Verändern virtuelle Labors die Ingenieurausbildung ?

  

20 HTL-Lehrende und ihre Schüler/innen von 6 HTL-Schulstandorten haben sich Ende 2002 entschlossen, Labors für die technische Ausbildung über das Internet für andere Schulstandorte zu öffnen. Unter der fachkundigen Koordination von Prof. Michael Auer von der Fachhochschule Villach wurde die Grundlage für ein Projekt gelegt, das eine Verbindung von Laborübungen und Steuerungs- und Regelungseinrichtungen, die unter didaktischen Gesichtspunkten für die Nutzung mit dem Internet konzipiert wird, zum Ziel hat. Reale Versuchsaufbauten können dabei im „virtuellen Labor“ ferngesteuert und fern beobachtet werden; Ergebnisse von Experimenten können ferngesteuert ausgewertet werden. Über das Internet werden Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit realen Versuchseinrichtungen durch Rückführung realer Szenarien über Videoaufnahmen und Dateien vermittelt. Daneben spielen aber auch reine Simulationen von technischen Vorgängen eine Rolle. In einer Übersicht stellen sich die Formen des Laborbetriebs folgendermaßen dar:

 

Tabelle 1: Formen des Laborbetriebs

                                                           Experimentator

Experiment

Lokal

Remote (über das Internet)

Real

Präsenz – Labor

Remote Labor

Virtuell

Lokale Simulation

Virtuelles Labor (und Simu-lation)

 

Am Beginn des Projektes stand eine Idee und Erfahrungen der FH Villach, Berichte über ca. 100 Online-Labors weltweit zu sammeln und eine Kooperation mit anderen Standorten anzustreben. Zur annähernd gleichen Zeit, im April 2002, besuchte eine Projektgruppe Online-Labors im „Verbund virtuelles Labor“ an Fachhochschulen in Baden-Württemberg. Die Interessen fanden sich und mit etwas ESF-Geldern und auch nationalen Mittel wurde das Projekt „Online Labor Austria“ auf die Füße gestellt. 

 

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Theorie- und Laborunterricht müssen nicht mehr fein säuberlich getrennt sein. Die Brücke kann über Online-Labors, in denen die Schüler/innen  Dinge praktisch ausprobieren können, geschla-gen werden. Neben den „trockenen“ Theoriestunden existieren in der Ingenieurausbildung der Zukunft intermediäre Erfahrungen mit teilweise animierten elektronischen Lehr- und Lernmaterialien. Quantitative Betrachtungen im Unterricht können durch anschauliche Beispiele, wo man selbst „probieren“ kann,  ergänzt werden.

 

Umgekehrt ist eine Theorieanreicherung der fachpraktischen Ausbildungsteile durchaus nützlich. Länger zurückliegende Laborvorbereitungen können durch leicht abrufbares elektronisches Erklärungsmaterial wieder ins Gedächtnis gerufen werden.

So entstanden in drei Jahren automatisierte Prüfstände für Motoren und Pumpen, Ansteuerungen von Robotern für unterschiedliche Aufgaben, Kompetenzzentren für computer-integrierte Fertigung und Mechatronik, die Ansteuerung vieler elektronischer Geräte und Haushaltsgeräte – auch über Mobiltelefonie, Arbeiten über „intelligente Räume“ und auto-matisierte Häuser,  eine vollautomatische Säurebestimmung von Getränken, eine Vernetzung von Aggregaten der „Automatisierungspyramide“,  ein MatLAB-Webserver und Online-Werkzeuge zum Schaltungsentwurf, ein Netzwerklabor mit „Voice over IP“-Ausstattung,   ausgezeichnete Simulationen eines Pumpenprüf-standes und von elektrischen Maschinen und auch elektronisch unterstütztes Lernmaterial für die Begleitung – natürlich direkt über Internet abrufbar.

In einer nächsten Phase tauschen sich die Schulstandorte nun mit anderen Schwesterschulen Erfahrungen über das Betriebsverhalten der Online-Labors („Labor-eTwinning“) aus, um Rückmeldungen zum eigenen Labors „aus der Ferne“ zu erhalten.

Erste Erfahrungen und Einschätzungen zeigen, dass normaler Laborunterricht aus vielen Gründen nicht ersetzt werden kann. Aber in Erweiterungsbereichen der technischen Ausbildung ergeben sich durch den virtuellen Besuch von Labors, die man zu Hause aus technischen oder Kostengründen nicht aufbauen könnte, wo man aber nun Erfahrungen gewinnen kann.

Wie einer der Kollegen so nett bemerkte: „Nach zwei Stunden im neuen Kompetenzzentrum kam es mir, dass technische Ausbildung nie mehr so sein wird wie bisher – sie ist differenzierter, vielseitiger, medial anspruchsvoll und technisch herausfordernd - das Haus des Lernens in der Ingenieur-ausbildung wird sich verdammt rasch weiter entwickeln“.

 

Bild 1: Simulation von elektronischen Schaltungen (FH-Villach)

 

Bild 2: Einfache Elektronik-Laborsausrüstung mit Webcam (FH-Villach)

 

Bild 3: DI Lang, TGM-Wien-20, zeigt eine Elektromotor-Simulation

 

C. Dorninger, 29.4.06