N82 – Testbericht

Jetzt, wo alle über ein bestimmtes Phone reden, das mit berührungsintensiver Glasplatte als Bedienelement aufwartet, aber weder UMTS noch einen Slot für eine Speicherkarte besitzt, ist es an der Zeit auch Modelle in Augenschein zu nehmen. So braucht etwa das Nokia N82 überhaupt nicht den Vergleich mit Konkurrenz aus dem obstnahen Hause zu scheuen.

Fast zu brav und konventionell schaut das N82 aus, um einen Designerpreis zu gewinnen. Bedeutet aber auch, dass der Formfaktor stimmt. Eben wie ein Handy, lässt es sich problemlos in den Hosensack stecken. Allerdings klafft, zumindest bei meinem Gerät, zwischen Front und Unterschale ein gut 0,5mm breiter Spalt. Subjektiv zu viel Spiel, da wird sich bald unschöner Schmutz ansammeln, was den Glanz der schön silbern funkelnden Oberfläche etwas reduzieren wird.

Bildschirm & Tastatur

Macht aber nichts – spätestens nach dem Einschalten, wird einem bewusst, dass es einmal mehr die „inneren Werte“ sind, auf die es zu achten gilt. Bei dem 240x320 Bildpunkte (QVGA) großen Bildschirm mit 17 Millionen Farben vergisst man, was pixelig heißt. Da bleibt nicht mehr viel Platz für die Tastatur. Gleichwohl, der Ziffernblock ist noch im Rahmen und griffig. Aber bei der darüber liegenden Bedienreihe mit Menütasten und Navikey, erhebt sich die Frage, wie viele Mobile Phones die Finnen schon gebaut haben. Diesen Bereich hat man versucht glatt und bündig in die Front einfließen zulassen. Also kaum Struktur zum Greifen oder Erkennen – schlicht dilettantisch!

Die Bildschirm-Helligkeit wird, wie schon bei einigen Vorgängern auch, automatisch über einen Sensor reguliert, der das Umgebungslicht misst. Neuer ist da ein Beschleunigungssensor, welcher die Lage des Telefons checkt und so im Bedarfsfall zwischen Porträt und Landscape-Bildmodus schaltet (also die Bildschirmanzeige auf Hoch oder Quer dreht). Primär natürlich beim Fotografieren und Bilderansehen praktisch.

Bei der so genannten „Serie 60“ (siehe auch Bericht im Heft Nr. 99) bereits etabliert hat sich die aktive Standby-Ansicht. Neben sämtlichen obligaten Statusanzeigen, Datum/Uhrzeit, anstehenden Terminen und Aufgaben, ordnet man sich hier auch seine bevorzugten Applikationen als kleine und rasch anwählbare Icons an. Dazu gekommen ist hier ein gerätweites Suchen. Eine mächtige Funktion! Mit affenartiger Geschwindigkeit wird hier in allen (selektierbaren) Inhalten, wie etwa Notizen, Terminen, Aufgabe, Mitteilungen, aber auch Lesezeichen, Musik, Mails, Dokumenten und Files gesucht. Mit jeder Buchstabeneingabe wird das Suchergebnis immer konkreter, bis man sein Ziel lokalisiert hat. So kann man z.B. die Kontakte nach einer Telefonnummer durchsuchen oder Personen finden die im selben Ort wohnen oder Omas Rezept, wenn man nicht mehr weiß ob es ein Mail war oder ein Word-Dokument.

Auch in der Menü-Ansicht wird der routinierte S60-Anwender Verbesserungen entdecken. So zeigen die neueren Geräte (3rd Edition) statt nur 9 Icons ein ganzes Dutzend Programme und Ordner an. Tipp: diese lassen sich rasch und direkt mit der adäquat angeordneten Zifferntaste öffnen, ohne lange mit dem Cursor herum fahren zu müssen.

Bald wird man bei dem einen oder anderen Programm-Icon ein zusätzliches rundes Symbol registrieren, das uns scheinbar irgendwas kundtun will. Nun, es dient zum Erkennen aktiver Applikationen, denn seit jeher beherrschen Telefone mit Symbian-Betriebssystem an Board das namhafte Multi-Tasking. Möglicherweise wissen dies nicht viele Nutzer – der bisher einzige Weg das zu offenbaren, führte über den Taskmanager und der erscheint nur durch Drücken und Halten der Menütaste.

