Soundkarten-Oszilloskop im Fachunterricht

Harald Butter

Im technischen Fachunterricht ist es oft notwendig, dem Auditorium mit einfachen Mitteln eine wirkungsvolle Demonstration von grundlegenden Zusammenhängen zu präsentieren. In einer visuell gesteuerten Gesellschaft, für die sich alles wie ein immer rascher ablaufender Film darstellt, ist dies einfach notwendig, um überhaupt informationstechnisch an die Zielgruppe heranzukommen. Da das heutige Universalwerkzeug der PC oder Laptop ist, sollte man natürlich rechnerunterstützt arbeiten. Zur Präsentation analoger technischer Zusammenhänge bietet sich die Soundkarte als wirkungsvolles Instrument an.

Das hier vorgestellte Programm scope_141.exe kann man von der privaten Webseite http://www.zeitnitz.de/Christian/ frei herunterladen. Dort ist ebenfalls eine Beschreibung der wesentlichen Betriebsmöglichkeiten zu finden. Die SW wurde mit LabView (T National Instruments) entwickelt. Die Soundkarte wird verwendet, um ein digitales Oszilloskop, einen Signalgenerator und viele Sonderfunktionen auf dem Bildschirm darzustellen. Das Programm eignet sich sehr gut für Projekte an Schulen und Universitäten, wenn technische Zusammenhänge einem großen Publikum präsentiert werden sollen. Mit zusätzlichen einfachen Hilfsmitteln wie Steckbrett und ein paar Bauteilen kann man mit dem Soundkarten-Oszilloskop Sachverhalte zeigen, wie man sie sonst nur in einem Labor realisieren kann.

Die Software läuft unter Windows 2000/XP/Vista/7/8 (32Bit und 64Bit) auf einem Computer mit 1GHz CPU und natürlich einer Soundkarte. Die Installation benötigt ca. 30 MByte Speicherplatz. Auf langsameren Rechnern kann es zu einer zähen Bedienung aufgrund der hohen Rechenlast kommen. Die Software und die Dokumentation werden kostenlos für private und (nichtkommerzielle) Ausbildungszwecke an Schulen und Universitäten zur Verfügung gestellt.

Das Programm modelliert nicht nur ein vollwertiges digitales Zweikanal-Oszilloskop, sondern auch einen Zweikanal Signalgenerator, der Signalformen wie Sinus, Dreieck, Sägezahn und weißes Rauschen digital erzeugen und auf dem Line-Out-Stecker analog ausgeben kann. Das Oszilloskop arbeitet mit einer Abtastrate von 44.1 kHz und 16 Bit entsprechend der Soundkarte des Rechners. Die Quelle der Daten kann im Windows Audio Mixer festgelegt werden (Mikrofon, Line-In oder Wave). Der abgedeckte Frequenzbereich hängt von der Soundkarte ab, aber 20 Hz – 20 kHz sollte jede moderne Soundkarte ermöglichen. Die untere Grenzfrequenz wird hierbei durch die AC-Kopplung des Eingangs bestimmt. Der Mikrofoneingang ist zwar empfindlich, aber bei den meisten Soundkarten lediglich ein Monoeingang und daher nur eingeschränkt verwendbar.

Die hier relevanten technischen Eigenschaften der Soundkarte selbst wurden bereits in einem früheren Artikel (PCNEWS 121 S. 14, http://www.pcnews.at?id=14962) ausführlich beschrieben, so dass ich mich hier auf die Präsentation der Anwendungsmöglichkeiten der Software konzentrieren kann. Beim Programmstart erhält man die Oberfläche eines Digitaloszilloskops (Bild 1). Der linke Bildteil enthält die Bedienelemente des Oszilloskops, rechts ist das Schirmbild zu finden, wenn man den Tab "Oszilloskop" aktiviert. Die Bedienung entspricht völlig einem üblichen Digitalscope, so dass darauf nicht näher eingegangen werden muss. Mit dem Button "Kanal Modus" kann zwischen den Darstellungsarten "einzeln", "Addition", "Subtraktion" und "Multiplikation" der beiden Kanäle gewählt werden. Hilfreich ist der Button "Messen" unterhalb der Scope-Diagrammfläche. Man kann eine Statusinformation abfragen, die Messung von Frequenz und Spannung wählen, wobei man die Messwerte in einem File mitprotokollieren kann, oder Cursoren für Zeit- oder Spannungsmessungen aktivieren.

