Georgi Antonowitsch Gamow, dem Verfasser der Urknall-Theorie,  zum 40. Todestag:

Am Anfang war der Knall?

 

Ein irischer anglikanischer Theologe und Verfasser einer Vielzahl theologischer und historischer Werke, James Ussher (1581-1656),  ermittelte Sonntag, den 23. Oktober 4004 v. Chr. als den Schöpfungszeitpunkt der Welt. Er leitete dieses  genaue Datum aus den Angaben der hebräischen Bibel als wichtigster Grundlage ab. Aus heutiger Sicht mag Usshers Datum ungewöhnlich erscheinen, aber es lag recht genau in dem von den Gelehrten dieser Zeit ohnehin bereits akzeptierten Bereich und leitete sich aus dem „Buchstabenglauben“[1] ab.

 

Im 18. Jahrhundert fanden Forscher immer mehr Hinweise, die mit der biblischen Schöpfungsgeschichte unvereinbar waren. Sie erkannten, dass für den Ablauf der geologischen Prozesse, die das heutige Aussehen der Erde bestimmten, viele Millionen Jahre notwendig gewesen sein mussten. Im 19. Jahrhundert wurde der Beginn der Welt immer weiter zurück verschoben. Die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809–1882)  deutet ebenfalls auf eine lang andauernde Entwicklung hin. Im frühen 20. Jahrhundert war man bei mehreren hundert Millionen Jahren angekommen[2].

 

Der Astronom Edwin Powell Hubble (1889-1953) machte 1929 eine Entdeckung, die die Frage nach dem Beginn der Welt neu aufwarf.  Er beobachtete, dass sich Galaxien umso schneller auseinander bewegen, je größer der Abstand zwischen ihnen ist.  So, als hätte eine Explosion stattgefunden. Die Frage nach der Entstehung der Welt stellte sich mit neuer, ungewöhnlicher Dringlichkeit.

Der Physiker George Gamow beantworte diese Frage vor sechzig Jahren mit der Theorie vom „Urknall“, die er am 30. Oktober 1948 in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte. Seiner Meinung nach war alle Masse und Energie des Universums zu einem Zeitpunkt Null in einen winzigen Punkt konzentriert. In einer gigantischen Explosion - von im Sinne des Wortes kosmischem Ausmaß - stob dieser Punkt auseinander, aus dem das Weltall mit seinen Galaxien entstand.

 

George Anthony Gamow (russisch Georgi Antonowitsch Gamow) wurde am 20. Februar (julianischer Kalender)  bzw. 4. März (gregorianischer Kalender) 1904  in Odessa, damals Russisches Reich, heute Ukraine, geboren. Während  der Revolution und im russischen Bürgerkrieg konnte er die Schule nur unregelmäßig besuchen. Er unterrichtete aber schon während des Studiums der Physik an der Artillerieschule der Roten Armee. Um seine Dissertation über die Quantentheorie zu verfassen, arbeitete er ab 1928 mehrere Monate an der Universität in Göttingen, Deutschland, wo er sich mit ihrer praktischen Anwendung beschäftigte. 1931 wurde die Quantentheorie in der stalinistischen Sowjetunion als „bürgerlich-idealistisch-kontrarevolutionär“ zurückgewiesen und Gamow von der sowjetischen Geheimpolizei unter Druck gesetzt. Zwei Jahre später erhielt er die Erlaubnis, zusammen mit seiner Frau zu einer Tagung nach Brüssel zu reisen. Er benutze diese Gelegenheit um für „mindestens dreißig Jahre Urlaub von der Sowjetunion zu nehmen“, worauf er für seine Flucht in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Anschließend arbeitete er als Universitätsprofessor in den USA in Washington, DC, und Boulder, Colorado. Er entwickelte unter anderem ein eigenes, nach ihm benanntes Atommodell. Gamow verstarb vor 40 Jahren am 19. August 1968 in Boulder.

 

Fast alle Astrophysiker akzeptierten die Urknall-Theorie sehr schnell. Nach neuesten Erkenntnissen datieren Wissenschaftler das Alter des Universums auf 13 bis 15 Milliarden Jahre, wobei das Alter der Erde und unseres Sonnensystems auf etwa 4,6 Milliarden Jahre geschätzt wird.

 

Aber auch sechzig Jahre nach der Veröffentlichung dieser Theorie bleiben Fragen offen. Die Europäische Organisation für Kernforschung - CERN[3] in Genf, Schweiz, ist derzeit bemüht, einige dieser offenen Fragen in einem umstrittenen Experiment zu klären. In einem ringförmigen Teilchenbeschleuniger dem LHC (Large Hadron Collider)[4] einem 27 km langen Tunnel unter einem Gebiet zwischen dem Jura und dem Genfer See, werden schwere Atomteilchen fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Dabei soll eine Mikroversion des Urknalls stattfinden, aus der sich Forscher Rückschlüsse auf die Entstehung des Weltalls erhoffen. Gleichfalls sollen auch neue Elementarteilchen erzeugt werden, deren Existenz sich bislang nur theoretisch berechnen ließ.

 

Es gibt aber auch Warnungen zu diesem Experiment, mit dessen erster Stufe heuer am 10. September begonnen wurde. Nach Ansicht der Kritiker könnte es auch zu nicht mehr kontrollierbaren Vorgängen kommen[5]. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg  wurden sogar Klagen dagegen eingereicht. Allerdings kamen Fachwissenschaftler zu dem Urteil, dass von diesen Experimenten keine Gefahren ausgehen, weshalb der Eilantrag gegen den Beginn der Versuchsreihe am 29. August 2008 abgewiesen wurde. Am 20. September kam es aber zu einem technischen Defekt im Sektor "34" des LHC, weshalb die Versuchsreihe derzeit unterbrochen ist. Zur Behebung des Defektes sind zwei Monate veranschlagt, sodass es frühestens Ende November zu einer Fortführung der Versuche kommen kann. Generell aber ist zu hinterfragen, ob ein möglicherweise fragwürdiges Experiment diese ernormen Kosten rechtfertigt.

 



[1] Die Annahme, das Universum sei von einem Schöpfer erschaffen worden, teilten auch viele Begründer der modernen Wissenschaften, unter anderem Kopernikus, Kepler, Faraday, Galileo, Maxwell und Newton.

[2] Dennoch gibt es auch heute noch Menschen, die auf einem Alter der Erde von 6000 - 10000 Jahren beharren.

[3] Die Abkürzung leitet sich vom früheren franz. Namen Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire ab.

[4] Die Bauzeit betrug 13 Jahre, die Kosten beliefen sich auf 6,2 Milliarden Euro.

[5] Befürchtet wird das Entstehen von schwarzen Mini-Löchern oder seltsamer Materie.