An education portfolio documents

the accumulation of human capital

Helen Barrett, May 2000

 

ePortfolios-revolutionising elearning

Serge Ravet. EIfEL, 2003

 

ePortfolio – eine Zukunftsoption für die europäische Bildung ?

 

1 Begriff

 

Seit über 10 Jahren nutzen kanadische und australische Lehrende ePortfolios für Ihren Unterricht. Nun kommt diese Bewegung nach Europa - e-Portfolios sind in aller Munde: Nicht zuletzt eine Veranstaltung der Salzburg Research Forschungsgesellschaft von Ende April 2005 hat den Begriff des ePortfolios aktualisiert.

 

ePortfolios sind strukturierte digitale Informationssammlungen, die den gesamten Aus- und Weiterbildungswerdegang einer Person beschreiben und illustrieren. ePortfolios sind im Sinne einer „Lerntagebuchs“ zunächst zum persönlichen Gebrauch bestimmt. Die betreffende Person hat als Eigentümer/in die volle Kontrolle darüber, wer wann wieviele Informationen sehen und entnehmen kann.  Gerade die Datensicherheit (Datenschutz?) ist eine wesentliche Herausforderung bei diesem persönlichen elektronischen Verzeichnis

 

Definitionen: ePortfolios sind

*      strukturierte Sammlungen, die elektronische Medien und Dienste nützen.

*      persönliche digitale Sammlungen (engl. records), die Informationen, persönliche Profile und eine Sammlung von Leistungsnachweisen enthalten;

*      Überall verwendbare, portable, elektronische Wissens-Datenbanken, die private, personalisierte und vervielfältigbre Sammlungen, die über das Web zugänglich sind, enthalten.

*      strukturierte Sammlungen der besten Arbeiten eines Schülers/einer Schülerin. Die Sammlung zeigt die zugrunde liegenden  Auswahlkriterien und die Fähigkeit der Zusammenarbeit mit Mitschüler/innen. Das Portfolio ist Zeuge der Entwicklung des Lernenden über einen Zeitabschnitt hinweg und in einer ganzen Reihe von verschiedenen zusammen hängen.

 

Es gibt

*      Entwicklungsportfolios

*      Evaluationsportfolios

*      Ausstellungsportfolios (Künstler)

*      Planungs- und Evaluationsportfolios

*      Laufbahn-Portfolios

*      Aufnahme-Portfolios.

 

Ziele von Portfolios können sein :

*      Prozess- und Ergebnisdokumentation

*      Dokumentieren der persönliche Arbeitsmethode

*      Bewusstmachen von Lernprozessen

*      Stütze für das eigenständige Lernen

*      Darstellung von gemeinsamen Produkten

*      Basis für den fachlichen Austausch in der Lerngemeinschaft

*      Kennen lernen der Portfoliomethode für die eigene Unterrichtsarbeit

*      zur Selbstevaluation und als Instrument der Qualitätssicherung.

 

2. Bildungspolitische Entwicklungen

 

Unter dem Begriff ePortfolio können wichtige bildungspolitische und pädagogische Anliegen zusammen gefasst oder jedenfalls durch die elektronische Erreichbarkeit einer gemeinsamen Realisierung näher gebracht werden:

 

2.1. Die europäische Kommission hat den Europäischen Lebenslauf („European Curriculum Vitae“) in die Diskussion gebracht, der gerade im Sinne einer höchstmöglichen Mobilität von Leistungsträgern in den Europäischen Mitgliedsländern, aber auch darüber hinaus als elektronisch unterstützter „Ausweis“ zur Geltung kommen soll. Der so genannte Europass enthält formale Abschlüsse und Studien, Zusatzqualifikationen und Bescheinigungen über informelle Kenntnisse und Fertigkeiten. Ein Sprachportfolio oder Grundkenntnisse im Bereich der Informationstechnologien gehören zu diesem Europass.