Unter den weiteren Tabs verbergen sich wichtige Zusatzfunktionen. Beim Start ordnet man zunächst unter dem Tab "Einstellungen" die Audiokanäle zu. Hier erfolgt auch das Einstellen des Datenformates, von Scope-Parametern und der Sprache, wobei man eine persönliche Datei der Einstellungen abspeichern oder laden kann. Zweckmäßigerweise ändert man die vorgeschlagenen Werte zunächst nicht. In der mitgelieferten Beschreibung findet man noch Expertentipps für Änderungen im scope.ini-File.

Unter dem Tab "Extras" hat man einen Audiorecorder zur Verfügung. Der Tab "Signalgenerator" liefert einen zweifachen, unabhängigen Audiogenerator für Sinus, Rechteck, Dreieck, Sägezahn und weißes Rauschen. Man kann die Amplituden und die Frequenzen numerisch oder mit einem Drehknopf bequem einstellen. Bei Rechteck kann der Tastgrad gewählt werden. Beide Kanäle können gesweept werden, wobei die Start- und Endfrequenzen sowie die Sweepzeit wählbar sind. Beide Kanäle können direkt intern auf jeweils einen Kanal des Scopes geschaltet werden. Dabei ist allerdings ein Laufzeitunterschied gegenüber der Ausgabe über die Soundkarte zu beachten. Praktisch ist die Möglichkeit, die Generatoroberfläche in einem eigenen Fenster zu öffnen.

Hält man das Scope mit dem Button "Run/Stop" an, so bekommt man die Möglichkeit das Standbild zu speichern. Dabei werden zwei jpg-Grafik­Dateien generiert (in Farbe und in schwarz/weiß) sowie eine csv-Datei mit den Abtastwerten erstellt.

Nun ist es noch wichtig, die Zuordnung der jeweiligen Kanäle zu den Kanälen der Soundkarte zu kennen. Das Bedienfeld des Kanals CH1 ist links dargestellt (grüne Spur) und entspricht dem linken Kanal der Soundkarte, der rechte Kanal CH2 ist dem rechten Kanal zugeordnet (rote Spur). Beim SW-Start sind die beiden Kanäle synchronisiert, was man durch Wegklicken des Kästchens "Sync" abschalten muss. Der Generator hat die gleiche Kanalzuordnung.

Generator  Soundkarte  Oszilloskop

Kanal 1    links       Kanal 1

Kanal 2    rechts      Kanal 2

Es empfiehlt sich noch, im Sinne guten Rausch‑abstandes im Audio-Mixer den Ausgangspegel der Soundkarte auf voll einzustellen (Summe und Wave). Die Aufnahmeeinstellung Line nimmt man so vor, dass keine Übersteuerung eintritt (Beobachten eines Sinus über Scope-Funktion). Will man die tatsächlichen Spannungen an der Soundkarte wissen, so muss man eine Kalibrierung der Einstellungen vornehmen, damit die Werte der Scope-Software auch passen. Die Kalibrierung kann als Faktor in den Einstellungen hinterlegt werden. Für den professionellen Anschluss von Messobjekten stellt man sich entsprechende Anschlussleitungen und einen Steckbrettaufbau her, und schon kann es losgehen (Bild 2).

Der einfachste Versuch ist die Darstellung der Frequenzabhängigkeit der Phasenverschiebung und der Dämpfung durch einen einfachen RC-Tiefpass (RC-Serienschaltung als Spannungsteiler). Dazu wird ein Kanal des Generators mit einer passenden Sinus-Frequenz aktiviert und an das RC-Glied geschaltet. Ein Scope-Kanal wird an die Gesamtspannung, der zweite an die Spannung am Kondensator gelegt, und man erhält das bekannte Bild von zwei Sinuslinien mit frequenzabhängiger Dämpfung und Phasenverschiebung (Bild 3). Ändert man die Generatorfunktion auf "Rechteck", so ergibt sich das Bild der RC-Auf- und Entladung. Dabei muss man allerdings bei der Wahl der Frequenz darauf achten, dass nicht die Hochpasseigenschaften der Soundkarte das Verhalten bestimmen; sie darf nämlich nicht zu niedrig sein (Bild 4).

Sehr praktisch ist die Darstellungsart "x-y", wozu nur der Tab "X-Y Graph" aktiviert werden muss. Dann wird der Kanal 1 als X-Ablenkung und Kanal 2 als Y-Ablenkung geschaltet und man erhält verschiedenste Figuren. Beispielsweise kann mit dem erwähnten Tiefpass eine Ellipse gezeichnet werden. Stellt man den Generator so ein, dass die beiden Generatorkanäle den beiden Scope-Kanälen direkt zugeordnet sind und wählt Sinuslinien mit Frequenzen, die in ganzzahligem Verhältnis stehen, ergeben sich die berühmt-berüchtigten Lissajous-Figuren, die in der technischen Steinzeit oft die einzige Möglichkeit der Frequenzbestimmung waren (Bild 5). Mit etwas Hardwerkergeschick findet man eine Schaltung, mit der man eine Diodenkennlinie darstellen kann (z.B. AA113, Bild 6). Zu beachten ist bei der Darstellung von Kennlinien, dass die Soundkarte keinen Gleichanteil übertragen kann und daher eine Verschiebung der Kennlinien zu erwarten ist.