Apropos Taste: Leider hat man jene mit dem Bleistift-Symbol (eventuell auch als „ABC“-Taste geschätzt) weggelassen. Sie diente mehr oder weniger als Shift-Taste, um z.B. Textpassagen zu markieren und via Zwischenablage Kopier- und Einfügeoperationen zu exekutieren. Dies hat man nun auf Raute- und Sterntaste aufgeteilt. Prinzipiell kein Malheur, aber dem Komfort förderlicher ist da schon die Multimedia-Taste. Diese „wächst“, gut greifbar, aus der rechten Menütaste heraus und holt für einen raschen Zugriff die Top-Inhalte aus sieben Multimediabereichen auf den Bildschirm. So ist es beispielsweise endlich möglich, mit nur zwei Tastendrücken eine SMS an seinen favoritisierten Empfänger zu senden. Ein Wunsch der von Usern in diversen Foren immer wieder thematisiert wird.

Kamera

Kommen wir von dem Auf und Ab zu einem Glanzpunkt ohne Marotten. Mit der dargebotenen Ausstattung ist es endlich soweit, dass beim Ausflug die Kompaktkamera wirklich zu Hause bleiben kann. Es sind nicht alleine die 5 Megapixel, sondern vor allem der Autofokus mit dem die Distanzierung zur herkömmlichen Handykamera gelingt. Zusätzlich ein Xenonblitz mit Fokusier-Hilfslicht und scheinbar eine gute Software, die freilich mit etlichen Motivprogrammen, Serienaufnahme, Selbstauslöser und relevanten Einstellmöglichkeiten ausgestattet ist.

Das Zeiss-Objektiv wird von einer Schiebeklappe geschützt, die simultan das kompakt eingebaute Aggregat beim Öffnen in Betrieb nimmt. Nimmt man das N82 wie einen Fotoapparat (also quer) in die Hand, so kommt der Auslöseknopf ideal genau unterm rechten Zeigfinger zu liegen. Keine Sorge, wie eingangs erwähnt, dreht sich das Bild automatisch nach.

Neben der Auslösetaste ist ein weiterer Drücker positioniert, der den User direkt in die Bildergalerie führt, für die der Speicher übrigens ausreichend Platz bietet. Alleine intern hat Nokia den User über 100MB reserviert, dennoch wird man Fotos eher auf der mitgelieferte 2GB-Speicherkarte ablegen, um den Telefonspeicher für Software freizuhalten. Leicht zu installierende Freeware und kommerzielle Programme gibt es zu jedem Thema ausreichend im Internet.

Mit der derzeitigen Maximalvariante von 8GB bei microSD-Karten, ist man überhaupt jede Speicherplatzsorge los. Die nur fingernagelgroße Speicherkarte (kleiner Finger!) wird seitlich unter einer Abdeckung in einen Hot-Swap-Slot gesteckt. Der Name rührt angeblich daher, weil man die Karte auch während des Betriebes wechseln kann, ich vermute aber eher, weil einem dabei ohne Nerven aus Stahl leicht heiß werden kann.

Nebenbei sei noch erwähnt, dass auch Videos kein Problem sind und für Videotelefonie ist zusätzlich eine simple CIF-Cam frontseitig, oberhalb des Displays beherbergt.

Sound

In der Packung findet man auch einen Stereo-Kopfhörer. Wie der vertraute Nokia-User weiß, braucht man den vor allem auch als Antenne zum UKW-Radio. Ohne Headset hat man für verbesserten Stereosound die Speaker längsseits arrangiert, um den Abstand zwischen den einzelnen Lautsprechern zu vergrößern und setzt somit eigentlich die Verwendung in Querformat voraus. Denn man würde den rechten Lautsprecher mit der Hand zuhalten, wenn man das Handy dabei wie gewohnt hochkant hält.

Den MP3-Player hat man mit zusätzlichen Features wie Klangregler, Raumklang, Visualisierung a la Windows Media Player und Album-Grafik-Organisation etwas aufgemotzt.


Statt dem Kopfhörer lässt sich auch ein mitgeliefertes Videokabel anschließen. Somit lassen sich rasch, einfach und in bester Qualität die Urlaubsbilder auf den Fernseher bringen oder man startet ein N-Gage-Spiel und fährt plötzlich im Wohnzimmer ein Autorennen, obwohl man bisher keine Spielkonsole zu Hause hatte.

Da letztlich einfach der Telefonscreen reproduziert wird, ist so alles möglich. Kombiniert mit der Funktastatur wäre Arbeiten wie auf einem PC möglich. Taugliche Software für Mail, Web und Office-Dokumente ist bereits an Board!

