<titel>„Frau Inschenör hat’s noch immer schwör ...“

<untertitel>Zur Berufssituation von Technikerinnen

<autor>Anita Thaler, Christine Wächter

<vorspann>Das Projekt „Engineer your Future – Frauen gestalten Technik“ des IFZ will das Zukunftspotenzial steirischer Unternehmen durch die Erhöhung des Anteils hochqualifizierter Frauen in technischen Berufen unterstützen. In einem ausgewählten Betrieb des Automobil-Clusters sollten „Cultures of Success“ für Ingenieurinnen geschaffen werden, um die für die ökonomische Entwicklung der Steiermark unabdingbare technische und soziale Intelligenz insbesondere von Frauen zu gewinnen und zu halten.

<text>Mit einem Methodenmix aus quantitativen und qualitativen Methoden wurden zunächst hemmende und unterstützende Faktoren für erfolgreiche Ingenieurinnenkarrieren untersucht und darauf aufbauend Maßnahmen für den Betrieb entwickelt und empfohlen. Dieser war von Anfang an in diesen Prozess eingebunden. Der langfristige Erfolg des Projektes hängt nicht zuletzt vom Engagement und dem Commitment des beteiligten Unternehmens ab. Im Folgenden sollen die Ergebnisse der Fokusgruppen und der Fragebogenerhebung präsentiert werden.

Von März bis April 2004 wurden drei Fokusgruppen mit Technikern aus dem mittleren Management und Technikerinnen des am Projekt beteiligten Unternehmens in der Steiermark durchgeführt. Die Transkripte der Fokusgruppen wurden thematisch geclustert und reflektierend interpretiert (vgl. Bohnsack 2003). Ergebnisse der Diskussionsrunden sind weibliche und männliche Einstellungen zu Technikerinnen und die Einschätzung zu deren Herausforderungen und Karrieremöglichkeiten im Betrieb. Darüber hinaus erbrachten die Gesprächsgruppen Vorschläge, wie einerseits Studentinnen den Einstieg in dieses Unternehmen schaffen können und andererseits der Betrieb ein attraktiverer Arbeitgeber für Technikerinnen und Techniker werden kann.

<zwischenü>Ein Männerunternehmen?

Das am Projekt beteiligte Unternehmen wird von den diskutierenden MitarbeiterInnen als ein „Männerunternehmen“ wahrgenommen. Das heißt, es gibt im Kernkompetenzbereich Technik nur wenige Frauen, viele Technikerinnen arbeiten alleine in einem Männerteam. Den Diskutierenden sind auch keine Bemühungen des Betriebes bekannt, den Technikerinnenanteil im Unternehmen zu erhöhen. Vor allem die Diplom-Ingenieure der Männer Fokusgruppe meinen, dass der interne Technikerinnenanteil nicht der ihnen bekannten Hochschulrealität oder den Anteilen anderer Unternehmen entspricht. Dabei ist der Grundton aller drei Diskussionen, dass ein höherer Frauenanteil insbesondere in technischen Bereichen wünschenswert sei: „Ich meine, dass die Firma XY nicht in dem Maße weibliche Technikerinnen beschäftigt, wie es dem Verhältnis auf den Hochschulen entspricht und es würde ja auch gar nichts dagegen sprechen, wenn es in Österreich nur 100 Technikabsolventinnen gibt, und alle 100 bei der Firma XY arbeiten, nicht?!“ (Zitat Techniker).

Die Technikerinnen meinen zu den Bestrebungen, den internen Frauenanteil zu erhöhen, dass dies eine Top-down-Strategie sein müsste und dass gerade dieses Bekenntnis des oberen Managements nicht eindeutig sei: „Also, wie gesagt, bei den großen Automobilherstellern gibt es mittlerweile eine klare Frauenpolitik, die nach außen hin kommuniziert wird, und das wird von der Firma XY nicht gemacht.“ (Zitat Technikerin). Die Anforderungen des Unternehmens an BewerberInnen werden sowohl von den interviewten Frauen als auch Männern als überhöht bezeichnet: „Also, was wir ja immer suchen sind die 25 Jahre Alten, mit 15 Jahre Industrieerfahrung und Top-Zeugnissen.“ (Zitat Techniker). Dadurch würden auch potenzielle, kompetente Bewerberinnen abgeschreckt, die trotz guter Hochschulbildung denken, sie erfüllen das Stellenprofil nicht, und so hätte es gar keinen Sinn sich zu bewerben.