 

2.2. Der Ansatz des elektronisch weltweit verfügbaren ePortfolios erleichtert die Einlösung von immer wieder angedachten Verbesserungen der Beurteilungen von Leistungen von Schüler/innen bzw. Lernenden. Die im Kontrast bzw. als Ergänzung zu den Ziffernnoten gedachte direkte Leistungsvorlage (Konzepte Prof. Rupert Vierlinger, Uni Passau [2]) lässt sich besonders leicht transportieren: Abgeschlossene Arbeiten von Schüler/inenn oder Student/innen, welcher Güte und in welchem Umfang auch immer, können von allen Interessierten, aber natürlich auch präsumptiven Arbeitgebern gerne eingesehen werden (hier ist die verbleibende Verfügbarkeit der Betroffenen dann besonders wichtig). Somit ließe sich, beispielsweise beim Übergang von der Schule oder vom Studium in den Beruf ein Katalog oder eine Mappe von persönlich erbrachten Leistungen in jeder Situation „mit Internetzugang“ nachweisen. Das Prinzip des globalen Informationszugangs würde sich gerade hier durch permanente Verfügbarkeit des Leistungsportfolios, wenn auch unter persönlicher Kontrolle des/der Betroffenen ausdrücken lassen.

 

2.3. ePortfolios sind die deutlichste Umsetzung des konstruktivistischen Lernens: Während Schulpolitiker gebannt auf genormte internationale Vergleichstests schauen (PISA hat die öffentlichen Marktplätze erobert), hat sich in den weniger wahrgenommenen Nischen des pädagogischen Diskurses eine recht umfangreiche Erfahrungssammlung mit „freien“, „projektorientierten“ oder „teamorientierten“ Arbeitsformen entwickelt. Begriffe wie „Fachbereichsarbeit“, „fachspezifische Themenstellung“ „Ingenieurprojekt“ oder „Diplomarbeiten im Sekundarschulwesen“ entwickelt. Diese zeigen die Entwicklung des Unterrichts hin zu praxisorientierten -  oft auch sehr komplexen - Arbeitenprozessen, meist im Rahmen der abschließenden Prüfungen. Die Erfolge bei den Leistungen, in den Teamarbeitsprozessen, aber auch vor allem bei Motivation von Schüler/innen, die mit dem früheren Paukunterricht in den „Oberstufenformen“ nicht viel anfangen können oder konnten, sind recht deutlich geworden (wenn auch wenig dokumentiert).

 

2.4. Damit wird ein großes Potential für den Schulbetrieb angesprochen: Schülerarbeiten bekommen eine „Historie“. Sie können von weiteren Schülergenerationen weiter bearbeitet werden (in Abwandlung eines Satzes von Isaak Newton könnte man sagen, dass die nachfolgenden Schülergenerationen weiterkommen, da sie auf den „Schultern der Vorgänger stehen“ können. Auch wenn dies neue Anforderungen an Ausarbeitung und Dokumentation stellt, mit der Weitergabe von Arbeitsergebnissen entsteht ein Qualitätsanspruch aus sich selbst, der eine Vermittelbarkeit der „hinterlassenen“ Arbeiten voraussetzt, die Züge von praxisorientierten oder vorwissenschaftlichen Finalisierungsgraden trägt.

Ein Beispiel: Ein engagierter Lehrer der HTL-Steyr hat mit seinen Schüler/innen (??) aus einigen Abfällen den Sportmotor des Fiat Abarth nachkonstruiert und nachgebaut. Man Beginn hatte das Projekt „industriehistorische Züge“ (die Planungsunterlagen dieses erfolgreichen Sportmotors waren verschollen), dann wurde es mit Hilfe von Firmen realisiert und bei Sportveranstaltungen eingesetzt. Nun hat die Schule ein Stadium erreicht, sich über ein Projekt, das die „Krone“ im Motorenbau darstellt, zu wagen: Die selbständige Entwicklung eines Formel-I-Motors nach heutigem Stand (siehe Homepage der HTL-Steyr). Neben der erhöhten Attraktivität der Schule (= Schüler/innen-Zuzug in der Fachrichtung Maschinenbau-KFZ-Technik), wurden diese Projekte durch eine saubere, technisch ausgereifte und über mehrere Schüler/innengenerationen geführte Datenbank aller Planungs-, Konstruktions- und Fertigungsunterlagen erreicht. Ohne die Vorarbeit von Schüler/innengenerationen wären derart komplexe Projekte im Maturajahr nicht möglich – mit einer umfangreichen Dokumentation offenbar schon!

 

2.5. Alle Apologeten des e-learnings beschäftigen sich in letzter Zeit mit dem Einsatz von Weblogs und Wikis für die Neugestaltung des „ungezwungenen“, „kollaborativen“, also konstruktivistischen Lernprozesses (vgl. P. Baumgartner, Contentmanagementsysteme für den Bildungsbereich, Manuskript, Nov. 2004). Dabei geht es darum, wie einfach strukturierte weborientierte e-Werkzeuge einen Lernprozess organisieren, der virtuell, gruppenorientiert, aber oft auch in weltweiten Communities abläuft – und zwar ohne Beherrschung von komplexen Autorenwerkzeugen oder Programmiersprachen, oft auch ohne HTML-Kenntnisse.