Eine Darstellungsart, die viele Digitaloszilloskope nicht vorweisen können, findet sich unter dem Tab "Frequenz". Hier steht ein Spektralanalysator zur Verfügung, der mit Fast-Fourier-Transformation (FFT) die gemessenen Zeitverläufe der beiden Kanäle in Echtzeit analysiert und als Spektrum in verschiedensten Formaten (dB, linear, logarithmisch, Wasserfall) darstellen kann. Damit kann man beispielsweise sehr schön den Oberwellengehalt der Dreieck- und Rechteckfunk­tionen zeigen.

In diesem Modus kann man digitale Filter (Hoch-, Tief- und Bandpass, Steilheit =30dB/Oktav) mit einstellbaren Grenzfrequenzen zu den einzelnen Kanälen dazuschalten. Über den Button "Filter in separatem Fenster" kann man die Filterfunktion extra darstellen.

Zur Messung von Frequenzgängen selbst gebauter analoger Filter kann man mit der Sweep-Funktion arbeiten. Durch die Wahl der Start- und Stoppfrequenz sowie der Sweepzeit bekommt man ein entsprechendes Signal. Mit der Spektralanalyse kann man den Betragsfrequenzgang als Bodediagramm (allerdings ohne Phasengang) aufzeichnen. Um eine durchgehende Linie zu bekommen, kreuzt man das Kästchen "Pegelspitzen halten" an. Bequemer und rascher erhält man einen Frequenzgang, wenn man als Signal weißes Rauschen einstellt. Dann ergibt sich der Frequenzgang einfach als Pegel des Rauschens über der Frequenz. Mit der Funktion "Pegelspitzen halten" bekommt man eine einigermaßen glatte Kurve, die man nur entsprechend interpretieren muss. So kann man einfach und schnell Filtercharakteristiken vorführen (Bild 7).

Bei Filtermessungen sind allerdings die Eigenschaften der Soundkarte nachteilig, weil deren Eingangs- und Ausgangsimpedanzen die Messung erheblich beeinflussen. Baut man Pufferverstärker ein (z.B. mit dem 4-fach-OPV LMC6484), zu dessen Versorgung man bequem die +5V von einem USB-Port abzweigen kann, ist das Problem gelöst. Nebenbei kann man dann auch aktive Filter vorführen.

Wer es auf die Spitze treiben möchte, kann auch die additive Mischung über eine Diodenstrecke zeigen. Man wählt zwei weit auseinander liegende Frequenzen, führt diese über Vorwiderstände auf eine Diode (am besten Germanium) und analysiert das Ergebnis im Frequenzbereich. So kann man einerseits die Bildung von Oberwellen, andererseits das Entstehen von Seitenbändern qualitativ vorführen, und das Wesen der Entstehung neuer Frequenzen an einer Nichtlinearität ist leicht erklärbar (Bild 8).

Abschließend noch ein paar Worte bezüglich der digitalen Erzeugung der Schwingungen. Diese werden rechnerisch durch Ermittlung der Abtastwerte zu den richtigen Zeitpunkten entsprechend der eingestellten Abtastfrequenz erzeugt. Da aber das Oszilloskop auch nur Abtastwerte im vorgegebenen Raster aufnehmen kann, werden Zeitverläufe, die in die Nähe der halben Abtastfrequenz kommen, nicht mehr „schön“ dargestellt sondern es treten starke Quantisierungsverzerrungen auf (Bild 9). Daran ändert auch der Signalweg über die Soundkarte nichts. Damit sinnvolle, „schöne“ Bilder entstehen, muss man mit der Signalfrequenz unter etwa einem Zwanzigstel der Abtastfrequenz bleiben. Nur dann hat man genügend Punkte pro Periode. Liegt die Signalfrequenz zu hoch, kommt es bei der internen Verbindung von Generator und Scope (Loop-Back) auch zu unschönen Schwebungen.

Ich hoffe, ich habe mit diesen Ausführungen einige Möglichkeiten aufgezeigt, wie man grundlegende technische Sachverhalte mit einfachsten Mitteln – bei knappen Budgets leider ein Erfordernis – augen- und sinnfällig darstellen kann. Dem Nachbau steht damit (fast) nichts mehr im Wege.