<zwischenü>Aufholbedarf bei Work-Life-Balance

Alle drei Diskussionsgruppen bescheinigen dem eigenen Arbeitgeber einen Aufholbedarf bei der Erfüllung von Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Führungskräfte aus der Männer Fokusgruppe bemängeln einerseits diese Unvereinbarkeit von Familie und Beruf, räumen andererseits aber ein, dass es flexible Einzelmodelle gibt, die allerdings nicht für das gesamte Unternehmen gelten: „Wir haben ja auch einige Männer, die einmal in der Woche zu Hause arbeiten. Ich habe drei konkret, die mir sofort einfallen, die sind zwei Tage die Woche zu hause, nur weil sie so einen langen Arbeitsweg haben.“ (Zitat Techniker). Die Technikerinnen sehen hingegen auch eine starke Verbindung zwischen Anerkennung der MitarbeiterInnen und Arbeitszeit: „Es gibt nach wie vor die Chefs, die ihre Mitarbeiter nach den Stunden, die sie hier herinnen absitzen, sage ich jetzt einmal bewusst ‚absitzen’, beurteilen.“ (Zitat Technikerin).

<zwischenü>Höhere Anforderungen an Technikerinnen im Arbeitsalltag

Die Anforderungen an Technikerinnen im Betrieb sind formal gleich wie die an ihre männlichen Kollegen. Im Arbeitsalltag wird von ihnen jedoch mehr Durchhaltevermögen, aber auch mehr soziale Kompetenz als von Technikern erwartet. Die Manager aus der Männer Fokusgruppe betonen, dass sie sich von Technikerinnen sogenannte „weibliche Eigenschaften“ erwarten, d. h. Technikerinnen sollen über die Anforderungen an Techniker hinaus auch besondere soziale Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften aufweisen: „Ich glaube, dass gerade diese weiblichen Eigenschaften stärker reinkämen, dass man in der Kommunikation besser wäre, dass man im Fleiß besser wäre.“ (Zitat Techniker). Die Technikerinnen bestätigten diese Anforderungen aus ihrem Arbeitsalltag. Sie berichten vom nötigen Durchhaltevermögen und dem Besser-Sein-Müssen, um anerkannt zu werden, erzählen aber auch von Witzen und Bemerkungen, die sie zu ignorieren gelernt haben: „Teilweise nimmt man es mit Humor, aber es gibt dann schon Erlebnisse, dann fühlt man sich irgendwo schon gekränkt, weil man merkt dann ganz deutlich, dass die Einstellung irgendwo – das ist schon bedenklich. Es wird überhaupt nicht davon ausgegangen, dass da eine Frau in der Abteilung vielleicht eine andere Position haben könnte, als die des Kaffeekochens oder Blöcke verteilen oder wie auch immer.“ (Zitat Technikerin).

<zwischenü>Diversity als Chance

Diversity, also eine Vielfalt von unterschiedlichen Nationalitäten, Altersgruppen, Ausbildungen und eben auch Geschlechtergerechtigkeit, wird von allen drei Diskussionsgruppen als eine große Chance für das eigene Unternehmen gesehen, um den verschiedenen Sichtweisen der KundInnen bzw. Auftraggeber entsprechen zu können. Die Erhöhung des internen Technikerinnenanteils ist ein wichtiger Baustein, um diese Reichhaltigkeit zu erreichen. Auch das in der männlichen Diskussionsgruppe repräsentierte mittlere Management der beteiligten Firma tritt dafür ein, dass die Belegschaft der Vielfalt und Zweigeschlechtlichkeit der Bevölkerung entsprechen sollte, um dadurch neue Sichtweisen zu erhalten: „Wir sind einfach als Menschen verschieden. Und die ideale Ergänzung ist natürlich, wenn an einem Problem, so wie es da formuliert ist, eben beide Gedankenwelten da sind und auch von beiden Seiten das betrachtet wird. ... Es würde vielleicht oft das Brett vorm Kopf wegkommen.“ (Zitat Techniker).

