Adventure
- Lizzy, the NRC Wiki clone used by the children:
http://lizzy.iit.nrc.ca
- Paper on Wiki usability submitted to WikiSym 2005:
http://www.wikisym.org
Während die Vorstellung dieses Projekts nicht nur inhaltlich interessant, sondern auch präsentationstechnisch geschickt und motiviert erfolgte, muss leider auch bei dieser ED-Media wieder festgestellt werden, dass viele Referentinnen und Referenten den neuen Medien nicht wirklich gewachsen zu sein scheinen: PowerPoint scheint das Maß aller Dinge zu sein und muss eingesetzt werden, um welchen Preis auch immer … - Bill Gates wird´s freuen, seine Börse klingelt ob der (nahezu absoluten) Dominanz seiner Produkte auch auf diesem Kongress. Dass die Nutzung von PowerPoint jedoch auch des Geschicks und des Wissens des vorbereitenden und des präsentierenden Users bedarf, scheint bei manchen in Vergessenheit geraten zu sein. Dies wäre nur halb so wild, handelte es sich nicht gerade um Personen, deren Profession es ist, Inhalte auf geeignete Art und Weise an Lernende zu vermitteln: Überfrachtete Folien sind jedoch sicher nicht die „beste Möglichkeit“ dazu …
Innerhalb einer sogenannten Session finden in den insgesamt 17 zur Verfügung stehenden Konferenzräumlichkeiten rund 30 bis 40 Präsentationen (siehe obiges Beispiel) und Diskussionen („RoundTable“) statt. Dieses ohnehin schon umfangreiche Präsentations- und Diskussionsprogramm wird ergänzt durch die insgesamt 190 Poster-Demonstrations. Während die Präsentationen der Brief- und der Full-Papers dem Besucher nur relativ wenig Raum für Diskussion und Vertiefung bieten, sind die Poster-Demonstrations jener Programmpunkt, der die Besucher zur Kommunikation geradezu anregt. Leider ist die Zeit viel zu kurz, um sich mit den vorgestellten Projekten vor Ort näher zu befassen und mit den jeweiligen Urhebern in einen umfassenderen Diskurs zu treten. Ein wenig entschärft wird der Zeitmangel durch die Pausen, in denen man immer wieder Gelegenheit hat, mit Referentinnen und Referenten deren Projekte zu diskutieren. Hier wird auch immer wieer spürbar, was ED-Media heißt: Diskussion auf zum Teil höchstem internationalem Niveau – weltumspannend befasst man sich hier mit dem Thema Bildung auf Basis bzw. unter Nutzung der modernen Medien!
Abschließend sei hier eine Aussage von Professor H. Maurer (Technische Universität Graz) zitiert, die recht gut beschreibt, was die ED-Media ausmacht:
"This is the only conference that pulls together practitioners and researchers from all areas of education. I have not missed a single conference, and I have profited from every one."
Vielleicht vermögen einerseits der einen ersten Einblick gebende Bericht, andererseits aber auch diese knappe, klare Aussage eines der Pioniere in Sachen „Lernen mit den neuen Medien” neugierig zu machen auf die nächste ED-Media, die im Jahr 2006 in Orlando (Florida, USA) stattfinden wird!
Für nähere Informationen dazu steht unter der Adresse www.aace.org eine recht umfassende Homepage zur Verfügung, die nicht nur die ED-Media selbst, sondern auch weitere, sich mit ähnlichen Themen befassende Konferenzen, vorstellt.
Wolfgang Seper,
Übungsvolksschule der Pädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien
P.S.: Weitere Eindrücke von der ED-Media 2005 in Montreal vermitteln folgende Bilder ...
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[1] Powerpoint-Präsentation dazu: www.aace.org/conf/edmedia/cooperstock.ppt
[2] Powerpoint-Präsentation dazu: www.aace.org/conf/edmedia/oblinger.ppt (Leider entspricht die im Web zur Verfügung gestellte Version der PP-Präsentation nicht zur Gänze der von Prof. Oblinger im Rahmen der ED-Media genutzten Präsentation)
[3] „Blog“ – beschrieben in der Online-Enzyklopädie „Wikipedia“: http://de.wikipedia.org/wiki/Blog