 

Die Verbindung von unterschiedlichen Contentmanagement-Aspekten mit dem ePortfolio ist evident: Bestimmt doch die Art, wie man die Entwicklung des eContents organisiert, die Art der Darstellung, die Vernetzung und Kontrolle im eigenen Portfolio. Genau da müssen noch viele Überlegungen angestellt werden.

 

3.1. Methodische Entwicklung von ePortfolios

 

Bei der Entwicklung des eigenen Portfolios wird oft das 5 zu 5 Modell von Helen Barrett zitiert [1]:

Zuerst sollten die Ziele und das Umfeld des Portfolios definiert werden. Methodisch werden hier 5 Unterpunkte vorgeschlagen:

*      Zweck und Zielgruppe ausmachen;

*      Standards für das Organisationsmodell definieren;

*      Computer-Ausrüstung und Software auswählen;

*      technische Kenntnisse des Inhabers/der Inhaberin klarlegen;

*      Auswahl des Portfolio-Niveaus.

Dann soll

*      ein Arbeitsportfolio erstellt werden (wieder mit entsprechenden Unterpunkten verdeutlicht), in weiterer Folge

*      ein Reflexionsportfolio (Rückmeldungen zu den veröffentlichten Arbeiten, u.a.), dann

*      ein Verbundportfolio (Verbindung mit anderen Quellen und digitalen Arbeitsproben) und schließlich

*      ein Präsentationsportfolio (größere oder eingeschränkte Zielgruppe).

 

3.2. Zeitlinie mit Kalenderfunktion oder eigenverantwortlich geführte vernetzte „Listen“

 

Das Portfolio besteht einmal einfach aus einer „Zeitlinie“, die stark mit eigenen Erlebnissen und Arbeiten verknüpft ist. Entlang der Zeitlinien kann zu Berichten, Arbeiten, Leistungsdarstellungen verzweigt und unterverzweigt werden. Einige Bereiche sind „privat“, andere einer Gruppe zugänglich, andere öffentlich. Eine Struktur wird vorgegeben, die Editierarbeit ist einfach, jede Art von Dokument oder Illustration (Bild, Skizze, bewegte Bilder) kann verwendet werden.

 

Die Frage ist nun: Wie macht man aus einem Kalender (der persönlichen Zeitlinie) einen Prozess, der auch Vernetzungen erlaubt und Inhalte anderer Beteiligter (nicht beteiligter) hereinholt. Die eigenverantwortlich geführten, vernetzten und selbst editierten Listen sind eine andere Möglichkeit, an eine Realisierung heranzugehen (z.B. über Wiki-Listen).

 

Als pädagogische Schlussbetrachtung zu diesem Kapitel: Viele Pädagogen sprechen von guten und weniger guten Klassen, auf die sie in ihrer täglichen Unterrichtsrealität treffen. Wie eine leistungsfähige Klasse entsteht, ist dabei größtenteils unerforscht. Die Entwicklung hängt ganz sicher mit den kollaborativen Prozessen der Zusammenarbeit der SchülerInnen untereinander zusammen. Erfahrungen zeigen, dass leistungsfähige Klassen C3-CMS-Systeme zu einer wahren „Leistungsexplosion“ nützen können. Daran knüpfen sich spannende Forschungsfragen...

 

4 Technische Realisierungen

 

Bei den ePortfolios unterstützenden Werkzeugen gibt es Open Source-Werkzeuge und kommerzielle Produkte [3]. Im Open Source-Bereich sei auf die Projekte

*      Open Source Portfolio Initiative (OSPI) www.osportfolio.org mit den Charakteristika Einsatz in Higher Education, Präsentationsportfolio, Erweiterung zum Lernportfolio  und

*      ELGG –Lernlandschaft http://elgg.net mit den Charakteristika Werkzeug zur Begleitung des lebensbegleitenden Lernens, Schwerpunkt Reflektion und Kollaboration und Registriermöglichkeit

verwiesen.

Im kommerziellen Bereich existieren eine reihe von Werkzeugen und damit verbundenen Dienstleistungen, die vor allem für mittelbetriebliche Firmen von Interesse sind.

 

Eine Kategorie wird als Desktop-Portfolio-Werkzeuge bezeichnet:

Blogs, Wikis, Webpages, Plone, sogar Die Verwendung von Excel gehören in diese Kategorie.