Männer wie Frauen waren sich auch einig, dass das Unternehmen selbst durch verschiedenste Maßnahmen die für eine stärkere Diversity nötige Erhöhung des Technikerinnenanteils fördern könnte. Als positive Nebeneffekte würden sich durch diese Maßnahmen zudem ein zusätzlicher Imagegewinn des Betriebes und eine gesteigerte Motivation der MitarbeiterInnen ergeben. Die Techniker aus dem mittleren Management sehen einen Handlungsbedarf bei flexiblen Arbeitszeitmodellen, aber auch beim Umgang mit teilzeitarbeitenden MitarbeiterInnen und schlussendlich bei der Neubewertung der Elternkarenz als Ausdruck sozialer Kompetenz.

Die Technikerinnen meinen, dass ihr Arbeitgeber zunächst deutlicher zum Ausdruck bringen sollte, dass er an Technikstudentinnen und Technikerinnen interessiert ist und diese durch Stipendien und Praktikumsplätze unterstützen. So eine Wirkung würde auch die Formulierung ‚Wir sind bestrebt, unseren Frauenanteil zu erhöhen und fordern Frauen dezidiert auf sich zu bewerben’ in Stelleninseraten bewirken. Betriebsinterne Maßnahmen sollten bereits beschäftigten MitarbeiterInnen helfen, Beruf und Familie besser vereinbaren zu können, dabei wird vor allem die Kinderbetreuung als zentraler Faktor gesehen. Und zuletzt sehen die Technikerinnen die Notwendigkeit, dass die Geschäftsführung Frauenförderungs- bzw. Gender Mainstreaming-Maßnahmen als Ziel definiert und umsetzen lässt: „Die Geschäftsführung muss sagen, hier, da machen wir einmal was, aber letztendlich umsetzen muss es dann die Personalabteilung.“ (Zitat Technikerin).

Dass Diversity sich lohnt, wird von vielen großen Unternehmen wie Daimler Chrysler, Ford, VW, HP u. a. vorgezeigt. Es zeigt positive Wirkungen in der internen Zusammenarbeit und Unternehmenskultur, aber auch in der Außenkommunikation mit KundInnen, Auftraggebern und potenziellen BewerberInnen.

<zwischenü>4weeks Artikel 1

Angehende Technikerinnen befragt

Im Frühjahr 2004 wurden mit einem zweiseitigen Fragebogen 20 höhersemestrige Technikstudentinnen und 16 Technik-Absolventinnen der TU Graz und von steirischen Fachhochschulstudiengängen über ihre Einstellung zum am Projekt beteiligten Betrieb und über ihre künftige Arbeit als Diplom-Ingenieurinnen befragt. Da die Befragten ausschließlich aus für dieses Unternehmen relevanten Studienrichtungen stammen, kann die Stichprobe als Pool potenzieller Bewerberinnen betrachtet werden. 25% der befragten (angehenden) Diplom-Ingenieurinnen beantworteten keine Fragen zur konkreten Firma, manche von ihnen erklärten dies damit, dass sie diese zu wenig kennen würden. Auch diese Enthaltungen können als Interpretationsgrundlage dienen.

Die Antworten der restlichen 75% ergeben folgendes Bild. Der Betrieb des Automobil-Clusters wird großteils als „Männerunternehmen“ wahrgenommen. 48% der Befragten denken, dass dort „ausschließlich Männer Karriere machen können“, 58,4% meinen sogar, dass „nur Männer das Sagen haben“ und 79,2% halten es für unmöglich, dass „Frauen in wichtigen Schlüsselpositionen sind“. 88,7% sehen keinerlei Bemühungen des Unternehmens, „gezielt Bewerberinnen zu rekrutieren“ und 72% glauben nicht, dass „auf gemischtgeschlechtliche Teams geachtet wird“.