GPS-Ortung & Navigation

Wir reden noch immer über ein Handy, das sich bequem in den Hosensack stecken lässt und die Aufzählungen geht weiter: Hinter den tiefstapelten Namen „Karten“ verbirgt sich ein erwachsenes Satellitennavigationssystem. Das N82 arbeitet mit A-GPS (assistent Global Positionig System), es nimmt also zusätzlich Informationen aus dem Telefonnetz zur Hilfe, sofern der Netzbetreiber dies anbietet, was aber noch nicht weit verbreitet ist.

In Summe bin ich über die Ortung überrascht. Sie funktioniert sogar am Beifahrersitz oder in der Mittelkonsole liegend, manchmal in geschlossenen Räumen, was mir rätselhaft ist. Die Karten selbst sind gut (über den MapLoader sucht man sich am PC die gewünschten Länder/Gebiet aus). Nach wichtigen Punkten wie Tankstellen, Restaurants, Sehenswürdigkeiten u.v.m. kann ebenso gesucht werden, wie nach Adressen aus den Kontakteinträgen. Orientierungspunkte kann man abspeichern und freilich werden Routen geplant.

Nur ab der Echtzeit-Navigation wird’s kostenpflichtig. Verfügbar sind Lizenzen für 1 Woche (6,49), 30 Tage (7,99), 1 Jahr (59,99) und 3 Jahre (69,99). In den Klammern sind als Beispiel die Preise für die Alpenregion (umfasst A, CH und Teile von D, F und I) angeführt, wobei es eine Vielzahl an Länderpackages gibt. Dann aber geleitet uns eine digitale, aber gut verständliche Frauenstimme bis zum Ziel und, wenn wir uns verfahren, stellt sie sich sofort drauf ein und macht des Bestmögliche daraus.

Das interne GPS kann natürlich auch anderweitig und von anderen Programmen verwendet werden. So bietet Nokia die Freeware „Sportstracker“ an, welche die bewältigte Strecke mit aufzeichnet und sämtliche errechenbare Daten wie Geschwindigkeit, Durchschnitt, Distanz etc. auswirft, dazu grafisch darstellt und auch als GPX, XML, CSV oder für Google Earth exportiert.

Auch Google Maps nutzt das GPS-Interface und zeigt uns so auf der Satellitenkarte, wo wir sind. Eine derartige Funktion am Handy war bisher nur Supergeheimagenten im Film vorbehalten.

Kommunikation & Verbindungen

Neben der ursprünglichen Hauptaufgabe, dem Telefonieren, funktionieren auch Email und Web hervorragend. Durch das Office-Package ist auch das Öffnen von Beilagen wie Word, Excel, Powerpoint oder PDF kein Problem. Der Wap- & Webbrowser ist wirklich schon ausgezeichnet und kennt auch schon RSS-Feeds.

Damit das alles flott funktioniert, gibt’s neben GPRS, UMTS und HSDPA auch die Möglichkeit via WLAN zu surfen. Abgesehen von ev. Kostenvorteilen ist das normalerweise um einiges schneller.

Weitere Verbindungsmöglichkeiten mit anderen Geräten, vor allem aber mit dem PC, sind Bluetooth oder auch USB mit dem mitgelieferten Kabel. Das N82 hat dafür eigens seitlich eine Mini-USB-Buchse. Das Datensichern erledigt man einfach mit der PC-Suite, obwohl das Handy ebenfalls eine gute Backup-Option auf die Speicherkarte besitzt. Auch die Datenübernahme von einem alten Nokia gelingt meistens. Entweder eben mit der PC-Suite oder, Bluetooth vorausgesetzt, direkt zwischen zwei Serie60-Geräten mit der an Board befindlichen Austausch-Software.

Bei all den integrierten Features stellt sich die Frage, ob da noch Platz für den Akku bleibt. Der hat aber die Standardgröße beibehalten. Die Laufzeit verringert sich natürlich mit dem Einsatz von stromfressenden Aktivitäten. Das Ladegerät mitnehmen ist aber kein Ballast – es gerade mal so groß wie ein Eurostecker!

Resümee

Das N82 ist für mich das Schweizer Taschenmesser im Elektronik/Multimedia-Bereich und überzeugt durch die schlichte Kompaktheit. Es fehlt an nichts, maximal an einem DVT-B Empfänger. Schlimm genug, dass man das von einem Handy erwarten könnte. Ich freue mich schon auf das nächste Flagschiff von Nokia, mit hoffentlich perfekten Bedienelementen, die den übrigen Qualitäten des Gerätes gerecht werden.