 

Nicht zufällig verweist Peter Baumgartner auf eine didaktisch motivierte Kombination von Weblogs und ePortfolios und unterscheidet folgende Werkzeuge:

 

Eine Auswahl von Content-Mangementsytem (CMS)-Werkzeugen wie www.mamboserver.com, http://typo3.org, www.bscw.de , www.phpgroupware.org, www.phpnuke.org, www.postnuke.com , http://manila.userland.com , http://twiki.org erleichtert die Erstellung von Portfolios mittels CMS-Werkzeugen.

 

Weitere Beispiele:

Verwendung von Weblogs: http://cyberportfolio.st-joseph.qc.ca/mario

Verwendung von Webpages: http://publish.bsu.edu/mgdoublestei/frameset.html  und

Verwendung von Excel: http://electronicportfolios.org/myportfolio/artifacts.xls

 

 

5 Gesellschaftliche Visionen

 

Eine ePortfolio-Kampagne vereint viele inhaltliche, fachdidaktische und pädagogische Ansätze zu einem Ganzen; sie hat das Potential zu einer gesellschaftlichen Vision, die lauten kann, dass in entwickelten Ländern jede/r StaatsbürgerIn sein/ihr eigenes ePortfolio entwickelt und betreut. Nicht nur WissenarbeiterInnen sollen von diesen Entwicklungen profitieren können. Den Schulen kommt dabei für die „Grundsteinlegung“eine besondere Bedeutung zu.

Daher ist zu trachten, dass bis 2010 alle Schulstandorte und alle Bildungsarbeiter der Chance haben, ihr ePortfolio in einer vorerst schulischen und universitären Arbeitsumgebung zu realisieren.

 

Es gibt eine Reihe von Institutionen, die eine breite Erwicklung von ePortfolios als gesellschaftlichen Qualifikations- und Reflexionsprozess unterstützten:

*      Zu nennen ist das „European Portfolio Initiatives Coordination Committe (EPICC)“, das anstrebt, die Rahmenbedingungen der Portfolio-Entwicklung zu vereinheitlichen und eine Demonstrationsplattform zu erstellen. Jährliche Veranstaltungen sollen die Meinungsbildung zum Thema verdichten.

*      Das europäische Sprachenportfolio ist ein Instrument zur Dokumentation und Präsentation von Sprachkenntnissen und interkulturellen Erfahrungen. Es wurde von Europarat ins Leben gerufen und umfasst 44 Mitgliedsstaaten.

*      Bildungsinstitutionen in Frankreich und der Schweiz reflektieren die oben genannten Entwicklungen intensiv und haben eigene nationale Strukturen und Zusammenkünfte organisiert.

*      In der BRD wird ein „Portfolio Medienkompetenz“ angeboten, mit dem Schülerinnen und Schüler nachweisen können, in welchem Unfang sie sich mit Medienthemen auseinander gesetzt haben und welche Kompetenzen sie dabei erworben haben (www.learn-line.nrw.de/angebote/medienbildung ).

*       

Kampagnen zu ePortfolios werden von Institutionen wie EIfEL – the European Institute for e-learning unterstützt (www.eife-l.org ).

 

In Wales, United Kingdom, wurde unter dem Titel „Gyrfa Cymru“ eine Portfolio-Initiative entwickelt, die alle Bewohner sukzessive umfassen soll („Every child in Wales will have the opportunity to start thweir life long learning journey by opening their eportfolio on the school computer. Individuals will continue on their ll-journey via the integrated delivery of careers education, work-related education an the progress file” [5]).

 

 

Referenzen:

[1] Helen C. Barrett, ePortfolios in K-12 and in Teacher Education, ISTE-Vortrag, Anchorage, 2001.

 

[2] Rupert Vierlinger: Plädoyer für die Abschaffung der Ziffernnoten; in: erziehung heute, Heft 3, 1998  betrifft:integration Sondernummer 3a, Studien Verlag Innsbruck 1998
Online
http://bidok.uibk.ac.at/texte/weiss-noten.html.

 

[3] Angela Baker, Europortfolio, Cambridge www.europortfolio.org

 

[4] Peter Baumgartner, The Zen Art of Teaching – Communication and Interactions in eEducation, Proceedings of the International Workshop ICL 2004, Villach.

 

[5] Gyrfa-Projekt, Wales, Rheinallt Jones, www.careerswales.com

 

[6] Nils Ole Nilsen, Digital portfolios – a method for learning and assessment in higher education, Bodo University, 2005.