Die überwiegende Mehrheit der Befragten glaubt, dass im betreffenden Betrieb weder Mütter noch Väter „durch Heimarbeit Beruf und Kinder verbinden können“, nur 8,7% trauen dem Unternehmen diese Flexibilität zu. Besonders tragisch ist diese Sichtweise, wo einerseits für diese angehenden Technikerinnen ein wichtiges Kriterium zur Arbeitgeberwahl darin besteht, „nach einer Babypause flexible Arbeitsmodelle angeboten zu bekommen“, und andererseits von der Personalabteilung dieser Firma betont wird, dass familienfreundliche Dienstmodelle individuell durchführbar sind.

Bei den allgemeinen Erwartungen an künftige Arbeitgeber meinen die 36 Befragten, dass „auch ein Privatleben zu haben“ am wichtigsten für sie sei. Im Gegensatz dazu stehen 64% Zustimmung zu „bei Firma XY muss man Tag und Nacht einsatzbereit sein“. Die anderen wichtigsten Kriterien bei der Wahl des Arbeitgebers sind neben „fachliche Weiterbildungsmöglichkeiten zu haben“, „auch in anderen Fachgebieten weiterlernen zu können“, „die Möglichkeit zu haben, Karriere machen zu können“, „über eine flexible Arbeitszeit verfügen zu können“ und „Verantwortung für einen Tätigkeitsbereich übernehmen zu können“.

Unter dem Gesichtspunkt der Diversity, also durch verschiedenste Beteiligte in einer Organisation auch mehr Perspektiven für Problemlösungsansätze und Kreativität zu ermöglichen, ist interessant, dass zwei Drittel der Befragten antworteten, sie können „eine andere Sichtweise als ihre männlichen Kollegen“ in die Technik bringen. Zwei Drittel unterstrichen, dass sie „die Technik besonders menschenfreundlich gestalten wollen“ und 82,8% wollen Technik „besonders umweltfreundlich gestalten“.

Am Ende des Fragebogens konnten die befragten Frauen noch formulieren, was ihnen in ihrer Arbeit als Technikerin darüber hinaus wichtig ist, und stellvertretend soll hier ein Zitat zum Ausdruck bringen, dass es den Technikerinnen nicht um eine Besserstellung, sondern um eine echte Chancengleichheit geht: „(Ein) respektvolles Miteinanderarbeiten und einen frischen Wind in die männerdominierte Technik-Gesellschaft zu bringen; (ich) bin gegen ‚Emanzenherrschaft’, sondern für fachlich kompetente Frauen.“

Literatur

Bohnsack, Ralf (2003): Gruppendiskussion. In: Uwe Flick, Ernst von Kardoff, Ines Steinke (Hg.): Qualitative Forschung. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt.

Anita Thaler

studierte Psychologie mit Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie und Erziehungs- und Bildungswissenschaften mit Vertiefungen in Erwachsenenbildung und Frauenforschung an der Karl-Franzens-Universität Graz. Seit 1997 Erfahrung als selbständige Unternehmensberaterin im Bereich Arbeits- und Organisationspsychologie und Seminarleiterin. Seit Juni 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin des IFZ im Projektbereich „Frauen – Umwelt – Technik. Arbeitsschwerpunkte: Technik, Erwachsenenbildung und Geschlecht.

E-mail: thaler@ifz.tugraz.at

Christine Wächter

Leiterin des Forschungsbereichs „Frauen – Technik – Umwelt“ am IFZ. Seit Oktober 2001 Außerordentliche Universitätsprofessorin an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) der Universität Klagenfurt (Standort Graz). Arbeitsschwerpunkte: Technik-Bildung und Geschlecht, Feministische Perspektiven nachhaltiger Technikgestaltung, Konzepte zur quantitativen und qualitativen Verbesserung der Situation von Frauen in technischen Ausbildungs- und Berufswegen.

E-mail: waechter@ifz.tugraz.at